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10 Jahre UN-BRK: Vom Schrauben an Lösungen

Protest in Dresden gegen das Bundesteilhabegesetz (Foto: Anja Schneider)

Die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland am 26. März 2009 steht für einen Paradigmenwechsel, der Teilhabe und Selbstbestimmung in den Mittelpunkt rückt. Simone Langhof, Referentin für Teilhabe des Paritätischen Sachsen, kommentiert das zehnjährige Jubiläum.

Es ist keine leichte Aufgabe, wenn sich Staaten entscheiden, eine Konvention der Vereinten Nationen zu ratifizieren. Geeignete Maßnahmen auf der Verwaltungsebene und in der Gesetzgebung sind zu treffen, die dem Anliegen der jeweiligen Konvention gerecht werden. Bestehendes muss verändert werden. Im konkreten Fall sind es jene rechtlichen Regelungen, die Menschen mit Behinderung die selbstbestimmte Teilhabe verwehren.

Das ist umso komplizierter, wenn es sich um nichts weniger handelt als um eine komplette Kehrtwende hin zu einer schönen neuen Welt voller Inklusion. „Recht auf Teilhabe und Selbstbestimmung“ oder „Nichts über uns ohne uns!“ lauten die Leitmotive, die es in praktisches Handeln zu überführen gilt. Diesen Anspruch sollte das 2016 verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung, kurz Bundesteilhabegesetz (BTHG), leisten. Jetzt befinden wir uns in der schrittweisen Umsetzung dessen bis 2023.

So weit, so gut? Sagen wir mal: So viel zur Theorie. Wie sieht es in der Praxis aus?

Die Herausforderung besteht vor allem darin, ein bestehendes System von Leistungserbringern, Leistungstypen und Leistungsträgern so aufzuweichen und zu verändern, dass es dem individuellen Bedarf des Einzelnen mit seinem Wunsch- und Wahlrecht nachkommt. Das bedeutet nicht, dass das bisherige System durchweg schlecht war. Aber wir müssen einiges vom Kopf auf die Füße stellen.

Die Leistungserbringer sind verunsichert und es liegen ganz praktische Fragen auf den Tisch. Wie ist es mit der Trennung der Leistungen? Was bedeutet das für Mietverträge, Fachleistungen, Assistenzleistungen? Wie geht das mit dem neuen Bedarfsermittlungsinstrument? – Fragen über Fragen, zu denen es trotz zehn Jahren UN-BRK in Deutschland und über zwei Jahren geltendem BTHG noch keine zufriedenstellenden Antworten gibt.

Zu alldem kommen die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Akteure hinzu – die der Leistungserbringer auf der einen und die der Kostenträger auf der anderen Seite. Ach ja, und dann sind da noch die Menschen mit Behinderung und ihre vielen neuen Rechte auf Teilhabe und Selbstbestimmung. Sie angemessen zu beteiligen und in Mittelpunkt zukünftiger Regelungen zu stellen, ist noch nicht in allen Köpfen angekommen.

Die Kompromissfähigkeit aller Beteiligten ist gefordert, wenn in Arbeitsgruppen, Fachgruppen und Gremien um den besten gemeinsamen Weg zur schrittweisen Umsetzung des BTHG gerungen wird. Schrittweise Umsetzung heißt, einen Schritt nach dem anderen tun und dabei vorankommen. Bei allen Stolpersteinen dürfen wir uns nicht aufhalten lassen. Und Übergangsregelungen sind nicht gleichbedeutend mit „Sie haben Ihr Ziel erreicht“. Besonders die Leistungserbringer sollten die Übergangszeit nutzen, um zu gestalten und den Menschen mit Behinderung auf Augenhöhe zu begegnen. Individuelle Betreuung ist dabei das Credo.

Ein Alle-Wünsche-werden-wahr wird es ebenso wenig geben können, wie es ein Weiter-so mit neuen Etiketten auf alten Lösungen nicht geben darf. Ob alles besser wird? – Vielleicht. Ob vieles anders werden muss? – Ganz bestimmt!


Kontakt:

Simone Langhof (Referentin Teilhabe)
Tel.: 0351/ 491 66 35
E-Mail: simone.langhof(at)parisax.de