Die Umsetzung des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ ist in Sachsen stark auf den schulischen Bereich und den reinen Wissenserwerb ausgerichtet. Psychosoziale Hilfen und Freizeitangebote kommen zu kurz, kritisiert der Paritätische Sachsen und fordert ein Nachsteuern beim Einsatz der Bundesmittel.
Die Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) sowie für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) haben das „Aktionsprogramm Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ mit einem Fördervolumen von zwei Mrd. Euro aufgelegt. Damit sollen Lernrückstände ausgeglichen und psychosoziale Belastungen von Kindern, Jugendlichen und deren Familien abgemildert werden.
Die Bundesregierung beschreibt vier Förderschwerpunkte, die sich in der im Freistaat Sachsen beabsichtigten Umsetzung jedoch nur teilweise wiederfinden. So hat die Bundesregierung allein für den Ausgleich pandemiebedingter Lernrückstände durch den weitgehenden Ausfall des Präsenzunterrichtes die Hälfte des Gesamtbudgets vorgesehen - eine Mrd. Euro. Diese Intention schlägt sich in den bislang bekannten sächsischen Plänen aber nicht nieder. Nach bislang vorliegenden Informationen erhält der Freistaat Sachsen aus dem Aktionsprogramm insgesamt rund 114 Mio. Euro, von denen mehr als 100 Mio. Euro allein in den Förderschwerpunkt Schule fließen.
„Der Paritätische Sachsen begrüßt die Anstrengungen des Bundes, mit einem Aktionsprogramm den besonderen Bedarfen der Heranwachsenden Rechnung zu tragen. Die in Sachsen vorgenommene Fokussierung auf die Förderung des schulischen Wissenserwerbs greift jedoch zu kurz. Kinder und Jugendliche sind nicht nur Schüler*innen. Vor allem sind sie Menschen in einer prägenden Lebensphase und in ihrer persönlichen Entwicklung. Deshalb müssen Angebote zum Ausgleich psychosozialer Folgen der Pandemie ebenfalls gefördert werden“, kommentiert Michael Richter, Landesgeschäftsführer des Paritätischen Sachsen, die Pläne der zuständigen Ministerien.
Nachhilfe an die Schule anbinden und Schulsozialarbeit stärken
Verpassten Schulstoff nachzuholen, ist wichtig. Dies muss jedoch in enger Anbindung an die Schule erfolgen. Einfach nur an externe Nachhilfeanbieter zu verweisen und womöglich ein Gutscheinsystem zu etablieren, würde zu kurz greifen. Ein so entstehendes Angebotsgefälle zwischen städtischem und ländlichem Raum birgt die Gefahr der Benachteiligung, da private Nachhilfeangebote im ländlichen Raum nur unzureichend zur Verfügung stehen. Vielmehr muss die Schule zentraler Ort der Nachhilfebemühungen sein und bereits vorhandene schulische Angebote müssen gestärkt werden. Richter fordert: „Zusätzliche Unterrichtsangebote sollten jedoch stärker als vorgesehen mit einer sozialpädagogischen Begleitung der Schüler*innen kombiniert werden. Dafür können Angebote der Schulsozialarbeit aufgestockt und an bisher unterversorgten Standorten etabliert werden.“
Offene Kinder- und Jugendarbeit vor Ort fördern
Über Monate waren Kinder und Jugendliche auf sich zurückgeworfen. Der Kontakt zu Gleichaltrigen und das Erleben alterstypischer Freizeitgestaltung waren so gut wie unmöglich. Wichtige Prozesse des nonformalen Lernens fanden nicht statt. Daher sollte die Gewichtung der Mittelvergabe zu Gunsten dieser Angebote verschoben werden. Die offene Kinder- und Jugendarbeit als wesentliche Unterstützung junger Menschen in der Pandemie geht aber nahezu leer aus. In diesen Bereich sollten Mittel aus dem schulbezogenen Förderbudget daher umverteilt werden.
Aktionsprogramm für nachhaltigen Digitalisierungsimpuls nutzen
Das Aktionsprogramm ist auf zwei Jahre angelegt und kann daher nur als Impuls verstanden werden, mit dem Defizite der zurückliegenden Monate ausgeglichen werden sollen. Dennoch kann es insbesondere hinsichtlich der Digitalisierung nachhaltig Wirkung entfalten. Es bietet die einmalige Chance, Fachkräfte in den verschiedenen Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit entsprechend weiterzubilden. Hinzu kommt, dass die technische Ausstattung beispielsweise in der offenen Kinder- und Jugendarbeit in die Jahre gekommen ist und nicht den aktuellen Bedarfen entspricht. Dies ist jedoch wichtig, um insbesondere Heranwachsenden aus benachteiligten Familien digitale Zugänge zu ermöglichen und somit heute selbstverständliche Kompetenzen zu vermitteln.
„Wir greifen das im letzten Landesjugendhilfeausschuss von Sozial- und Kultusministerium formulierte Angebot auf und werden unsere Vorschläge unterbreiten. Die derzeitigen Pläne zur Umsetzung des Aktionsprogramms sind einseitig und verkennen die psychosozialen Effekte der Pandemie auf die Kinder und Jugendlichen völlig“, so der Landesgeschäftsführer.
Kontakt:
Hartmut Mann (Referat Jugendhilfe)
Tel.: 0351/ 828 71 144
E-Mail: hartmut.mann(at)parisax.de
Carolin Bornschein (Referat Bildung/ Freie Schulen)
Tel.: 0351/ 828 71 147
E-Mail: carolin.bornschein(at)parisax.de
Friderun Hornschild (Referat Bildung/ Kitas)
Tel.: 0351/ 828 71 146
E-Mail: friderun.hornschild(at)parisax.de