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Arbeitsschutz als Basis für gesundes Arbeiten

Symbolbild: Schutzhelme liegen in einem Regal.

Arbeitsschutz in einer Werkstatt mit 320 Mitarbeitenden umzusetzen und so die Gesundheit aller Beschäftigten zu schützen, erfordert ein lebendiges Arbeitsschutzkonzept. Doch wie fängt man an? Die Görlitzer Werkstätten haben sich dieser Frage gestellt.

Arbeitsschutz gehört in einer Werkstatt so selbst-verständlich zum Alltag wie Werkzeuge und Werkstoffe. Das gilt auch für die Görlitzer Werkstätten, in der 320 Werkstattbeschäftigte arbeiten. Tischlerei, Wäscherei und Industriemontage sind nur drei der acht Arbeitsbereiche, für die jeweils eigene Anforderungen an den Arbeitsschutz bestehen. Bei der Vielzahl von Verordnungen, Regelungen und gesetzlichen Vorgaben ist es für die Verantwortlichen jedoch herausfordernd, die wichtigsten Handlungsfelder im Blick zu behalten. Daher entschied sich das Leitungsteam der Görlitzer Werkstätten vor zwei Jahren dafür, den Arbeitsschutz als Aufgabe des gesamten Unternehmens anzugehen und neu aufzustellen.

Hierbei stützte sich das Team auf den ORGA-Check der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie. Mit diesem Selbsttest können Einrichtungen anhand von 15 Bausteinen überprüfen, ob die Anforderungen an eine gute Arbeitsschutzorganisation erfüllt sind. Wie bei einem Backrezept sind die einzelnen Themenbereiche nacheinander angeordnet und können sukzessive abgearbeitet werden.

Ist-Stand des Arbeitsschutzes prüfen

Da ein unternehmensweiter Arbeitsschutz angestrebt wurde, lag das Augenmerk zunächst auf den umzusetzenden Aufgaben, auf der Verantwortung für deren Umsetzung und auf den unterstützenden Dokumenten. Mithilfe des ORGA-Checks erfolgte zunächst eine Ist-Stand-Analyse, um Handlungsbedarfe zu identifizieren.

Ein erster Schritt bestand darin, die bis dahin verwendeten Dokumente und Leitfäden sowohl auf ihre Sinnhaftigkeit, aber vor allem auch auf deren praktische Umsetzung hin zu prüfen. Ein Großteil der Unterlagen war über Jahre nicht angepasst worden und wich teilweise von den aktuellen Abläufen in der Werkstatt ab. Eine entscheidende Frage war zudem, inwieweit allen Beschäftigten die vorhandenen Arbeitsschutzmaterialien bekannt waren und im Alltag genutzt werden.

Bei diesem Schritt war es der Werkstattleitung wichtig, die Beschäftigten unmittelbar einzubinden. Zum einen, um die Umsetzung des Arbeitsschutzes und der dafür notwendigen Dokumente aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zum anderen, damit alle von Beginn an beteiligt sind und das Thema mitdenken. Dem Betriebsrat, dem Team für Qualitätsmanagement und der Fachkraft für Arbeitssicherheit kamen dabei ebenfalls wichtige Funktionen zu, da sie an den Entscheidungen und bei der Umsetzung künftiger Arbeitsschutzmaßnahmen erheblich mitwirken. Unterstützung holten sich die Görlitzer Werkstatten zudem von ihrer Betriebsärztin und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.

Vorhandenes aktualisieren und Anwendbarkeit vereinfachen

Infolge des breit angelegten Dialogs traten verschiedene Handlungsbedarfe zu Tage. Gefährdungsbeurteilungen, Betriebsanweisungen oder auch Unterweisungsvorlagen und Pflichtübertragungen wurden neu erstellt und einheitliche Formate entwickelt. Insbesondere der einheitliche Aufbau der verschiedenen Dokumente soll dafür sorgen, dass Prozesse und Abläufe verständlich sind und deren Zusammenhang miteinander nachvollziehbar ist. Zudem soll mittels einer neu angelegten Ordnerstruktur die Auffindbarkeit erleichtert werden.

Damit die neuen Dokumente den Beschäftigten bei der Umsetzung des Arbeitsschutzes auch leicht zugänglich und hilfreich sind, planen die Görlitzer Werkstätten eine webbasierte Softwarelösung. Sie soll beispielsweise an Wartungsintervalle und notwendige Unterweisungen erinnern, Informationen zu Arbeitsmitteln und deren richtiger Anwendung bündeln, Zuständigkeiten transparent machen und durch Checklisten bei der Umsetzung von Aufgaben unterstützen. Alle für den Arbeitsschutz zuständigen Personen sollen mittels eines internetfähigen Endgerätes jederzeit auf relevante Unterlagen zugreifen können, offene Aufgaben erkennen und umsetzen. Zudem soll gewährleistet werden, dass Unterweisungen einheitlich erfolgen - unabhängig von der Person, die sie durchführt.

Was so schön praktisch klingt, will gut durchdacht sein. Die beschriebene Überarbeitung der Dokumente und Prozesse bilden dafür die entscheidende Grundlage. Derzeit wird eine digitale Lösung für die Tischlerei, die Wäscherei und die Druckerei umgesetzt. Mittels dieser Pilotlösung sollen in den kommenden Monaten Erfahrungen gesammelt werden, die dann in der Arbeitsschutzsoftware für die gesamte Werkstatt berücksichtigt werden können.

Beschäftigte zum selbstständigen Handeln befähigen

Mit der Software allein wird der Arbeitsschutz jedoch nicht gelingen. Im gesamten Prozess der Neuausrichtung wurde die besondere Funktion der Führungskräfte bei diesem Unterfangen deutlich. Dies gilt insbesondere dafür, bestehende Gefährdungsbeurteilungen zu verstehen und Gefährdungen als solche zu erkennen und zu dokumentieren.

Dass Gefährdungsbeurteilungen grundlegend für den Arbeitsschutz sind und Gefahrenpotentiale aus unterschiedlichen Perspektiven beurteilt werden sollten, war nicht allen Beteiligten bewusst. Die Werkstattleitung ermutigte also dazu, sich mit den Kolleg*innen darüber auszutauschen, sich Hilfe zu holen und versicherte, dass eine Führungskraft nicht immer alles wissen oder für jede Situation eine Lösung parat haben muss.

Um dem Team die dafür nötige Sicherheit zu vermitteln, greifen die Görlitzer Werkstätten auf das Weiterbildungsangebot der BGW zurück. Dabei geht es jedoch nicht ausschließlich um die reine Wissensvermittlung. Die Kolleg*innen sollen künftig eigeninitiativ und selbstverantwortlich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz für ihre Arbeitsbereiche erkennen und anwenden. Zudem sollen das Selbstverständnis der Führungskräfte und Beschäftigten sowie das Bewusstsein für Verantwortung und Aufgaben gestärkt werden.

Die Analyse der Ist-Situation zum Thema Arbeitssicherheit, Gesundheit- und Umweltschutz war aufwendig. Dennoch sind Team und Werkstattleitung sicher, dass es nur so möglich ist, eine solide Basis für weitere Entscheidungen im Unternehmen zu schaffen. Zudem ist während des gesamten Prozesses das Bewusstsein für Arbeitsschutz und somit für die Gesunderhaltung aller Beschäftigten gewachsen. Zugleich sind Wissenslücken offenbar geworden, die nun gezielt geschlossen werden können.


Arbeitsschutz und Gesundheit sind eng miteinander verbunden. Deshalb wollen die Görlitzer Werkstätten einen gelebten Arbeitsschutz aufbauen. Sie wollen sich darüber austauschen? Kontaktdaten und Informationen zu den Görlitzer Werkstätten finden Sie unter: www.goewerk.de


Der Autor: Michael Timm arbeitet in der Verwaltung der Görlitzer Werkstätten und ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Organisation verantwortlich.

Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe September 2022 des Verbandsmagazins anspiel. mit dem Schwerpunktthema "Gesund arbeiten". Das Heft können Sie hier herunterladen.