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Betriebliches Eingliederungsmanagement: Gesunde Beschäftigte – gesunde Betriebe

Der Reiter eines dicken Ordners mit der Aufschrift "Personal" ist in der Mitte des Bildes. Die nebenliegenden Reiter sind nur angeschnitten.

Die Rückkehr in den Job nach langer oder häufiger Arbeitsunfähigkeit gelingt erheblich besser, wenn die Unternehmensleitung den Wiedereinstieg über ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) professionell managt. Bianca Maus von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) erklärt im Interview, warum sich ein BEM lohnt und wie sich Vorbehalte einfach entkräften lassen.

Was läuft in Unternehmen ohne BEM oftmals schief? Was funktioniert mit BEM konkret besser?

Bianca Maus: Das systematische Betriebliche Eingliederungsmanagement hilft dabei, Betroffene mit Langzeiterkrankungen erfolgreich wiedereinzugliedern und ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu stabilisieren. Infrage kommt das BEM dabei für Beschäftigte, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren – egal ob ununterbrochen oder in mehreren Zeiträumen.

Mit einem strukturierten, systematischen BEM setzen der Betrieb und die eventuell beteiligten Rehabilitationsträger frühzeitig an den Ursachen einer Arbeitsunfähigkeit an, erkennen Rehabilitationsbedarf rechtzeitig und werden entsprechend tätig. Dies führt im Idealfall zu Planungssicherheit für alle Beteiligten und zu einer früheren und gut vorbereiteten Rückkehr der Betroffenen. Zu geeigneten Maßnahmen können die stufenweise Wiedereingliederung, Schulungen oder eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes gehören.

Ohne BEM werden Betroffene oftmals erst nach ihrer Rückkehr in den Betrieb angesprochen. Die Rückkehr wird also nicht vorbereitet und somit die Chance vergeben, Gefährdungen und Belastungen am Arbeitsplatz der erkrankten Person präventiv zu erkennen.

Warum lohnt sich ein BEM auch für kleinere und mittlere Unternehmen?

Bianca Maus: Gesetzlich gefordert ist das BEM für alle Betriebe unabhängig von ihrer Größe. Es ist empfehlenswert, das BEM ab einer gewissen Unternehmensgröße einzelfallübergreifend, systematisch geordnet und auf Basis einer Betriebsvereinbarung anzugehen. Kleinere Betriebe können Einzelfälle auch mit Hilfe von externen Beteiligten (Rehabilitationsträger und ggf. Integrationsamt) bearbeiten.

BEM lohnt sich in jedem Fall. Wenn damit Arbeitsunfähigkeitszeiten verkürzt oder vermieden werden können, ist dies gerade in Zeiten von Fachkräftemangel und schwieriger Personalgewinnung ein wichtiges Signal an die Beschäftigten und auch ein nicht zu unterschätzender Imagefaktor für den Betrieb. Insgesamt verringern sich durch ein BEM die Fehlzeiten von Beschäftigten – und sie sind motivierter und identifizieren sich stärker mit ihrem Unternehmen.

Welche Vorbehalte treffen Sie in Ihren Beratungen immer wieder an – seitens der Unternehmensleitung und seitens der Mitarbeitenden?

Bianca Maus: Seitens der Unternehmensleitung oder seitens der mittleren Führungsebene sind beispielhafte Vorbehalte: „Ich weiß doch, was der*die Mitarbeitende hat. Da nützt auch kein BEM!“, „Ständig neue Projekte und jetzt noch BEM?!“, „Wann soll ich mich auch noch darum kümmern? Keine Zeit!“.

Seitens der Mitarbeitenden wird typischerweise vorgebracht, dass das BEM ein Mittel zum Zweck der Kündigung sei und man Bedenken habe, Diagnosen zu nennen („Wer weiß, was damit gemacht wird?“).

Um diese Sorgen zu entkräften, ist es wichtig, von Anfang an und fortlaufend Informationen zum BEM zu streuen, z.B. in Auftaktveranstaltungen, Leitungs- und Teamsitzungen sowie im Intranet. Das BEM selbst muss durch eine klare Delegation der Verantwortung, Aufgaben und Befugnisse gekennzeichnet sein.

Ob eine Wiedereingliederung gelingt, hängt zudem auch vom Betriebsklima ab, von der Wertschätzung der Unternehmensleitung für die Angestellten – und davon, ob die Gesundheit der Betroffenen und deren Vertrauen in den Prozess wirklich im Zentrum stehen.

Welche Fragen sollten Unternehmen im Vorfeld klären, wenn Sie ein BEM-Konzept entwickeln möchten?

Bianca Maus: Das Unternehmen sollte im Vorfeld klären, wie bisher auf Arbeitsunfähigkeit reagiert wurde. Wer hat sich in diesem Bereich bislang engagiert? Wie empfinden die Beschäftigten den bisherigen Umgang im Unternehmen mit längerer Arbeitsunfähigkeit? Wie wurden sie nach längerer Krankheit im Unternehmen begrüßt, hat jemand Kontakt gehalten?

Die Führungskräfte der mittleren Führungsebene sind von besonderer Bedeutung für das BEM – wie ist diese Führungsebene bislang an der Lösung von beispielsweise organisatorischen und technischen Maßnahmen am Arbeitsplatz oder bei internen Arbeitsplatzwechseln beteiligt worden?

Es sollte zudem darauf geachtet werden, das BEM in die Präventionskultur im Unternehmen einzubinden und die Chance zu nutzen, Hinweise auf einen gesundheitsfördernden Umgang aus bisherigen Angeboten der betrieblichen Gesundheitsförderung zu integrieren.

Mit welchen Angeboten unterstützt die BGW Unternehmen dabei, ein BEM einzuführen bzw. es weiterzuentwickeln?

Bianca Maus: Die BGW unterstützt Unternehmen dabei, Strukturen und Prozesse aufzubauen, um im Betrieb ein BEM nachhaltig zu etablieren. Wir helfen dabei, den Bedarf zu ermitteln. Unsere Mitgliedsunternehmen können kostenfrei eine Beratung zum Aufbau oder zur Weiterentwicklung bzw. Evaluation eines systematischen Eingliederungsmanagements in Anspruch nehmen. Die BGW bietet darüber hinaus verschiedene Führungskräfte-Seminare an. Informationen zu diesen Seminaren finden Sie auf unserer Homepage unter www.bgw-online.de/seminare

Vielen Dank!


Unsere Interviewpartnerin Bianca Maus berät in der BGW für die Region Ost zu Berufskrankheiten und zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement.

E-Mail: bianca.maus(at)bgw-online.de


Die Broschüre „Betriebliches Eingliederungsmanagement – Praxisleitfaden“ stellt Ihnen in acht Schritten eine Musterlösung zur Einführung eines BEM vor. Sie kann auf der Website der BGW herunterladen werden: www.bgw-online.de


Das Interview erschien zuerst in der Ausgabe September 2021 unseres Verbandsmagazins anspiel. mit dem Themenschwerpunkt Kooperation. Jetzt einen Blick ins Heft werfen!