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Bundesteilhabegesetz - was braucht es dafür? - Die Übergreifende Fachbereichskonferenz diskutiert

Am 7. Mai 2015 veranstaltete das Referat Eingliederungshilfe des Paritätischen Sachsen eine weitere seiner Übergreifenden Fachbereichskonferenzen. Zentrales Thema diesmal: das von der Bundesregierung angestrebte Bundesteilhabegesetz. Eingeladen dazu war auch Claudia Zinke, Referentin Behinderten- und Psychiatriepolitik des Paritätischen Gesamtverbands. 

Rege wurde im Saal debattiert und diskutiert. Doch was sagen die Referent(inn)en des Landesverbands selbst? Was gehört aus der Sicht ihres jeweiligen Teilbereichs der Eingliederungshilfe unbedingt in ein Bundesteilhabegesetz? Die Antworten geben zugleich eine gute Zusammenfassung der Veranstaltung.

Bärbel Herold, Referentin für Hilfen in besonderen Lebenslagen:

„Menschen mit Behinderungen sollen die gleichen Rechte und Wahlmöglichkeiten wie Menschen ohne Behinderungen haben! Meine wichtigsten Forderungen sind daher:
1. Der Behinderungsbegriff muss endlich entsprechend der UN-BRK Art. 1  neu definiert werden. Das ist seit Jahren überfällig.
2. Zu gewährleisten ist ein Rechtsanspruch auf kostenlose und neutrale umfassende Beratung und Information immer im Interesse des Menschen mit Behinderungen.
3. Des Weiteren muss die kostendeckende Finanzierung zur Nutzung der bedarfsgerechten Assistenz- und Dienstleistungsangebote gesichert sein, um die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bzw. am Arbeitsleben zu ermöglichen.
4. Das Wunsch- und Wahlrecht im Sinne einer unabhängigen Lebensführung ist zu sichern und zu stärken.
5. Das Bundesteilhabegeld muss schnell kommen, das zudem kein Einkommen und Vermögen anrechnen darf.“

Astrid Jungmichel, Referentin Ambulante Eingliederungshilfe:

„Unbedingt neu definiert werden muss der Behinderungsbegriff. Und das nicht nur UN-BRK-tauglich, sondern er muss auch umweltbedingte Barrieren beachten. Die Einordnung eines leistungsrechtlichen Anspruchs muss zwingend auf der Grundlage der ICF erfolgen. Ziel muss dabei die gleichberechtigte Teilhabe unter dem Anspruch einer individuellen Bedarfsdeckung sein. Hierfür braucht es bundeseinheitliche Kriterien für sowohl für die Feststellung des  Bedarfs als auch für die Teilhabeplanung. Und bezüglich einer großen Lösung: Eine leistungsrechtliche Zusammenführung der Leistungen für Kinder und Jugendliche - egal ob mit oder ohne Behinderung! – ist von Nöten. Kinder sind Kinder und haben ggf. einen individuellen Bedarf. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Fachlich und grundsätzlich ist nicht rational begründbar, warum die einen Kinder und Jugendliche anderes als die anderen behandelt werden. Es bedarf also eines einheitlichen Leistungssystems mit einheitlicher Finanzverantwortung und folglich Leistungen aus einer Hand. Diese große Lösung würde einen sehr wesentlichen Betrag zur Umsetzung der UN BRK leisten!“

Roland Frickenhaus, Referent Stationäre Eingliederungshilfe/Werkstätten:

„Seitdem die Regierung vom Koalitionsvertrag abgerückt ist und die Kommunen bei ihren Ausgaben für Leistungen der Eingliederungshilfe nun doch nicht entlasten will, geht es nicht primär um die Frage, was in ein künftiges Bundesteilhabegesetz hinein sollte und was nicht. Es geht jetzt vielmehr um die grundsätzliche Frage, ob es überhaupt zu einem Bundesteilhabegesetz kommen wird oder nicht. Daher ist der Fokus nicht so sehr auf die Frage "Bundesteilhabegesetz ja oder nein?"  zu legen, sondern vielmehr auf die Frage: "Reform der Eingliederungshilfe ja oder nein?". Eine Reform aber ist zwingend erforderlich. So finden sich allein in der UN-Behindertenrechtskonvention, die auch in Deutschland gilt, klare Aussagen, die ohne flankierende Gesetzgebung wohl kaum umzusetzen sein werden: der Abbau von Barrieren, das Verbot von Diskriminierung und das Recht auf gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe. Daraus ergibt sich, dass auch die sogenannten "Sonderwelten" - also Lebensräume, die nicht inklusiv sind - abgeschafft werden müssen. Dies betrifft die Bereiche Wohnen, Bildung, Freizeit und Arbeit gleichermaßen.“ 

Der zweite Komplex des Tages befasste sich mit der Bedeutung von Leistungsvereinbarungen im Zuge von Vergütungsverhandlungen. Hierzu referierte die Dresdner Rechtsanwältin Reingard Bruns. Das Interesse der Teilnehmenden zielte vor allem auf Strukturfragen sowie vertragsrechtliche Belange.

Die nächste Übergreifende Fachbereichskonferenz ist für Juli 2016 geplant. Ein mögliches Thema könnte dann ein Bundesgleichstellungsgesetz und dessen Auswirkungen auf die Eingliederungshilfe sein.

 

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