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Corona und die Entzauberung des Home Office

Grafitti: gute Arbeit

Mit der zunehmenden Ausbreitung des Corona-Virus erkannten viele Unternehmen den Mehrwert der Digitalisierung und schickten ihre Mitarbeiter*innen reihenweise ins Home Office. Eine tolle Option. Oder doch nicht? ...fragt Sabine Mallschützke, Personalreferentin des Paritätischen Sachsen.

Ein Traum für viele Arbeitnehmer*innen: Verpennt, im Schlafanzug, mit der ersten Tasse Kaffee in der Hand den Laptop aufklappen und dabei die ersten E-Mails lesen. Duschen kann man dann ja zwischendurch – wenn überhaupt. Als diese Situation jedoch zu einem wochenlangen, teilweise verordneten Zustand wurde und neben Home Office oder mobilem Arbeiten auch der Schulbetrieb in den eigenen vier Wänden stattfinden musste, kamen erste Zweifel auf. Mit schmerzendem Rücken durch die wochenlange gebeugte Sitzhaltung am Küchentisch und mit müden Augen aufgrund der Arbeitszeitverlagerung in die frühen Morgen- bzw. späten Abendstunden wurde das externe Büro zum Sehnsuchtsort. So hatte man sich das Home Office nicht vorgestellt.

Zweifelsfrei ist die Corona-Pandemie eine Ausnahmesituation, wie sie bisher auch in der Arbeitswelt nicht vorkam. Das Home Office wurde dadurch zum großangelegten Feldversuch und seine Vor- und Nachteile traten offen zu Tage. Nach dem Abflachen der ersten Corona-Welle steht nun die Frage im Raum, was davon übrigbleibt und ob sich die Arbeitswelt nachhaltig verändern wird.

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) untersuchte gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) die Auswirkungen und zog erste Rückschlüsse. Die Autor*innen gehen davon aus, dass sich das Home Office als Teil der Arbeitswelt dauerhaft etablieren wird. Allerdings bedarf es nach dem Kaltstart vieler Unternehmen in diese Form der Arbeitsgestaltung nun einer Bilanzierung, um Schwachstellen zu identifizieren und das Home Office als dauerhaftes Arbeitsmodell auszugestalten. Unabdingbar scheint ein Wandel der jeweiligen Unternehmenskultur hin zu Strukturen und Prozessen, die Home Office ermöglichen, ohne dass sich Mitarbeiter abgehängt fühlen, Arbeitgeber den Kontakt zu ihren Angestellten verlieren oder die Arbeit nicht zufriedenstellend erfüllt werden kann.

Auch in der Sozialwirtschaft wird ein „Das geht bei uns nicht.“ zukünftig nicht mehr ausreichen. Sicher sind viele Aufgaben nicht im Home Office möglich. Dennoch gibt es Tätigkeiten, die auch daheim erbracht werden können. Träger sind gefordert, Wege zu finden, wie sie Beschäftigten diese Option eröffnen können. Das Potential des Instruments ist für die Mitarbeitergewinnung und -bindung nicht zu unterschätzen.

Der Gesetzgeber muss sich ebenfalls mit dem Thema auseinandersetzen. In Verordnungen und Gesetzen finden sich lediglich die Begriffe „mobile Arbeit“ (gelegentliches Arbeiten außerhalb des Büroarbeitsplatzes) und „Telearbeit“ (dauerhafter Heimarbeitsplatz). Letzterer klingt mehr nach den Achtzigerjahren und Telefondienst, als nach digitaler Zusammenarbeit und dem Jahr 2020. Das führt zu Verunsicherungen auf Arbeitgeberseite und hemmt, Home Office als Option in der heutigen Arbeitswelt zu etablieren. Auch rechtlich wird es daher ohne Modernisierung nicht gehen.


Der Artikel erschien zuerst in der Septemberausgabe 2020 des Verbandsmagazins anspiel.

Das gesamte Heft "Corona - und was nun?" lesen Sie hier.