In Sachsen wir die Selbsthilfe von den gesetzlichen Krankenkassen gefördert. Wir stellten Evelin Wiesner vom Fachbereich Selbsthilfeförderung der AOK PLUS vier Fragen zu aktuellen Entwicklungen in der Selbsthilfe.
Frau Wiesner, wie ist Ihre Verbindung zur Selbsthilfe in Sachsen?
Evelin Wiesner: Ich selbst bin seit September 2019 in diesem Thema unterwegs. Besonders schätze ich die intensive Einarbeitungszeit, während der ich im Tandem mit meinem langjährig erfahrenen Kollegen Frank Tschirch vieles kennen lernen und mich vertieft mit der Selbsthilfe vertraut machen konnte.
Durch meine Tätigkeit als Ansprechpartnerin für die Selbsthilfegruppen in der Pauschalförderung der GKV-Gemeinschaft nach §20h SGB V pflege ich einen sehr engen Kontakt zu den Gruppen.
In wertschätzender Zusammenarbeit versuchen wir gemeinsam, stets die beste Lösung zu finden. Das macht mir Freude und motiviert mich sehr, denn diese wertschätzende Arbeit gibt mir viel Positives zurück.
Auch in meinem engen persönlichen Familienkreis sind chronische Krankheiten ein präsentes Thema. Es ist wichtig, sich aktiv mit der Erkrankung auseinanderzusetzen, die einen unweigerlich lebenslang begleitet. Gleichgesinnte zu haben und sich austauschen zu können, Erfahrungen zu teilen und sogar gemeinsam in die Zukunft zu blicken – das gibt Mut, Kraft und Zuversicht. Das alles bietet die Selbsthilfe.
Worauf legen Sie im Fachbereich Selbsthilfeförderung Ihre Schwerpunkte?
Evelin Wiesner: Wir bei der AOK PLUS haben unsere Selbsthilfeziele auf Basis des 2018 veröffentlichten Nationalen Aktionsplans für Gesundheitskompetenz (PDF) ausgerichtet. Mein persönliches Ziel ist es, im Netzwerk Selbsthilfe direkt und auf kurzem Wege Ansprechpartnerin zu sein und darüber hinaus als orientierunggebende Lotsin zu fungieren.
Besondere Schwerpunkte legt die AOK PLUS in der Selbsthilfeförderung in der kassenindividuellen Förderung auf die junge Selbsthilfe und die digitale Selbsthilfe sowie auf die familienorientierte Selbsthilfe und die Selbsthilfe im ländlichen Raum. Vor diesem Hintergrund ist es mir als Fachberaterin wichtig, die Kooperation aller Akteure zu unterstützen und individuelle und strukturelle Bedingungen weiterhin zu verändern.
Unsere Schwerpunkte verfolgen wir mit dem Ziel, Selbsthilfe möglichst niedrigschwellig für eine breite Bevölkerungsschicht zugänglich zu machen und sie attraktiv zu gestalten, um soziale Ungleichheit zu verringern. Nur auf diese Weise kann es gelingen, die Selbsthilfearbeit langfristig zukunftsgerecht auszugestalten und weiterzuentwickeln.
Die AOK PLUS fördert die Selbsthilfeakademie Sachsen. Welche Ziele verfolgen Sie mit dem dreijährigen Modellprojekt?
Evelin Wiesner: Aus Sicht der AOK PLUS – getreu dem Motto: Lebenslanges Lernen – ist Bildung ein wichtiger Grundstein für Weiterentwicklung. Vor diesem Hintergrund ist es uns ein Herzensanliegen, dass die Menschen, die sich in der Selbsthilfe tagtäglich engagieren, unsere Unterstützung erhalten.
Die Seminare der Selbsthilfeakademie Sachsen bieten eine besondere Möglichkeit, sich weiterzubilden, sich gleichzeitig mit anderen Selbsthilfeaktiven über Erfahrungen auszutauschen und sich übergreifend zu vernetzen. Das Team der Selbsthilfeakademie Sachsen setzt viele Punkte um, die wir uns im Hause der AOK PLUS für die Selbsthilfe zum Ziel gemacht haben, und deshalb stehen wir voll und ganz hinter diesem Projekt.
Auch digitale Angebote werden nun Teil der Selbsthilfeakademie. Diese Angebotserweiterung begrüßen wir sehr. Wir wünschen uns, dass durch diese Möglichkeit noch mehr Interessierte die Angebote wahrnehmen können.
Im Idealfall wächst aus dem Akademieprojekt ein langfristig bestehendes Angebot, das nicht nur einzelne Weiterbildungsangebote anbietet, sondern darüber hinaus auch einen positiven Einfluss auf die Netzwerkbildung hat und die Bekanntheit der Selbsthilfe voranbringt.
Langfristiges Ziel ist es, auch andere Lebensbereiche mit der Selbsthilfe zu verzahnen und beispielsweise im beruflichen Kontext Weiterbildungsangebote zum Thema Selbsthilfe zu etablieren.
Wo sehen Sie derzeit die Herausforderungen der Selbsthilfe in Sachsen?
Evelin Wiesner: Eine große Veränderung erfolgte durch die Umstellung der Förderung zwischen kassenartenübergreifender Pauschalförderung und kassenindividueller Projektförderung von ehemals 50:50- auf 70:30-Gewichtung zu Anfang des Jahres 2020. Diese mussten wir meistern und erst einmal unsere Erfahrungen damit sammeln.
Dann folgte wenig später der nächste große Einschnitt – die Corona-Pandemie. Auch diese hat die Selbsthilfe stark beeinflusst und die Folgen der wiederkehrenden Einschränkungen sind noch längst nicht in Gänze absehbar. Die Gesetzlichen Krankenkassen haben schnell darauf reagiert:
Ab 2021 ist es Selbsthilfegruppen nun auch möglich, digitale Anwendungen fördern zu lassen.
Sicher kann Selbsthilfe in solch schwierigen Zeiten ein helfendes Netz sein, doch vieles konnte nicht stattfinden. Ängste und Belastungen haben sich noch verstärkt. Doch in jeder Krise steckt auch eine Chance und deshalb hoffe ich, dass wir aus dieser Zeit etwas lernen und uns gemeinsam weiterentwickeln. Lassen Sie uns also nach vorn schauen und gemeinsam weitermachen und auch Neues wagen.
Frau Wiesner, herzlichen Dank für das Interview.
Das Interview führte Carolin Schulz, Referentin für Selbsthilfe im Paritätischen Sachsen.
Kontakt:
Evelin Wiesner
AOK PLUS Fachberaterin Selbsthilfeförderung Sachsen
Tel. 0800 10590 15304
E-Mail evelin.wiesner@plus.aok.de