Coronabedingt wird der Fachtag zur Digitalisierung in der Selbsthilfe nicht als Präsenzveranstaltung stattfinden können. Referentin Carolin Schulz spricht darüber, wie anspruchsvoll und lohnenswert die Umgestaltung des analogen Fachtags zu einer Online-Veranstaltungsreihe ist, und was Sie ab dem 13. März erwarten wird.
Ursprünglich hatten wir den Fachtag der Selbsthilfeakademie Sachsen für November 2020 in einem barrierefreien Tagungszentrum in Freiberg geplant und ihn dann im Frühherbst pandemiebedingt auf den 13. März 2021 verschoben. Wir hatten uns sehr darauf gefreut: Frühlingssonne, Häppchen, Impulse von Expert*innen und Betroffenen sowie geselliger Austausch unter den Selbsthilfeakteur*innen.
Doch bereits im Oktober ahnten wir, dass Corona nicht über Nacht verschwinden würde und so auch unser Fachtag im März nicht nach unseren Vorstellungen stattfinden kann. Was nun? Die Entscheidung zur Umgestaltung trafen wir schnell: Aus analog wird digital!
Wir wollten die Fachbeiträge um das zentrale Thema Digitalisierung für unsere Selbsthilfeakteur*innen nicht länger hinausschieben. So erarbeiteten wir noch vor Weihnachten ein Online-Konzept – und hatten dabei das Gefühl, eine völlig neue Veranstaltung zu entwickeln.
Auch online bedarf viel Planung
Meine Kolleginnen organisieren sowohl die Veranstaltungen der Selbsthilfeakademie als auch die Weiterbildungen des Paritätischen Sachsen. Vor allem im letzten Jahr haben sie coronabedingt ihren Erfahrungsschatz zur Durchführung von Online-Workshops weiter ausgebaut, aber die Online-Veranstaltungsreihe für die Selbsthilfe als Mammutprojekt war auch für sie Neuland.
Umso mehr freuen wir uns nun, dass es uns im Akademie-Team gelungen ist, den Fachtag in ein spannendes Format mit zwölf Online-Workshops umgewandelt zu haben. Dabei haben wir schnell gemerkt, dass hinter diesem Digitalprojekt mindestens der gleiche organisatorische Aufwand steckt wie bei einem realen Fachtag.
Zwar fallen die Raumorganisation und das Catering weg, aber viele neue Fragen kommen hinzu, wie beispielsweise zur Software für die Videokonferenz, zur technischen Begleitung während der Veranstaltung und zum Umgang mit Störungen.
Auch die Anforderungen an die Dozent*innen sind online anders: Langsamer sprechen, mehr Mimik einsetzen, neue Methoden zum Einbeziehen der Teilnehmenden einbauen, mehr Zeit einplanen für Fragen und technische Probleme. Um unsererseits reibungslose Technik zu garantieren, bedarf es einer technischen Assistenz, welche der Moderation den Rücken freihält. Da wir bei den einzelnen Workshops bis zu 80 Teilnehmenden erwarten, haben wir zudem eine Co-Moderation eingeplant, die Chatfragen bündelt und auf einzelne Anfragen von Teilnehmenden eingehen kann.
Öffentlichkeitsarbeit neu denken
Da in den Kontaktstellen für Selbsthilfe derzeit keine Gruppentreffen stattfinden, konnten unsere Poster und Flyer über diesen Weg leider niemanden erreichen. Zur Umgestaltung unserer Veranstaltungsreihe musste daher auch die Öffentlichkeitsarbeit neu gedacht werden.
So haben wir uns auf eine reine Online-Bewerbung über E-Mail, Webseite und Soziale Medien unserer Kooperationspartner*innen wie beispielsweise der Landeskontaktstelle Sachsen (LAKOS) und der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen konzentriert. Zu vielen der Workshops gibt es bereits vorab auf unserer Akademiewebseite Impuls-Artikel zur Umsetzung in der Praxis, beispielsweise zur barrierefreieren Gestaltung der Sozialen Medien.
Leider konnten wir durch die reine Online-Bewerbung dennoch nur einen Teil der Selbsthilfeakteur*innen erreichen. Auch hat die Online-Bewerbung den Nachteil, dass Texte im Netz flüchtiger wahrgenommen werden als ein handlicher Flyer mit Braille-Stanzung.
Barrierefreiheit online denken
Da unsere Zielgruppe Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen sind, organisieren wir analoge Weiterbildungen so barrierefrei wie möglich. Diesen Anspruch wollten wir natürlich auch für die Online-Veranstaltungsreihe erfüllen: Alle sollten mitmachen können und von den Digitalisierungstipps der Dozent*innen profitieren. Wir stellten uns neue Fragen wie:
- Welche Videokonferenztechnik ist für sehbehinderte Menschen geeignet und welche Screenreader nutzen diese Menschen?
- Brauchen wir eine Untertitelung und zugleich eine*n Gebärdendolmetscher*in?
Meine Kolleginnen haben viele Videokonferenzpgrogramme im Vorfeld auf Barrierefreiheit hin getestet und dabei festgestellt, dass es das perfekte und beste System leider nicht gibt. Jeder Anbieter hat Vor- und Nachteile. Deshalb haben wir den Rat von Expert*innen eingeholt und uns mit verschiedenen Menschen mit Behinderungen darüber ausgetauscht, welche Technik für sie am einfachsten zu nutzen ist.
Wir haben uns für das Videokonferenzsystem ZOOM entschieden, weil Menschen mit unterschiedlichen Sehbehinderungen dieses Programm nutzen können. So unterstützt Zoom übliche Screenreader wie zum Beispiel NVDA, JAWS, VoiceOver und Android Talkback. Außerdem können sich die Teilnehmenden über die ZOOM-Systemeinstellungen in allen gängigen Betriebssystemen wie Windows, iOS und Android eine hohe Kontrastauflösung einrichten. Für macOS unterstützt Zoom einen dunklen Modus. Zudem können Teilnehmende mit Mobilitätsbehinderungen das Programm über die Tastatur steuern.
Für Menschen mit wenig Videokonferenz-Erfahrung bieten wir am Vortag der Online-Auftaktveranstaltung am 12.03.2021 um 16 Uhr einen Vorab-Technik-Test an. Die Teilnehmenden können so gemeinsam mit meinen Kolleginnen überprüfen, ob bei ihnen Zoom funktioniert, und die Einstellungen den eigenen Bedarfen anpassen.
Sobald sich Menschen mit Hörbeeinträchtigung für die Veranstaltung anmelden, haben wir die Möglichkeit, Schriftdolmetscher*innen dazu zu holen. Diese übersetzen dann simultan in Untertitel. Das gleiche gilt für die Übersetzung in Gebärdensprache. Auch senden wir (wie bei allen anderen Online-Weiterbildungen der Akademie) unseren Teilnehmenden auf Anfrage die Workshop-Unterlagen vorab zu, damit sie die Informationen in Ruhe lesen können.
Leider haben nicht alle in der Selbsthilfe aktiven Menschen Zugang zu digitalen Räumen. Unter den derzeitigen Corona-Bedingungen sind jedoch Online-Veranstaltungen der einzige Weg, diese überhaupt noch zu erreichen.
Ein völlig neues Programm
Was ist nun konkret aus dem Fachtag geworden? Aus einem Workshop-Tag mit parallelen Workshops sind nun zwei Wochen geworden. Die Auftaktveranstaltung findet am Samstag, den 13. März 2021, mit drei anderthalbstündigen Workshops statt. Dazwischen gibt es ausreichend Pausen für Bewegung, Mittagessen und einfach nur ein bisschen Ruhe.
Dann folgen bis einschließlich 26. März 2021 neun weitere Workshops an verschiedenen Wochentagen. Die Workshops finden nachmittags statt, weil sich diese Zeit auch Berufstätige gut einrichten können und die Konzentrationsfähigkeit noch gegeben ist.
Fazit
Wichtig war uns, das Rad nicht neu zu erfinden. Wir haben uns mit Expert*innen aus der Selbsthilfe und dem Paritätischen Gesamtverband über Erfahrungen ausgetauscht. Auch nahmen wir an einigen digitalen Veranstaltungen teil, um von guten Beispielen zu lernen.
Jedoch behielten wir bei all den neuen Fragen und Herausforderungen zur Umgestaltung des Fachtags von analog auf digital immer fest das Ziel vorm inneren Auge: Die Menschen in der Selbsthilfe fit machen für die Digitalisierung, damit diese in diesen besonderen Zeiten miteinander in Kontakt bleiben und sich unterstützen können
Starten wir also am 13. März 2021 gemeinsam digital durch!
Praxis-Tipp:
Wenn Sie auch eine digitale Veranstaltung planen, empfehlen wir Ihnen die Arbeitshilfe "Digitale Räume für analoge Veranstaltungen" des Paritätischen Gesamtverbands.
Weitere Informationen zur Online-Veranstaltungsreihe „Digital durchstarten in der Selbsthilfe!“ der Selbsthilfeakademie Sachsen finden Sie unter:
www.selbsthilfeakademie-sachsen.de/angebote/termine/seminar/digital-durchstarten-in-der-selbsthilfe/
Kontakt:
Carolin Schulz (Referat Selbsthilfe & Öffentlichkeitsarbeit Selbsthilfeakademie Sachsen)
Tel.: 0351 - 828 71 123
E-Mail: carolin.schulz(at)parisax.de