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Ehrenamtliche Vorstände und Aufsichtsräte finden und halten (1/3)

Cartoon: Eine Frau überreicht in übertriebener Willkommensgestik einen Blumenstrauß an einen Herren. (Ehrenamtliche Vorstände und Aufsichtsräte gewinnen und halten Paritätischer Sachsen)

Ehrenamtliche Mitarbeit ist ein Kernstück gemeinnütziger Organisationen. Doch nicht nur in der Praxis sozialer Arbeit sind Ehrenamtliche unverzichtbar, sondern auch in Leitungsgremien. Unser Gastautor Prof. Martin Beck erklärt in drei Teilen, wie man Menschen für das Engagement in Vorständen und Aufsichtsräten gewinnt und hält.

Aufsichtsräte, Stiftungsräte, Verwaltungsräte, Kuratorien oder wie immer die Aufsichtsgremien in der Sozialwirtschaft heißen mögen, sie alle haben eines gemeinsam: Ihre Tätigkeit findet weithin im Stillen statt. Es gilt die Regel, dass der Vorstand/ die Geschäftsführung auf offener Bühne agiert, während ihre Aufseher eher im Hinterzimmer tagen. Nur wenn besonders gute Nachrichten (Berufung neuer Vorstände) oder besonders schlechte Nachrichten (Entlassung des Geschäftsführers) zu verkünden sind, treten sie in Gestalt ihrer Vorsitzenden vor den Vorhang und zeigen sich der Öffentlichkeit. Schüchterne Aufsichtsräte freuen sich über diese Rollenverteilung - Leute, die selber das Rampenlicht suchen, sind eher unzufrieden.

Klare Regeln helfen allen Beteiligten

Vorstände braucht jeder Verein, jede Stiftung und (in der Form von Geschäftsführung) jede gemeinnützige Gesellschaft. Das sagt das jeweilige Gesetz. Ob sie ehrenamtlich sein sollen, ob sie Geld dafür bekommen sollen oder ob sie diese Aufgabe freiberuflich erledigen, wie lange sie das machen und mit welchem Zeiteinsatz, das hängt von vielen Faktoren ab. Ehrenamtliche Vorstände kosten wenig oder nichts und das ist gut für das Budget. Sie sind meistens mit der Sache persönlich, biografisch oder emotional verbunden und wissen, was sie hier tun. Das kann für die Sache gut sein, muss aber nicht. Sie sind aber schwer zu steuern und im Konfliktfall auch schwerer loszuwerden als vertraglich gebundene Führungskräfte. Das kann gut gehen, aber es kann auch zur Lähmung der Organisation führen. Wenn das die Größe und Finanzkraft der Organisation einigermaßen zulassen, dann sollten die operativ Verantwortlichen im Rahmen eines Vertrages mit Anfang und Ende, mit Kündigungsfrist und mit klaren Erwartungen an die Gegenleistung für das gezahlte Salär tätig sein. Alles andere macht irgendwann Probleme, die nur schwer zu lösen sind.

Ehrenamtliche Aufsichtsräte in gemeinnützigen Unternehmen – Muss das sein?

Diese Frage haben sich viele schon gestellt. Die einen, weil sie die Mitarbeit in einem ehrenamtlichen Vorstand als Überforderung und in einem ehrenamtlichen Aufsichtsgremium als phasenweise langweilig empfinden. Die anderen, weil sie die diplomatische Herausforderung fürchten, die mit dem Hinauskomplimentieren von altehrwürdigen Gremienmitgliedern verbunden ist. Und die dritten, weil sie die Suche nach neuen, frischen und jüngeren Mitgliedern als mühsam erleben.

Die korrekte Antwort ist ganz einfach: Gemeinnützige Unternehmen brauchen Vorstände, weil jemand die Verantwortung tragen und den Karren ziehen muss. Und sie brauchen Aufsichtsräte, weil es gut ist, wenn operative Macht durch ein unabhängiges Gremium beaufsichtigt, ermuntert, aber auch korrigiert werden kann. Der Gesetzgeber ist da großzügig was die strukturellen Mindestanforderungen betrifft. Beim Verein will er nur Vorstand und Mitgliederversammlung, bei der GmbH nur Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung und bei der Stiftung nur einen Vorstand. Alles andere ist freiwillig – aber es macht Sinn.

Die Aufgabenverteilung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand ist in der Praxis nicht einfach. Viele Satzungen beschreiben das fast schon lyrisch: Der Aufsichtsrat berät und überwacht den Vorstand oder die Geschäftsführung. Beraten und überwachen passen in der Alltagspraxis nicht immer zueinander, aber beide müssen permanent im Auge behalten werden. Wer aufpasst, muss darauf achten, dass er nicht zum Staatsanwalt wird. Wer berät, muss aufpassen, dass er der operativen Führung nicht zu nahe kommt und bei seiner Rolle bleibt. Der Aufsichtsrat ist nicht die Polizei, aber er ist auch nicht der Kumpel, der alles gut finden muss, was Vorstand und Geschäftsführung so machen. Aufsichtsräte brauchen ein großes Maß an Lebenserfahrung und Reife, um mit dieser komplexen und nicht selten auch aufreibenden Aufgabenstellung gut umgehen zu können.

Der Aufsichtsrat als Akteur im Hintergrund

In Aufsichtsräten finden sich manchmal auch Leute, die selber einmal Führungsverantwortung getragen haben und die jetzt das Bedürfnis in sich spüren, den heutigen Führungskräften zu zeigen, wie man es richtig macht. Solche Überväter und Übermütter, Berufskritiker und Besserwisser behindern die Arbeit eines Gremiums oder bringen im Ernstfall sogar die gesamte Arbeit zum Erliegen. Es braucht Mut, diesen Herrschaften verständlich zu machen, dass sie jetzt nicht mehr Chef, sondern Begleiter sind. Um es im Bild zu sagen: Vorstände und Geschäftsführer agieren auf offener Bühne, der Aufsichtsrat dagegen hinter dem Vorhang. Da fällt nicht so viel Scheinwerferlicht ab. Aufsichtsräte brauchen (auch) deshalb eine gute Portion Bescheidenheit, oder - altmodisch gesagt - Demut. Wer noch etwas werden will, sollte sich dafür nicht den Aufsichtsrat eines gemeinnützigen Unternehmens aussuchen. Wer dagegen seine Kompetenzen und Erfahrungen uneigennützig zur Verfügung stellen will, der ist herzlich willkommen!

Der zweite Teil unserer Reihe blickt auf die Gewinnung sowie die Gremienorganisation als Motivationsfaktor für die Mitwirkenden.


Zum Autor: Prof. Martin Beck berät seit vielen Jahren Unternehmen der Sozialwirtschaft zu Personal- und Organisationsfragen. Einen Schwerpunkt bildet dabei die erfolgreiche Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt. Er ist Geschäftsführer der Beck Management Center GmbH Tübingen/ München.