Die Fachkraftfrage macht auch vor den Kindertageseinrichtungen nicht halt. Grund genug, sich zur Fachbereichskonferenz Kita am 15. März 2017 eingehend mit diesem Thema zu befassen. Als Gastdozent war Prof. Dr. Peter M. Wald von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig eingeladen, Experte für Personalmanagement und Mitglied des Beirats des Paritätischen Sachsen.
Der aktuelle Stand der Dinge in den Kitas
Den Status Quo umreißt am besten jemand aus der Praxis: Andreas Warschau, seines Zeichens Leiter der Kita Koboldland des Omse e.V.: „Wenn wir Stellen ausschreiben, bekommen wir nur sehr wenige Bewerbungen. Vor Jahren war das noch ganz anders. Heute geht nicht nur die Quantität zurück, auch die Qualität der Bewerbungen hat merklich nachgelassen. Der Vorteil ist dann zwar, dass die Sichtung der Unterlagen fix geht, aber es fehlt der Reiz.“
Eine Geschichte ist dem Erzieher aber ganz besonders im Gedächtnis geblieben: In der Kita seines Sohnes arbeitete ein junger Mann auf einer befristeten Vertretungsstelle. „Cooler Typ,“, wie Sohnemann diesem sachkundig bescheinigte. Und auch Andreas Warschau war angetan: „Der hätte gut auch zu uns gepasst. Weltentdecker, neugierig auf Neues und auch eine vernünftige Einstellung zu seiner Gesundheit. Alles top. Und in der Tat hatte er sich schon mal bei uns beworben. Aber wir hatten ihm aufgrund seines…naja…holprigen Lebenslaufes abgesagt: fünfzehn verschiedene Arbeitsstellen von der Ausbildung zum Galvaniseur über 1-Euro-Jobs bis zu Scheinselbständigkeit und zudem unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit. Ab 2010 dann die Ausbildung zum Erzieher. Aber davon wusste ich zu dem Zeitpunkt gar nichts. Er passte eben einfach zu uns – also fing wirklich bei uns an. Und erst viel später haben wir uns dann mal darüber unterhalten, weil er wissen wollte, warum wir kein Interesse an ihm hatte. Da hab ich mir seine Bewerbung zum ersten Mal selbst richtig angeschaut. Wir waren da wohl zu skeptisch, ob jemand in Frage kommt, der so unentschlossen scheint. Wie passt so jemand zur anspruchsvollen Arbeit in einer Kita? Mit seiner Biographie fiel er durchs Raster. Obwohl ich es eigentlich besser wissen müsste, weil unser Team an und für sich gut darin ist, auch außergewöhnliche Leute zu integrieren. “
Praxis beweist unterschiedliche Bedürfnisse
Wie ticken junge Menschen? Und ist die Lücke zwischen den Erwartungen und Vorstellungen der heutigen Generation und ihrer Vorgänger wirklich so groß?
Hier kann Prof. Wald helfen. In seinem Referat nimmt er die Gäste der Fachbereichskonferenz mit in eine zukünftige Welt, in der z.B. ohne Smartphone fast nichts mehr geht. Das fortgeschrittenere Alter mag die kleinen Biester oft als Störenfriede betrachten, aber für heutige Jahrgänge gilt dies nicht mehr. So muss das Leitungspersonal auch beim Finden und Binden neuer Fachkräfte genau jene neue Sprache verstehen, um in der Folge ein zeitgemäßes Personalmanagement umsetzen zu können. Ohne diese mentale Kehrtwende drohen sich verschärfende Engpässe.
Kurz hält Prof. Wald inne und fragt die Runde: „Worauf achten Sie bei Ausschreibungen?“ Die Antworten sind eindeutig: 150 Prozent Einsatz, notfalls auch über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus. Motivation durch gelebte Werte. Ständige Erreichbarkeit. Verfügbarkeit nach Bedarf des Arbeitgebers. Aber was sich hier auf die Nachwuchskräfte projiziert, sind augenscheinlich die Erwartungen der Personalverantwortlichen an sich selbst.
Doch stopp. Vielleicht sollte man auch mal die Bewerber(innen) fragen. Die Forschung weist an dieser Stelle eine deutliche Kluft nach:
- Abwechslungsreiche Aufgaben
- Sicherung des Arbeitsplatzes mittels langfristiger Arbeitsverträge
- Gutes Klima im Team/Unternehmenskultur
- Leistungsbezogene Vergütung
- Spezifische Angebote zur Gestaltung der Umfeldbedingungen v.a. Familienorientierung, Gesundheitsförderung und Work-Life-Balance
- Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten
Das seien die Dinge, die junge Menschen heute ansprächen. Außerdem würden Arbeitgeberwechsel mittlerweile als entwicklungsfördernd betrachtet. Ein erneuter fragender Blick ins Rund bestätigt die Theorie: Eifriges Nicken seitens der Praktikant(inn)en, die gewissermaßen als Kontrollgruppe ebenso zur Fachbereichskonferenz eingeladen waren.
Personalmanagement als eine Frage der Haltung
Es kristallisiert sich immer stärker heraus: Erfolgreiches Personalmanagement ist zuvörderst eine Frage der Haltung, nicht des Erfüllens formaler Vorgaben.
Fazit: 2017 ist nicht 2000. Auch die Kitas müssen sich bewusst machen, dass sich die Ansprüche gewandelt haben. Die Träger müssen ihre eigene Haltung reflektieren und sich zur neuen Wirklichkeit positionieren. „‘Wie gehe ich mit dem Aufkommen neuen Technologien um? Welchen Bezug habe ich zur Erkenntnis, dass für viele jungen Menschen Social Media in fast allen Lebens- und Arbeitsbereichen eine wichtige Rolle spielt?‘, das müssen Sie sich fragen“, fordert Prof. Wald auf.
Sein abschließender Ratschlag: „Binden ist das bessere Finden“.
Träger können den Wandel mitgestalten
Doch die Träger sind den Umständen nicht ausgeliefert. Sie können aktiv der Veränderung begegnen, ist auch die Gastgeberin des Tages, Maria Groß vom Referat Bildung des Paritätischen Sachsen, überzeugt, als sie Prof. Wald mit Dank verabschiedet: „Gehen Sie in die Netzwerke und kooperieren sie mit Fachschulen. Überprüfen sie ihr Employer-Branding-Konzept und sichern Sie eine professionelle Praktikant(inn)enbegleitung. Verstehen Sie Ihre Mitarbeiter(innen) als Botschafter ihres Trägervereins und bieten Sie entsprechende Anreize, dass sie diese Rolle gerne mit Leben füllen.“
Das Protokoll der Fachbereichskonferenz lesen Mitglieder im internen Bereich unserer Website in den Fachinformationen. Dort finden Sie zudem den Impulsvortrag von Frau Sabine Wesener (Unternehmen Kultur gGmbH) zum Thema: ‘Welche Inhalte für eine zeitgemäße Pädagogik, die durch den Sächsischen Bildungsplan für die pädagogische Arbeit in den Kitas leitend sind, finden sich in den Ausbildungskonzepten der Fachschulen? – oder auch nicht‘.
Die nächste Fachbereichskonferenz Kita findet im November statt.