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Finden und Binden von Fachkräften für die Sozialwirtschaft – Von der Industrie lernen, oder? (3/3)

Der Reiter eines dicken Ordners mit der Aufschrift "Personal" ist in der Mitte des Bildes. Die nebenliegenden Reiter sind nur angeschnitten.

Qualifizierte Fachkräfte sind für die Soziale Arbeit und Bildungsangebote unerlässlich. Doch wie gewinnt man motivierten Nachwuchs? Prof. Dr. Peter M. Wald, Experte für Personalmanagement von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK), benennt in einer dreiteiligen Artikelreihe wichtige Erfolgsfaktoren.

Im dritten und letzten Beitrag geht es um ausgewählte aktuelle Aspekte des Gewinnens und Bindens neuer Mitarbeiter - den Themenbereichen Networking, Candidate Journey und Cultural Fit. Was steckt hinter diesen zugegebenermaßen - kompliziert klingenden englischen Begriffen?

Potentielle Kandidaten ansprechen und Kontakt halten

Unter Networking oder Netzwerken sollen alle Aktivitäten verstanden werden, die dazu dienen, die Unternehmen der Sozialwirtschaft bei den Zielgruppen, d. h. den potenziellen Mitarbeiter(inne)n bekannt zu machen und Beziehungen zu diesen aufzubauen.

Mit Candidate Journey oder „Bewerberreise“ werden alle Kontakte zwischen Unternehmen und Bewerbern vom Bekanntmachen als Unternehmen über Vorstellungsgespräche bis hin zur möglichen Integration neuer Mitarbeiter beschrieben. Nach vorliegenden Erkenntnissen können die Unternehmen hier vieles falsch, aber auch eine Menge richtig machen. Dies beginnt beim Aufbau und der Aufrechterhaltung von Kontakten mit potenziellen Mitarbeiter(inne)n, dem Formulieren und Schalten von Stellenanzeigen, den Möglichkeiten zur Abgabe einer Bewerbung und vor allem dem Auftreten von Unternehmensvertretern bei Vorstellungsgesprächen, Einstellungstests und auch dem Versenden von Absagen. Hier musste im Bereich der Industrie festgestellt werden, dass die Unternehmen viele Fehler machen. Dazu gehört es keine Eingangsbestätigung zu versenden, die die Bewerber im Ungewissen über den Stand der Bewerbung lassen und bei den Vorstellungsgesprächen keine positive oder wertschätzende Haltung zum Bewerber(innen) zu vermitteln.

Mit dem Begriff Cultural Fit oder der kulturellen Passung wird festgestellt, ob ein(e) Bewerber(in) nicht nur hinsichtlich seiner Fähigkeiten, sondern auch bezüglich seiner persönlichen Wertvorstellungen zum einstellenden Unternehmen passt.

Ansprache muss bereits vor der konkreten Stellenausschreibung beginnen

Erfolgreiches Gewinnen und Binden von Mitarbeiter(inne)n beginnt nicht erst mit einer freien Stelle! Es gilt, möglichst rechtzeitig und systematisch ausgehend von der Arbeitgebermarke ein Netzwerk mit potenziellen Mitarbeiter(inne)n aufzubauen. Dazu gehören Schüler, Praktikanten Studierende, aber auch die Mitarbeiter(innen) anderer Unternehmen - nicht nur der Sozialwirtschaft - und nicht zuletzt auch mögliche Quereinsteiger. Hinzu kommen die wichtigen „Vermittler“ wie Eltern und Großeltern, Lehrer(innen), Klient(inn)en und deren Angehörige sowie die verschiedenen Meinungsbildner(innen).

Genutzt werden sollten dabei gezielt die Möglichkeiten der offline und online-Kommunikation. Dies ist umso wichtiger, wie die potenziellen Mitarbeiter(innen) oft über nur wenige und meist unkonkrete Erfahrungen mit den jeweiligen Unternehmen verfügen. Ihre Vorstellungen und Erwartungen sind deshalb in hohem Maße davon geprägt, was und wie die Unternehmen über sich kommunizieren und wie sie bei Kontakten mit Bewerber(inne)n agieren. Im Sinne der Bewerbererfahrungen bedeutet dies, dass nachvollziehbare und konkrete Informationen z. B. bei Stellenanzeigen oder bei Karrieremessen und bei Besuchen des Unternehmens übermittelt werden müssen. Im Bewerbungsprozess - z. B. bei Gesprächen und auch bei Absagen gilt es, den Bewerber(inne)n stets eine spürbare Wertschätzung zu signalisieren. Jede Interaktion zwischen Bewerber(in) und Unternehmen beeinflusst die konkrete und ggf. auch spätere  Entscheidung für oder gegen ein Unternehmen und beeinflusst damit den Ruf des Unternehmens weit über den konkreten Bewerbungsprozess hinaus. Hier nur ein Beispiel: 80% der Bewerber(innen) würden ihren Bekannten und Freunden über ihre Bewerbungserlebnisse berichten, 25% der Jüngeren teilen ihre Erfahrungen über soziale Medien.

Unternehmenswerte als wichtiger Faktor

Im Sinne der kulturellen Passung von Bewerber(inne)n müssen sich die Unternehmen Klarheit über ihre Werte verschaffen, d. h. vor allem die Frage beantworten, wofür sie eigentlich „stehen“ und worin  ihre Mission und die daraus abgeleiteten Aufgaben bestehen. Dies müsste den Unternehmen der Sozialwirtschaft leichter fallen als einem klassischen Industrieunternehmen. Diese Werte sind der Maßstab um festzustellen, ob ein Bewerber auch kulturell gesehen in das Unternehmen passt.

Experten gehen davon aus, dass je höher die Passung der Werte ist, umso höher sind die Aussichten auf gute Leistungen der Mitarbeiter(innen), auf eine höhere Zufriedenheit und damit auch eine stärkere Bindung an das Unternehmen. Cultural Fit bezieht sich immer auf ein konkretes Unternehmen. Demzufolge existiert die Passung an sich nicht, sondern es geht immer um eine ganz konkrete Passung zwischen den Werten des Unternehmens und der Beschäftigten.

Um diese Übereinstimmung festzustellen, gibt es mittlerweile eine Reihe mehr oder weniger aufwändiger Verfahren. Zuallererst geht jedoch darum, zu beachten, dass die Passung der sich Bewerbenden über die klassischen Anforderungen der zu besetzenden Stelle hinausgeht und auch seine und die Wertvorstellungen betreffen. Dies sollte zumindest im Gespräch thematisiert werden, z. B. durch die Darstellung und Diskussion konkreter Gegebenheiten im Unternehmen, wie die Kommunikation, Chancengleichheit, praktizierte Rituale, Qualität und Selbstverständnis der Führung und konkrete Möglichkeiten zur Mitwirkung.

Mit diesen Aspekten der Gewinnung von Mitarbeitern gelangen wir zum Ausgangspunkt dieser Betragsreihe zurück. Hier wurde dargestellt, was sich die Teilnehmende an der erwähnten Befragung wünschen. Hier ging es um vielfältige Aufgaben, den Wunsch zu helfen, eine angemessene Vergütung aber auch das Angebot familienförderlicher Arbeitsbedingungen, die Gesundheitsförderung und die Berücksichtigung der Work-Life-Balance. Weiterhin ging es um die Sicherheit des Arbeitsplatzes und konkrete Möglichkeiten zur Weiterbildung. Werden diese inhaltlichen Anforderungen und die hier zum Teil dargestellten Aspekte des Netzwerkens und der Bewerbererfahrungen berücksichtigt, eröffnen sich neue Möglichkeiten zur nachhaltig erfolgreichen Ansprache potenzieller Mitarbeiter(innen).

 

Zum Autor: Prof. Dr. Peter M. Wald ist Dozent für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Personalmanagement an der HTWK Leipzig. Er forscht insbesondere zu Digitalisierung und Führung, Organisationsfragen des modernen Personalmanagements sowie Innovationen im Personalmanagement.