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Freigabe von Cannabis: Wir haben es wieder nicht geschafft.

Auf einer blauen Unterlage liegen zwei Joints und Cannabisblüten.

Seit dem 1. April 2024 greifen in Deutschland Regelungen für einen offeneren Umgang mit Cannabis. Doreen Voigt, Referentin für Sucht/Psychiatrie, begrüßt grundsätzlich die Lockerungen. In ihrem Kommentar kritisiert sie jedoch die oft populistisch geführte öffentliche Debatte und die vertane Chance eines generellen Diskurses zum Umgang mit Rauschmitteln.

Seit gestern ist sie nun da, die regulierte Freigabe von Cannabis. Volljährige Personen dürfen ab sofort bis zu 25 Gramm der Droge mit sich führen oder 50 Gramm zu Hause vorrätig halten. In den eigenen vier Wänden dürfen zudem bis zu drei Pflanzen gezogen werden. Sicher werden wir in den kommenden Monaten erleben, wie sich Anbauvereinigungen gründen, um ihre Mitglieder mit Cannabis zu versorgen.

Nun könnte man diskutieren, ob das gut oder schlecht ist. Zurecht könnte man darüber sprechen, inwieweit die aktuellen Regelungen des Cannabis-Gesetzes überhaupt dazu geeignet sind, einen vernünftigen Rahmen für eine regulierte Freigabe zu gewährleisten. Auch könnte man ungenaue Regelungen - beispielsweise für den Umgang im Straßenverkehr - kritisieren. Ja, und natürlich ließe sich auch vortrefflich darüber streiten, ob es eine Freigabe von Cannabis überhaupt braucht. Oder wir lassen es einfach. Warum? Weil die vergangenen zwei Jahre und insbesondere die letzten Wochen anhand des Themas Cannabisfreigabe gezeigt haben, dass wir offensichtlich die Fähigkeit zum sachorientierten öffentlichen Diskurs verloren haben. Unrühmlich gekrönt durch das große Finale im Bundesrat.

Der bisherige Umgang mit Cannabis ist gescheitert

Eins ist unstrittig: Die Drogenpolitik der letzten Jahrzehnte ist gescheitert. Repression und Verbote haben nicht dafür gesorgt, den Konsum von Cannabis einzudämmen oder junge Menschen davor zu schützen. Im Gegenteil, denn die Konsument*innenzahlen gerade bei jungen Menschen unter 25 Jahren haben zugenommen. Das derzeit erhältliche Cannabis ist zunehmend mit gesundheitsgefährdenden und suchtverstärkenden Substanzen versetzt. Der Schwarzmarkt kontrolliert das Angebot. Die Gefährdung der Konsument*innen steigt. Wer kiffen möchte, kann das in der Regel ohne Probleme tun, da die Verfügbarkeit gegeben ist. Ein Weiter-wie-bisher kann also nicht die Lösung sein, wenn es wirklich um Gesundheits- und Jugendschutz sowie ein Zurückdrängen der organisierten Kriminalität gehen soll.

Unfähigkeit zu generellem Diskurs über Rauschmittel

Eigentlich hätte der drogenpolitische Vorstoß der Ampel-Regierung dafür getaugt, einen generellen gesellschaftlichen Diskurs zum Umgang mit Rauschmitteln anzustoßen. Die abstinente Gesellschaft ist eine Illusion. Prohibition hat immer nur dem organisierten Verbrechen in die Hände gespielt. Umso wichtiger wäre es gewesen – insbesondere wegen des Jugend- und Gesundheitsschutzes – die Diskussion faktenbasiert zu führen. Den Umgang mit den jeweiligen Rauschmitteln gemäß ihres tatsächlichen gesundheitlichen Gefährdungspotenzials vorzunehmen und substanzübergreifende Maßstäbe zu formulieren. Diese Chance wurde leider vertan.

Mit Blick auf Cannabis fing alles eigentlich gut an. In einem breit angelegten Verfahren beteiligte die Bundesregierung über Monate Expert*innen aus verschiedenen Bereichen, um die Chancen und Risiken eines liberalen Umgangs mit Cannabis abzuwägen. Die öffentliche Diskussion wurde allerdings von Befürworter*innen und Gegner*innen der regulierten Freigabe teilweise so polarisierend geführt, dass sich themenfremde Bürger*innen kein Bild davon machen, geschweige denn, eine fundierte Meinung bilden können. Politik hat in weiten Teilen versagt, Politik gut zu erklären. Leider nicht zum ersten Mal. Die anfangs sachliche Debatte glitt schnell in eine Kulturkampfdiskussion ab. Schwarz und weiß – keine Abstufungen. Kein gutes Zeichen für eine Demokratie und definitiv schädlich für das eigentliche Sachthema.

Mit Populismus Ängste schüren

Insbesondere aus dem konservativen Lager wurde scharf gegen das Vorhaben geschossen. Anfangs noch um Argumente bemüht, waren die Wortmeldungen in den letzten Wochen nur noch Populismus und Angstmache. Von konkreten Vorschlägen zum vorliegenden Gesetzentwurf war wenig zu hören. Erklärungen dazu, wie die Defizite der bisherigen und weitgehend gescheiterten Drogenpolitik zu beheben seien, blieben leider aus. Man würde die Büchse der Pandora öffnen, wenn die regulierte Freigabe komme, warnte Sachsens Ministerpräsident in seinem auch sonst wenig konstruktiven Wortbeitrag im Bundesrat. Schon in der Landtagsdebatte zuvor, wurden verkürzte Aussagen und Pauschalisierungen vorgebracht. Der mangelnde Jugendschutz kritisiert, ohne einen Vorschlag zu unterbreiten, wie Alternativen aussehen könnten. Die Befürworter*innen wurden als ideologiegetrieben und der Bundesgesundheitsminister mit seinem Vorhaben von Sachsens Innenminister sogar als „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ gebrandmarkt. So geht demokratischer Diskurs nicht.

Handwerkliche Fehler im Gesetz ausgeblendet

Befürworter*innen hingegen wollten den Schritt eines liberalisierten Umgangs mit Cannabis jetzt unbedingt gehen. Die Erwartungen aus der Wählerschaft waren hoch. Handwerkliche Schwächen des Gesetzes wurden dabei gerne ausgeblendet. Obwohl die Ziele hinsichtlich eines besseren Jugendschutzes, des Gesundheitsschutzes für Konsument*innen, der Entlastung der Justiz und des Zurückdrängens des Schwarzmarktes durch das nun beschlossene Gesetz wohl nur ansatzweise gelingen werden.

Regulierte Freigabe von Cannabis ist richtig

Die regulierte Freigabe von Cannabis ist richtig und lange überfällig. Viele Argumente, die dagegensprechen würden, sind überholt oder an der Realität gescheitert. Erfahrungen anderer Länder machen Mut, diesen Schritt zu gehen. Nun gilt es, die Entwicklungen zu beobachten. Eine Stärkung der Suchtberatung wäre selbst ohne die nun geltende Freigabe von Cannabis angeraten – verbesserte Prävention und Jugendschutz sind schon lange ausbaufähig. Ein Zurück kann es nicht geben. Ein angemessener Umgang mit gesellschaftlicher Realität ist, worum es uns endlich gehen muss.

Es ist gut, dass das nun geltende Gesetz in 18 Monaten evaluiert werden soll. Dann muss es uns als Gesellschaft jedoch besser gelingen, sachlich und lösungsorientiert über die Ergebnisse zu diskutieren. Das haben wir diesmal nicht geschafft.


Kontakt:

Doreen Voigt (Referat Sucht/Psychiatrie)

Tel.: 0341 - 961 746 2
E-Mail: doreen.voigt(at)parisax.de