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Freiwillige – Fachkräfte der Zukunft

Sechs unterschiedliche gezeichnete Charaktere stehen nebeneinander und fordern auf, einen Freiwilligendienst zu beginnen. Paritätische Freiwilligendienste Sachsen FSJ FÖJ BFD

Freiwillige als zukünftige Fachkräfte für das eigene Unternehmen zu betrachten und dementsprechend an einer Bindung zu arbeiten, wird von sozialen Organisationen noch zu selten genutzt. Das Trägerwerk Soziale Dienste in Sachsen GmbH (twsd) hat sich bewusst entschieden, Freiwilligendienste als Instrument der Nachwuchsgewinnung wahrzunehmen.

Das twsd ist sachsenweit in fast allen Bereichen der Sozialen Arbeit aktiv. Fast ebenso vielfältig wie dieses Portfolio war auch der Umgang mit Freiwilligen in den jeweiligen Einrichtungen und Diensten des Trägers. Vor rund drei Jahren entschloss man sich daher, die Freiwilligenarbeit durchgängig so auszurichten, dass neben dem Kennenlernen des Berufsfeldes auch die Bindung an den Träger gefördert wird.

„Die Bewerbungszahlen gingen nicht nur bei den Fachkräften zurück, sondern auch auf unsere Freiwilligenstellen meldeten sich immer weniger junge Menschen. Wir entschlossen uns daher zu einem bewussten Haltungswechsel“, berichtet Cornelia Ruß-Hempel, Referentin für Jugendhilfe und Psychiatrie des twsd. „Beispielsweise organisierten wir die Praxisanleitung neu, indem wir im gesamten Unternehmen dafür sorgten, dass die Anleitung auf einem einheitlichen Niveau erfolgt. Zuvor waren die Einrichtungen jeweils selbst dafür verantwortlich, wie sie sie in den praktischen Alltag einbauen. Das ist grundsätzlich auch heute noch so, aber wir haben die Fachkräfte gezielt weitergebildet und regelmäßige Formate des kollegialen Austauschs allein zu diesem Thema etabliert.“

Keine Sonderrolle: Freiwillige gehören immer zum Team

Eine gemeinsame Haltung zur Zusammenarbeit mit den Freiwilligen zu entwickeln, war Ziel des gemeinsamen Prozesses. Dabei half es, das eigene Handeln von den Interessen und der Lebenswelt der Jugendlichen her ausgehend neu zu betrachten. Zudem sollte immer bewusst sein, dass Freiwillige von heute schon morgen hauptamtliche Kolleg*innen sein können.

Diesen Gedanken bereits während der Freiwilligenzeit konsequent zu leben, spielt dabei eine wichtige Rolle. Praktikant*innen und Freiwillige werden beim twsd als vollwertige Mitglieder des Teams gesehen. Sie werden in alle Prozesse eingebunden, die zum jeweiligen Arbeitsbereich dazugehören. Von der Tätigkeit mit den Menschen über Aspekte der Verwaltung bis hin zu Beratungen in den Teams oder weiteren unternehmensinternen Gremien. Gleichzeitig stehen ihnen Möglichkeiten der Reflexion, die Teilnahme an Supervisionsprozessen oder Vergünstigungen für Mitarbeitende, wie beispielsweise Vorteile bei der Nutzung der Fitnessstudios eines bestimmten Anbieters, voll zur Verfügung.

„Die Freiwilligen sollen unsere Unternehmenskultur spüren. Das geht nur, wenn sie diese auch in allen Bereichen kennenlernen dürfen. Zu vermitteln, dass Nachfragen und eigene Ideen erwünscht sind, ist ebenso wichtig, wie die jeweilige Individualität wertzuschätzen“, sagt die Referentin und illustriert dies anhand eines Beispiels: „Wenn wir wissen, dass ein Freiwilliger in einer Band spielt, sich anderweitig engagiert oder sonstige Interessen verfolgt, die zu bestimmten Zeiten stattfinden, beachten wir dies möglichst in der Dienstplanung. Da Freiwillige ohnehin nur für zusätzliche Tätigkeiten beschäftigt werden, bringt das den Regelablauf nicht ins Wanken. Letztendlich übertragen wir so unser Verständnis der Motivation von Mitarbeitenden auch auf unsere Freiwilligen.“

Dazu gehört ebenfalls, die Freiwilligen nicht zu überfordern. Die Aufgaben werden immer wieder mit den Jugendlichen besprochen und Leitungskräfte achten stets darauf, ob die jeweiligen Tätigkeiten gut zur entsprechenden Person passen. Aus diesem Grund ist auch die allgemeine Reflexionszeit, die jedem Freiwilligen am Ende eines jeden Arbeitstages offen steht, fester Bestandteil. Gerade an Tagen mit schwierigen Situationen oder Unsicherheiten können Leitungskräfte und Teammitglieder in Gesprächen helfen. Es ist die Gewissheit, dieses Unterstützungsangebot ohne Scheu nutzen zu können, die viel zum Wohlbefinden beiträgt. Für die Hauptamtlichen im Team gehört dieses Vorgehen mittlerweile fest zum beruflichen Alltag.

Der beschriebene Haltungswandel wurde nicht in allen Unternehmensbereichen sofort freudig aufgenommen. Um eher skeptischen Beschäftigten die positiven Effekte vor Augen zu führen, konnte das twsd auf bestehende Erfolgsgeschichten zurückgreifen. Da in vielen Bereichen der Organisation Freiwillige schon vor dem internen Perspektivwechsel voll eingebunden wurden, gab es bereits Kolleg*innen, die früher Freiwillige beim twsd waren und nach ihrer Ausbildung wieder Teil der Organisation sein wollten. So wurde schnell deutlich: Es funktioniert.

Berufliche Möglichkeiten aufzeigen

Neben den persönlichen Komponenten wie der Zusammenarbeit im Team, der Anerkennungskultur und der Anleitung setzt das twsd darauf, gute Einblicke in die einzelnen Tätigkeitsfelder zu vermitteln. Cornelia Ruß-Hempel erklärt das Vorgehen so: „Wenn Freiwillige bei uns in der Kita tätig sind, können sie zum Beispiel auch gerne Einblicke in die Arbeit mit Menschen mit Behinderung erhalten, wenn sie das wünschen. Wir bieten diese Möglichkeit aktiv an. Gleichzeitig wollen wir die Unterschiede innerhalb eines Arbeitsbereichs erfahrbar machen. Wenn ein Freiwilliger beispielsweise in einer Jugendwohngruppe tätig ist und es ihm nicht gefällt, versuchen wir den Wechsel in eine andere Gruppe zu ermöglichen. Schon ein anderes Team oder andere zu betreuende Jugendliche ermöglichen eine ganz neue Wahrnehmung der Tätigkeit. Sollte derjenige dann immer noch feststellen, dass es nichts für ihn ist, ist das auch in Ordnung. Schließlich ist der Freiwilligendienst ein Bildungs- und Orientierungsjahr. Zu wissen, was man nicht möchte, ist auch eine Erkenntnis.“

Das Wissen um die Bandbreite Sozialer Arbeit und die damit verbundenen beruflichen Tätigkeiten nimmt in der Anleitung und der Freiwilligenzeit einen hohen Stellenwert ein. Begleitend dazu gibt das twsd Hinweise, welche Zugänge es gibt und welche Ausbildung für die Arbeit in den jeweiligen Bereichen erforderlich ist. Diese Form der Berufsberatung im Unternehmen und die Hilfe bei der Planung eines möglichen Ausbildungsweges nach dem Dienst werden von den Freiwilligen sehr geschätzt. Die individuelle Situation der Jugendlichen - vom Schulabschluss oder bereits vorhandenen beruflichen Erfahrungen bis hin zu persönlichen Lebensentwürfen - bildet hierfür immer die Grundlage.

„Bei der aktuellen Fachkraftlage können wir es uns nicht leisten, diese Chance der Nachwuchsgewinnung ungenutzt zu lassen. Ein Blick auf unsere Personalzugänge der letzten Jahre beweist: Es lohnt sich“, zieht die Referentin Bilanz.


Bei einem Freiwilligendienst gewinnen beide Seiten: Einsatzstelle und Freiwillige. Die Paritätische Freiwilligendienste Sachsen gGmbH ist dabei ein verlässlicher Partner. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten auf: www.freiwillig-jetzt.de


Der Artikel ist zuerst in der Ausgabe 2.2018 des Verbandsmagazins anspiel. erschienen.