Wojtek Staniewski beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Bildungsfragen und Wissensvermittlung. Als Pädagoge baute er auf dem Grundwissen seiner Ausbildung auf und sammelte viele praktische Erfahrungen. Heute ist er der Überzeugung, dass Dialog und Bildung eng zusammengehören. Dies bringt er als Projektpartner auf polnischer Seite in den Internationalen Jugendfreiwilligendienst mit ein.
Wie Bildung am besten gelingen kann, interessierte Wojtek Staniewski schon immer. Als Sprachlehrer und Aus-bilder nutzte der heute 64-Jährige bereits in den Jahren vor der politischen Wende in Polen den engen Rahmen seiner Möglichkeiten, um Wissensvermittlung nicht nur als Einbahnstraße zu gestalten. „Der Moment der Begegnung, das gegenseitige Kennenlernen sind wichtige Aspekte, damit Bildung gelingt. Wenn man nur auf das Weiterreichen von Inhalten fixiert ist, wird der Lernerfolg geringer sein“, ist der gebürtige Pole überzeugt.
Diesem Ansatz folgend wirkte er seit 1990 daran mit, Bildung neu zu gestalten. „Vor allem schulische Bildung war in Polen vor 1990 sehr formell geregelt und das Lernen klar hierarchisch organisiert: der Schüler auf der einen und der Lehrer auf der anderen Seite. Von Dialog und Austausch war in diesem Verhältnis nur wenig spürbar. Das wollten wir ändern. Mit Gleichgesinnten gestaltete ich die Experimentalschule in Wroclaw“, berichtet er. Es ist spürbar, dass hier nicht ein Weltverbesserer vor einem sitzt, der Bildung als völlig unstrukturierten Prozess versteht. Im Gegenteil: Es arbeiten sich klare Komponenten eines Bildungsverständnisses heraus, dessen Säulen die freiwillige Mitwirkung und das Miteinanderlernen sind. In der Experimentalschule lernten alle jahrgangsübergreifend. Die schulische Struktur glich dabei einer Kombination aus Gymnasium und Studium. Dies spiegelte sich auch in den Angeboten wider, die einerseits den Lehrplan umsetzten und andererseits individuelle Bildung durch zusätzliche Angebote ermöglichten.
Voneinander lernen als Dialog
Zentrales Element ist dabei die Gemeinschaft, in der sich alle dennoch individuell entwickeln können. „Das wichtigste war der Kontakt untereinander. Wir verstanden Voneinanderlernen als einen Dialog“, sagt Wojtek Staniewski. So gab es zu Beginn eines jeden Schuljahres eine gemeinsame Reise, auf der man Aufgaben miteinander löste oder einfach nur miteinander diskutiert wurde. Die Vorstellungen der Teilnehmenden standen dabei im Mittelpunkt. Über die Zeit der Reise entwickelten sich immer ein besseres Verständnis füreinander und die jeweilige Motivation sowie eine Gruppenidentität.
Internationaler Freiwilligendienst als Lernort
Mit dem Beginn der 2000er Jahre wechselte Wojtek Staniewski zur Turmvilla in Bad Muskau, einem Kulturzentrum, das sich dem polnisch-deutschen Miteinander widmet. Bereits während der Zeit in der Experimentalschule konnte er Erfahrungen mit polnisch-deutschen Jugendbegegnungen sammeln. Nun ging es darum, neue Formen für die grenzübergreifende Jugendarbeit zu finden.
Ein Ergebnis dessen ist unter anderem der Internationale Jugendfreiwilligendienst, den die Paritätische Freiwilligen-dienste Sachsen gGmbH mit Tratwa aus Wroclaw (Breslau), wo Staniewski seit 2008 tätig ist, jetzt umsetzt. Seit nunmehr sieben Jahren läuft der Freiwilligendienst und das begleitende Bildungsangebot enthält viele Elemente, bei denen die Erfahrungen des polnischen Partners sichtbar sind.
„Ein Freiwilligendienst ist praktisches, handlungsorientiertes Lernen in non-formalen und informellen Settings. Weil Erleb-nisse oder zusammen bewältigte Aufgaben oft als wichtige Schlüsselelemente fungieren, setzen wir bei den Seminaren mit polnischen und deutschen Freiwilligen beispielsweise auf Methoden der Gruppenarbeit“, erklärt der Pädagoge die Seminararbeit im Internationalen Jugendfreiwilligendienst. Die Eingewöhnungsphase ist frei vom Druck des formalen Wissenserwerbs und die Teilnehmenden können sich auf das Miteinander konzentrieren. So werden die Grundlagen für das gemeinsame Lernen in den inhaltlichen Angeboten der Seminare gelegt. Die Freiwilligen erlernen dabei inter-kulturelle Kompetenzen und Fähigkeiten der Projektarbeit, die sich bei ihnen nachhaltig verankern.
In Einsatzstellen ebenfalls wichtig: Wissensvermittlung durch Austausch
Interaktion besitzt bei diesem Ansatz einen hohen Stellenwert, da sie als Lernmotor gesehen wird. Der Aus-tausch untereinander, aber auch die Selbstreflektion helfen, Wissen besser zu verankern. „Das gilt nicht nur auf den Seminaren“, betont Wojtek Staniewski und meint: „Die große Herausforderung ist, dass die Einsatzstellen eine ebenso bewusste Wissensvermittlung vornehmen. Dafür braucht es feste Ansprechpersonen, die Zeit haben und selber offen für neue Ansichten sind. Also eine Mentorin oder einen Mentor auf Augenhöhe, die Erfahrungen teilen und neue Perspektiven schätzen. Dabei geht es nicht nur um eine sinnvolle Zeit für die Freiwilligen. Die Einsatzstellen haben ebenfalls etwas davon, nämlich motivierte Freiwillige und im besten Fall begeisterte Unterstützer.“
Wojtek Staniewski schmunzelt und weiß, dass insbesondere in der sozialen Arbeit oft kaum Zwischenräume für derartigen Austausch oder Anleitung bleiben. Und doch sind es seiner Ansicht nach gerade diese Momente, in denen alle Beteiligten gewinnen, denn er ist überzeugt: „In der Begegnung sind wir alle irgendwann Schüler und Lehrer.“
Der Artikel ist im Verbandsmagazin anspiel. Ausgabe 1/2017 erschienen.