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Gastbeitrag: Das Bundesteilhabegesetz kann in Sachsen nur gemeinsam gelingen

Die Räder eines Rollstuhls stehen am Bordstein einer Straße.

In einem Gastbeitrag kommentiert Udo Witschas, Verbandsvorsitzender des Kommunalen Sozialverbands Sachsen (KSV) und Landrat des Landkreises Bautzen, gemeinsam mit KSV-Verbandsdirektorin Christin Wölk die aktuelle Entwicklung bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Sachsen. 

Unsicherheiten wirken wie eine Bremse

Hauptakteur der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Sachsen ist die Kommission nach SGB IX, die sich gleichermaßen aus Leistungsträgern und Leistungserbringern zusammensetzt. Herzstück auf dem Weg zu neuen Ansätzen im SGB IX und Ausdruck gemeinsamer Schaffenskraft im Freistaat ist die unter dem Dach der Kommission konstituierte Arbeitsgruppe ‚Konzeptentwicklung und modellhafte Erprobung‘. Allerdings stagniert diese seit geraumer Zeit.

Es herrscht Stillstand, weil die Evaluation des in fünf Modelleinrichtungen erprobten – gemeinsamen – Konzepts (bestehend aus 4 Bausteinen und bis zu 7 Eingruppierungsstufen) nicht nur unüberwindbare inhaltliche sowie rechtliche Hürden offenbarte, sondern auch planungs- und steuerungsfeindliche Herausforderungen der Leistungsverwaltung aufdeckte. Ein überraschender, jedoch legitimer Umstand, der im Rahmen einer Evaluierung auftreten kann. Leider mit Folgen für die sächsische Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes.

Lassen diese inhaltlichen Hürden - gepaart mit fragilen finanziellen Rahmenbedingungen und Hiobsbotschaften von aufgekündigten Rahmenverträgen aus anderen Bundesländern - nun die sächsische Vision eines gemeinsamen Konzepts scheitern? Nein. Sachlich und differenziert hat die Kommission nach SGB IX die Erkenntnisse der Modellevaluation diskutiert und sich mit Beschlussfassung vom 22.08.2024 für eine Verlängerung des Arbeitsauftrags bis Ende 2026 ausgesprochen.

Die notwendig gewordene Verzögerung ist weder schön noch gewollt. Sie ist schlichtweg richtig, um der gesetzlichen übertragenen Aufgabe zur Schaffung, Strukturierung und Steuerung der höchstpersönlichen und individuellen Bedarfe von Menschen mit Beeinträchtigungen gerecht zu werden. Aus Sicht des Leistungsträgers machte die Evaluation des bisherigen Konzepts dies deutlich.

Transparenz schafft Vertrauen

Seither wird in der Arbeitsgruppe „Konzeptentwicklung und modellhafte Erprobung“ um einen Konsens über die Evaluierungserkenntnisse und daraus resultierende neue Ansätze gerungen. Wir finden: Im Rahmen einer Projektarbeit ist das ein völlig normaler Vorgang. 

Eine Modifikation bzw. Weiterentwicklung des gemeinsamen Arbeitsstandes erscheint dabei unter den aktuellen Gesichtspunkten alternativlos und eine erneute Erprobung folglich der einzige Weg, um einschränkende Annahmen, Vermutungen und Prognosen genauer zu ergründen, zu bestätigen oder zu widerlegen. Und das offen, aber nicht öffentlich, und sachlich, aber nicht politisch. Nur evidenzbasiert und im seriösen Diskurs kann das Konzept gemeinsam weiterentwickelt und Vertrauen in die gemeinsame Arbeit zurückgewonnen werden. 

Die Leistungserbringer lehnen aktuell zwar den weiterentwickelten Konzeptentwurf der Leistungsträger ab, sprechen sich aber dennoch für eine weitere Zusammenarbeit unter bestimmten Bedingungen in der Arbeitsgruppe aus.

Die Zukunft der Sächsischen Eingliederungshilfe geht uns alle an.

Inklusion bietet jedem Menschen umfassende und gleichberechtigte Beteiligung an der Gesellschaft. Sie bedeutet aber gleichzeitig auch umfassende und gleichberechtigte Verantwortungsübernahme für sich, für die anvertrauten Menschen und für die Gesellschaft.

Das BTHG ist kein isolierter Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge, sondern vielmehr ein gleichwertiger Teil eines vernetzten Versorgungssystems, das Bildung, Medizin, Kultur, Wasser, Energie, Infrastruktur, Wirtschaft, Sozialem usw. umfasst. Es ist jedoch zweifelsohne etwas Besonderes und es kann erfolgreich in eben jenes Versorgungsgeflecht eingebracht werden. Hierfür bedarf es an erster Stelle einer gemeinsam getragenen Haltung mit gegenseitigem Verständnis und Respekt für bezogene Standpunkte.

Um wieder voranzukommen, braucht es also mehr als nur eine Chance-Risiko-Abwägung. Es bedarf einer grundlegenden Rückbesinnung auf die erklärte, gemeinsame Zielstellung und einen klaren Umsetzungswillen, der am Ende allen Belangen – in erster Linie aber denen der Menschen mit Beeinträchtigungen – gerecht werden kann.

Alle Beteiligte sollten sich wieder darauf konzentrieren, im Diskurs eine gemeinsame Basis zu finden, anstatt öffentlich zu streiten. Aus Streit entsteht selten etwas Gutes. 


Der Artikel gibt die Ansichten der Autor*innen wieder und deckt sich nicht zwangsläufig mit der inhaltlichen Position des Paritätischen Sachsen.

Der vorliegende Gastbeitrag bezieht sich auf den kürzlich veröffentlichten Kommentar „Das Bundesteilhabegesetz darf in Sachsen nicht scheitern“, der durch Anne Cellar, Referentin für Teilhabe des Paritätischen Sachsen, veröffentlicht wurde.


Informationen zum Kommunalen Sozialverband Sachsen lesen Sie unter www.ksv-sachsen.de