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Gespräch: Trägerkooperationen als Modell der Zukunft in der Sozialen Arbeit?

Zwei Männer sitzen an einem Tisch vor einer Wand mit Büchern und unterhalten sich. (Soziale Arbeit: Trägerkooperationen als Modell der Zukunft? Prof. Dr. Friedrich Vogelbusch im Gespräch mit Michael Richter)

Kostendruck, steigende rechtlichen Anforderungen, herausfordernde Personalfragen und die zunehmende Aufgabenfülle setzen Träger Sozialer Arbeit immer mehr unter Druck. Entsprechend sehen sich Führungskräfte mit komplexeren Managementaufgaben konfrontiert. Wenn Leitungskräfte zusätzlich noch im operativen Geschäft tätig sind, ist es nahezu unmöglich, den gestiegenen Ansprüchen an Unternehmensführungen nachzukommen. Michael Richter, Landesgeschäftsführer des Paritätischen Sachsen, unterhielt sich darüber mit Prof. Dr. Friedrich Vogelbusch von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton.

Richter: Herr Prof. Vogelbusch, dass sich soziale Arbeit zunehmend professionalisiert, ist kein neuer Trend. In den letzten Jahrzehnten fand eine Tätigkeitsverdichtung in der Sozialen Arbeit statt. Kritisch wird von der Ökonomisierung gesprochen. Außerdem erkennen wir den schwindenden Vorrang freigemeinnütziger Träger in der sozialen Arbeit. Vielmehr fordert die Politik von diesen, sich in den Wettbewerb mit allen Akteuren des Marktes zu begeben. Welche Handlungsansätze sehen Sie, damit Träger am Ball bleiben können?

Vogelbusch: Zum einen gibt es da die Lobbyarbeit, die ja beispielsweise der Paritätische auf Landes- wie auf Bundesebene betreibt. Lobbyarbeit wirkt der zu starken Ökonomisierung entgegen. Aber auch Ihrem verbandlichen Agieren ist abzulesen, dass im Beharren auf dem Status Quo keine Lösung liegt. Es geht schließlich um das Gestalten von zukunftsfähigen Rahmenbedingungen. Neben dem Preiswettbewerb haben wir einen Wettbewerb der Ideen um kreative Lösungen im sozialen Bereich!

Für die Träger bedeutet dies, die eigene Professionalisierung noch einmal genau zu betrachten und zu fragen: Welche Leistungen kann und möchte ich anbieten? Was sind meine Kernleistungen? Welche Tätigkeiten besitzen eher ergänzenden Charakter und könnten durch Netzwerkpartner erbracht werden?

Gleichzeitig ist der Blick auf Verwaltung und organisatorische Abläufe zu richten. Denn vor allem dort bestehen letztendlich Handlungsspielräume. In der Arbeit am Menschen lässt sich nichts sparen und nur bedingt effektivieren. Hier könnten Ansätze des Case Managements helfen, die jedoch auf die jeweiligen Handlungsfelder angepasst werden müssen.

Richter: Das ist sicher nicht von heute auf morgen zu erledigen: Case Management im Sinne einer Prozessoptimierung muss in der Straßensozialarbeit anders  durchdacht werden als in der stationären Pflege. Dass lässt sich nicht eins zu eins anwenden. Sie sprachen zuvor aber vom Ansatz, dass Träger einzelne Bausteine je nach Bedarf anbieten sollten, sich Kernaufgaben herausgreifen und darüber hinaus mit anderen Organisationen zusammenarbeiten sollten.

Vogelbusch: Damit das gelingt, braucht es gute Managementleistungen. Das geht eigentlich nur, wenn sich größere Verbünde bilden, die sich überhaupt solche Manager leisten können. Ich plädiere nicht für große und unbewegliche Tanker. Ich denke eher an das Modell einer Holding für administrativen Aspekte. Im operativen Geschäft sind auf das jeweilige Tätigkeitsfeld orientierte Geschäftsführungen aktiv, die in Abstimmung mit der Hauptgeschäftsführung agieren. Das wäre aus meiner Sicht eine mögliche Entwicklung.

Richter: Soziale Arbeit ist ja eine sehr persönliche Arbeit. Auf der anderen Seite gibt es ein sozialwirtschaftliches Geschäft, von dem man sagen kann, die Idee der Holding ist da nicht ganz neu. In der Pflege und in der Jugendhilfe sehen wir das bereits an einigen Stellen.

Kann diese Idee aber auch dort funktionieren, wo viele kleine Träger mit unterschiedlichen Ansätzen und Weltanschauungen agieren? Ich denke da beispielsweise an Dresden mit seiner großen Trägervielfalt, die örtlich unterschiedlich aktiv ist. Wie kann es dort funktionieren?

Vogelbusch: Neben dem Zusammenschluss unter dem Dach eines Vereins, einer Stiftung oder einer gGmbH gibt es weitere Formen von Netzwerken oder Kooperationen. Wenn es nicht zu einer institutionalisierten Form kommen soll, kann man beispielsweise mittels Kooperationsverträgen agieren. Hierbei ist jedoch großes Vertrauen unter den Partner erforderlich.

Zudem muss man die Transaktionskosten im Blick zu behalten. Wenn diese innerhalb eines institutionalisierten Rahmens niedriger sind als beim Handeln auf Basis eines Kooperationsvertrages, ist die Frage zu stellen, ob die Gründung eines Unternehmens nicht doch sinnvoller ist.

Dort, wo man sich auch auf ehrenamtliche Helferinnen und Helfer stützt, sind deren Bedarfe zu bedenken. Das gelingt in kleineren Organisationseinheiten leichter, da eine engere Bindung besteht und die Beteiligung der Ehrenamtlichen eher möglich ist. Andererseits gibt es den Weg von Freundeskreisen oder Fördervereinen, die um eine professionell arbeitende Einrichtung herum aufbaut werden können. Die Verbindung zwischen haupt- und ehrenamtlichen Strukturen muss dabei jedoch bewusst gepflegt werden.

Richter: Ich denke da gerade an jene Träger, die mit wenigen Hauptamtlichen – so zwischen 5 bis 40 Personen – und in der Regel als eingetragener Verein organisiert sind. Was müssten diese bei den beschriebenen Optionen beachten?

Vogelbusch: Zuvorderst einen kritischen Blick auf die Organisationsform des Vereins. Ein Verein ist immer dann gut, wenn sich Mitglieder persönlich einbringen. Wenn der Verein ein Unternehmen trägt, ist zu empfehlen, eine duale Struktur zu entwickeln, bei der Ehrenamtler die Aufsichtsfunktion übernehmen und Hauptamtler als Vertretungsberechtigte agieren. Eine enge Zusammenarbeit beider Organe ist dabei die Voraussetzung. Mit einem Katalog genehmigungspflichtiger Geschäfte wird die Macht der hauptamtlichen Vorstände begrenzt. Als Gegenstück zu den größeren Kompetenzen müssen zeitnahe und transparente Rechenschaftsberichte etc. vorgelegt werden.

Wenn nun die Zusammenarbeit mit anderen Trägern im Rahmen einer gemeinsamen Unternehmung erfolgt, ist steuerrechtlich zu beachten, dass eventuelle Erträge als gewerblich eingestuft werden, also voll zu versteuern sind. Daher ist es sinnvoller, mittels einer Kooperationsvereinbarung zu agieren, bei der die gemeinsamen Aufgaben auf die Beteiligten aufgeteilt werden. So kann ein gemeinschaftliches Handeln im steuerrechtlichen Sinne vermieden werden.

Richter: Sie hatten dazu geraten, die Verwaltungsaufgaben in eine gemeinsame Struktur zu geben. Ist dadurch wirklich ein verwaltungstechnischer Vorteil zu gewinnen, denn schließlich müssen zusätzliche Betriebsabläufe organisiert werden?

Vogelbusch: Dies ist von der Größe des jeweiligen Zusammenschlusses abhängig und davon, wie leistungsfähig eine gemeinsame Struktur ausgestattet wird. Das Modell einer gemeinsamen Holding als Verwaltungsgesellschaft lohnt sich wohl nicht für kleinere Akteure. Dort kann die auf vertraglicher Basis organisierte Zusammenarbeit sinnvoller sein. Wobei dies auch von der Laufzeit und dem Umfang der erbrachten Leistungen abhängt. Hier verweise ich nochmal auf die Transaktionskosten, die je nach Organisationsform unterschiedlich hoch sein können.

Rufen wir uns noch einmal die Ausgangslage vor Augen. Wir haben es mit steigender Komplexität zu tun. In der Folge braucht es Geschäftsführende und Einrichtungsleitungen, die die gestiegene Komplexität beherrschen. Diese Leitenden erkennen, wo Kooperationen eventuell sinnvoll sind und in welcher Weise die Zusammenarbeit organisiert werden muss. Ich bin überzeugt, dass sich professionelles Arbeiten nur mittelfristig über den Zusammenschluss unter einer übergreifenden Struktur bewerkstelligen lässt. Das schließt die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen im operativen Geschäft ausdrücklich mit ein.

Als Arbeitgeber ist man nur attraktiv, wenn man eine gewisse Größe vorweisen kann. Erst ab dann kann man eine echte Personal- und Organisationsentwicklung betreiben. Dass man überhaupt Zeit hat, sich über grundlegende Strukturen und Prozesse Gedanken zu machen und nicht im Tagesgeschäft untergeht.

Richter: Herr Professor, ich danke Ihnen für das Gespräch. Wir werden das Thema im Verband weiterdiskutieren.


Das Gespräch erschien in der Ausgabe 2.2017 des Verbandsmagazins anspiel.