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Gewaltprävention: (Auch) Eine Frage der Haltung

Symbolbild: Menschen stehen nebeneinander und umarmen sich.

Bevor der Arbeiter-Samariter-Bund Königstein/Pirna e.V. die Trägerschaft für die Neueröffnung und den Betrieb der zentralen Inobhutnahmestelle des Landkreises übernahm, stärkte er die Gewaltpräventionskompetenz des neuen Teams. Worauf es dabei ankam, berichtet dessen Geschäftsführer Marco Matthes.

Resilienz ist schon lange ein wichtiges Schlagwort im Sozialwesen. Unter Resilienz werden unterschiedliche psychologische sowie soziale Ansätze und Faktoren verstanden, die sich auf die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit eines Menschen auswirken. Dies hat sehr stark mit der persönlichen Haltung gegenüber den Herausforderungen des Alltags und mit dem bewussten Umgang mit ihnen zu tun. Das gilt auch für konflikthafte oder gar gewalttätige Situationen.

Der ASB Königstein/Pirna verfolgt daher den Ansatz, dass die persönliche Haltung und damit auch die Handlungsfähigkeit die entscheidenden Faktoren sind, wenn es um die Wirksamkeit von Präventionskonzepten in der Praxis geht. Gewaltprävention ist also nicht nur eine Kombination verschiedener Maßnahmen, sondern in erster Linie eine Haltungsfrage.

Im Frühjahr 2022 übernahm der ASB Königstein/Pirna die Trägerschaft der zentralen Inobhutnahmestelle für den Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge, die mit der Neueröffnung der Einrichtung verbunden war. Inobhutnahme ist ein Tätigkeitsfeld, in dem konfliktbehaftete Situationen bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen nicht selten sind. Sie bewegt sich als Maßnahme der Krisenintervention an der Schnittstelle zwischen Kinderrechten, Elternrechten und dem Wächteramt des Staates. Inobhutnahme ist für alle Beteiligten häufig mit überwältigenden Eindrücken, Emotionen und Erfahrungen verbunden. Von den Betroffenen wird sie als massiver Eingriff in das eigene Leben empfunden. Die Zielgruppe der Inobhutnahme ist oft durch zahlreiche Risikofaktoren für gewalttätiges Verhalten geprägt.

Das Team als Faktor erfolgreicher Gewaltprävention

Aufgrund des spezifischen Charakters der Inobhutnahme – Krisenintervention, kurze Aufenthaltsdauer der Kinder und Jugendlichen – ist eine kontinuierliche sowie über einen längeren Zeitraum angelegte pädagogische Arbeit zur Gewaltprävention nicht möglich. Daher lag der Fokus beim Präventionskonzept für die neue Einrichtung auf dem pädagogischen Personal sowie den Rahmenbedingungen und den organisatorischen Abläufen vor Ort.

Das bedeutet: Gewaltprävention gehörte schon in der Frühphase der Angebotsentwicklung zu einem der zentralen Punkte, für die es eine adäquate Lösung zu finden galt. Ausgehend vom eingangs formulierten Ansatz sollte das neu zusammengestellte Team mit der entsprechenden Haltung und Resilienz ausgestattet werden. So kann es den unterschiedlichen Anforderungen sicher begegnen und Gewalt bestmöglich vermeiden.

Im Rahmen der Projektentwicklung wurden frühzeitig entsprechende Maßnahmen angestoßen und in die Teamentwicklungsphase eingebunden. Dieser Prozess begann bereits einen Monat vor der Eröffnung, da ein völlig neu aufgestelltes Team erfahrungsgemäß nicht ad hoc und ohne ausreichend Vorlauf in der Lage sein wird, den Einrichtungsalltag – mit der abzusehenden hohen Auslastung der Plätze – zu bewältigen. Die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden entsprechend im Vorfeld angestellt.

Gewaltschutz als fester Bestandteil des Einrichtungskonzeptes

Gemeinsam mit hauseigenen Expertinnen und Experten sowie externen Partnern entwickelte der Verein ein Programm, das die sozialpädagogischen Fachkräfte gezielt auf die anstehende Tätigkeit und insbesondere den deeskalierenden Umgang mit der anspruchsvollen und herausfordernden Zielgruppe vorbereitet. Die Fachkräfte wurden sowohl individuell als auch als Team gestärkt, damit sie gemeinsam in der Lage sind, eine wirksame Krisenintervention zu gestalten.

Das mehrstufige Programm der Vorbereitungsphase stärkte die Resilienz des neuen Teams anhand des Aufbaus persönlicher Kompetenzen sowie in Bezug auf die Rahmenbedingungen und Verhaltensweisen in der Einrichtung.

Selbstverständlich war ein Training zur Deeskalation sowie im Krisen- und Konfliktmanagement. Hier spielten Fragen der richtigen Selbstbehauptung ebenso eine Rolle wie bewusstes Auftreten und das Einnehmen einer klaren Haltung. Weiterhin absolvierten alle Teammitglieder einen Grundkurs als psychologische Ersthelfende und erlernten Grundlagen der Selbstverteidigung – letzteres nicht in Erwartung einer regelmäßigen Anwendung im Einrichtungsalltag, sondern zur Stärkung und Entwicklung von Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit. Es wurde zudem immer darauf geachtet, die benannten Themen in weitere Teamentwicklungsaspekte einzubetten, um sowohl die einzelne Fachkraft als auch das Team gemeinsam zu stärken. Ergänzend erfolgten Hospitationen in anderen Einrichtungen, die Raum für kollegialen Erfahrungsaustausch boten.

Für Gefahrenpotentiale sensibilisieren

Bei einer Begehung der neuen Räumlichkeiten sensibilisierte ein erfahrener Gewaltschutz-Trainer für die Gefährdungspotenziale und für die entsprechende Vermeidung solcher Momente. Die Ergebnisse flossen auch in die Entwicklung organisatorischer und struktureller Maßnahmen ein, die sowohl eine gegenseitige Absicherung vor Ort als auch die Etablierung technischer Sicherungsmittel ermöglichen. Letztendlich entstanden so Handlungs- und Qualitätsstandards für potenziell kritische Situationen im Einrichtungsalltag wie zum Beispiel Aufnahmen und Abgänge. Das Einrichtungskonzept wurde infolgedessen bezüglich der Verhaltensweisen und Entscheidungswege geschärft.

Neben der Stärkung des Teams für den bevorstehenden Arbeitsalltag mit all seinen Ausprägungen sollte das vorbereitende Programm dazu beitragen, eine gemeinsame Team-Idee zu entwickeln. Diese fußt auf dem Verständnis, die Inobhutnahmestelle als Schutzraum zu etablieren, der keine Gewalt reproduziert, sondern alternative Wege zur Verfügung stellt. Dazu gehören unter anderem alters- und zielgruppenspezifische Beteiligungsformate, eine sensible Kommunikationskultur sowie eine offene, wertschätzende und situationssensible Atmosphäre.

Da keine Refinanzierung solch eines hier beschriebenen Prologs möglich ist, bestritt der ASB Königstein/Pirna diesen vollständig aus Eigenmitteln. Nach einem halben Jahr Einrichtungsbetrieb lässt sich nun feststellen, dass sich die Investition mehr als ausgezahlt hat. Einerseits ermöglicht sie dem Team erfolgreiche und sichere Arbeit. Zum anderen war die umfassende Hinleitung ein wichtiger Beitrag, um den Fachkräften eine Perspektive zu bieten, sie an den Verein zu binden und die Einrichtung von Beginn an in hoher personeller Kontinuität betreiben zu können.


Sie wollen sich mit dem Arbeiter-Samariter-Bund Königstein/Pirna e.V. zu Fragen der Gewaltprävention austauschen oder dessen Arbeit kennenlernen?

Informationen und Kontaktdaten finden Sie auf: www.asb-koenigstein-pirna.de


Der Autor: Marco Matthes ist seit 2022 Teil der Geschäftsführungs-Doppelspitze des ASB Ortsverband Königstein/Pirna e.V. Der diplomierte Erziehungswissenschaftler war zuvor viele Jahre Bereichsleiter in der Kinder- und Jugendhilfe für die Outlaw gGmbH.


Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe März 2023 des Magazins anspiel. mit dem Schwerpunkthema "Gewalt in der Sozialen Arbeit".

 

 

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