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Gewaltschutz: Mit Kommunikation und Teamplay Konflikte bewältigen

Symbolbild: Zwei Hände halten eine Menschenkette aus Papier gegen einen blauen Himmel.

Ob in der Familien-, Kinder- und Jugendhilfe oder bei der Pflege älterer Menschen – Konflikte und mitunter auch gewaltvolle Settings bleiben nicht aus. Der Volkssolidarität Westerzgebirge e.V. stärkt seine Beschäftigten gezielt für diese Situationen. Den größten Rückhalt bietet dabei immer das jeweilige Team.

Chaos im Kinderzimmer. Ein Matchbox-Auto zischt durch die Luft. Harter Einschlag an der Schrankwand neben der Zimmertür. Nur Zentimeter fehlen zum Kopf der Sozialpädagogin. Kurz darauf ein wuterfüllter Schrei: „RAUS HIER!“ Zum Glück ist diese haarige Situation nur ein fiktives Szenario. Zumindest heute.

„Wie würdet ihr denn reagieren und mit dem Kind und seinen Eltern in dieser Situation umgehen?“, fragt Kerstin Hecker, Leiterin der Abteilung Familien-, Kinder- und Jugendhilfe des Volkssolidarität Westerzgebirge e.V. Die Frage an die Kolleg*innen ist der Startschuss für einen regen Erfahrungsaustausch. Gemeinsam beratschlagen die Mitarbeiter*innen zum Umgang mit Konflikten in der Familie – aber auch zu möglichen Übergriffen auf die sozialpädagogischen Fachkräfte.

Bewusstsein schaffen und miteinander reden

Grundlage für die Diskussion ist ein gemeinsam erarbeitetes Konzept der Abteilung. Es umschreibt Handlungsanweisungen zum Schutz der Klient*innen vor Gewalt und übergriffigem sowie schädigendem Verhalten. Aber auch die Sicherheit der Fachkräfte findet in den Überlegungen Beachtung. „Reibungspunkte gibt es immer. Wenn in jeder Familie ‘Friede, Freude, Eierkuchen‘ herrschen würde, bräuchte es keine Sozialpädagogische Familienhilfe. Konflikte muss man in die richtigen Bahnen lenken können. Deshalb fördern und unterstützen wir den Mut zur Offenheit miteinander und nehmen Beschwerden sowie Hinweise auf Gewalt sehr ernst“, erklärt Kerstin Hecker.

Bei der Teambesprechung im Schwarzenberger Büro kommt inzwischen die Frage auf, wie denn Gewalt definiert werden muss. Weit. Schon das unbeabsichtigte Überschreiten persönlicher Grenzen kann als Gewalt empfunden werden und Konflikte heraufbeschwören. Während in der einen Familie ein freundliches „auf die Schulter klopfen“ als Unterstützung empfunden wird, kann es in der nächsten Familie schon zum Vertrauensbruch führen. Psychische und physische Gewalt wird aber ebenso thematisiert wie sexualisierte Gewalt. Hier steht der (Macht-)Missbrauch gegenüber Schutzbefohlenen im Fokus. „Es kommt aber auch vor, dass unseren Fachkräften eindeutige sexuelle Angebote gemacht werden. Darüber sprechen wir dann offen im Team“, berichtet Kerstin Hecker.

Pflege: Demenz bedingt oft gewalttätiges Verhalten

Szenenwechsel. Seniorenzentrum Brünlasberg in Aue-Bad Schlema. Ein Altenpflegeheim, Betreutes Wohnen, Tagespflege und Ambulante Pflege an einem Ort. Auch hier finden regelmäßig Teambesprechungen statt. Und auch hier geht es häufig um das Thema Gewalt.

In der Ambulanten Pflege werden die Fachkräfte seltener mit gewalttätigen Patient*innen konfrontiert. Erst mit zunehmender Desorientierung und steigender Demenz neigen sie zu verbalen Ausfällen und physischer Gewalt. Zu diesem Zeitpunkt sind die älteren Menschen aber oft schon im Pflegeheim. Deshalb steht Konfliktbewältigung in den Teambesprechungen des Altenpflegeheims auf dem Brünlasberg regelmäßig auf dem Programm. Ein Hauptgrund ist die Demenz. Denn Demenz und Gewalt gehen oft gewissermaßen Hand in Hand. Menschen mit Demenz reagieren häufig mit Boshaftigkeit und Wut auf ihre Desorientierung und auf ihr Umfeld. Und die Anzahl der Bewohner*innen mit einer Demenzerkrankung hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.

„Gerade beim Heimeinzug zeigen die neuen Bewohner*innen häufig verbales und körperliches Abwehrverhalten gegenüber unseren Pflegekräften. Aber auch die fehlende Erfahrung von neuen Pflegehilfskräften im Umgang mit Demenzerkrankten, weil sie meist als Quereinsteigende zu uns ins Heim kommen, vergrößert die Reibungspunkte“, erläutert Heimleiterin Heidi Nobis. „Deshalb legen wir großen Wert auf die Kommunikation im Team. Bei Dienstberatungen führen wir Fallbesprechungen durch und erörtern im Team gemeinsam Ursachen und Lösungen“, erklärt sie.

Zeit nehmen und Wissen im Team teilen

Die Teambesprechungen erfüllen aber noch einen weiteren Zweck. Sie dienen als Multiplikator für Wissen, das in internen und externen Weiterbildungen erworben wurde. So haben mehrere Mitarbeiter*innen des Altenpflegeheims bereits an einem dreitägigen Seminar der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege über Gewalt in der Pflege teilgenommen. Die gewonnenen Erkenntnisse über Handlungsanweisungen zum Umgang mit verbaler Gewalt und Anleitungen sowie Übungen bei körperlicher Gewalt wie das Lösen der Hände der Patient*innen konnten so im Team geteilt werden.

„Über die Jahre hat sich gezeigt, dass vor allem die gute Kommunikation im Team für die Qualität unserer Pflege und für die Sicherheit unserer Patient*innen sowie unserer Beschäftigten essentiell ist. Deshalb pflegen wir eine offene Gesprächskultur. Fallbesprechungen und Einzelgespräche werden im Team sehr gut angenommen. Supervisionen hingegen waren in den vergangenen Jahren weniger erfolgreich für die Gewaltprävention“, erklärt Heidi Nobis.

Der Erfolg beruht aber nicht nur auf der guten Kommunikation im Team. Bei Bedarf finden auch Gespräche mit den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen statt. Zudem arbeitet das Pflegeheim eng mit Hausärzt*innen sowie Fachleuten der Neurologie und Psychologie zusammen. „Die einfachste Lösung ist manchmal aber auch die beste: Richten sich die Angriffe von Pflegebedürftigen gegen bestimmte Personen im Team, zum Beispiel männliche Pflegefachkräfte, dann stellen wir uns darauf ein und setzen stattdessen zukünftig weibliche Beschäftigte bei diesen Patient*innen ein“, erläutert die Heimleiterin.

Egal ob bei der Pflege von älteren Menschen oder in der Familien-, Kinder- und Jugendhilfe: Konflikte lassen sich nie vollständig vermeiden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir für Verständnis untereinander werben und miteinander agieren. Getreu dem Motto der Volkssolidarität: Miteinander – Füreinander.


Der Volkssolidarität Westerzgebirge e.V. hat Angebote für fast jedes Lebensalter im Portfolio - von den Frühen Hilfen bis hin zur Altenpflege. Zu Konflikten kann es in jedem dieser Bereiche kommen. Sie wollen sich mit dem Träger dazu austauschen? Infos und Kontakt auf: www.volkssolidaritaet-westerzgebirge.de


Der Artikel erschien zuerst in der März-Ausgabe 2023 des Magazins anspiel. mit dem Schwerpunkt "Gewalt in der Sozialen Arbeit".

 

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