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Haben soziale Einrichtungen wirklich alle ihre Zielgruppen im Blick?

Buntstifte (Bild: Dieter Schütz/ pixelio.de)

In Konzeptionen, Anträgen oder Leistungsbeschreibungen sind Zielgruppennennungen selbstverständlicher Bestandteil. „Wir richten unsere Angebote an Jugendliche aus dem Stadtteil.“ oder „Unsere Einrichtung ist spezialisiert auf Demenzkranke.“, ist dort zu lesen

Dass Menschen mehr sind als eine Eigenschaft (Jugendliche, Demenzkranke usw.) ist  in der Sozialen Arbeit ein alter Hut. In der Praxis wird dieser Aspekt vielfach auch berücksichtigt, z.B. wenn es um die individuelle Entwicklung von Kindern in Kindertagesstätten geht.

Was aber, wenn Teilzielgruppen überhaupt nicht erreicht werden, z.B. Jugendliche, Familien oder Pflegebedürftige mit Migrationshintergrund? Dann bleiben soziale Angebote für diese Menschen verschlossen, obwohl auch sie ein Recht zur Nutzung hätten.

Die Haltung der Fachkräfte spielt hierbei eine genauso wesentliche Rolle. Leicht bleiben wir alle in vertrauten Mustern hängen. Die Lebensrealität eines Demenzkranken, der von seiner ersten großen Liebe zu einem Mann erzählen will, verschwindet  schnell hinter der Tatsache, dass es sich um einen zu pflegenden Mann ohne Angehörige handelt. Oder vielleicht wird einer geflüchteten Familie, die ihr Kind nur an einigen Tagen in die Kindertagesstätte bringt, Unzuverlässigkeit unterstellt. Dass die Regeln und Verbindlichkeit der Kindertagesbetreuung bekannt sind, wird in diesem Fall einfach vorausgesetzt. Hier sind Reflexion und das Hinterfragen des eigenen Handelns wichtig, um den ganzen Menschen zu sehen.

Eine Aufgabe sozialer Organisationen ist es daher, Diskriminierungen zu vermeiden und barrierearme Zugänge zu Angeboten zu schaffen.

Seine Zielgruppen und Teilzielgruppen gut kennen

Die differenzierte Auseinandersetzung mit den eigenen Zielgruppen ist eine wichtige Grundlage, um diese Zielgruppen wirklich umfassend zu erreichen. Die sechs großen Gruppen des Diversity-Ansatzes (Alter, Geschlecht, Religion/ Weltanschauung, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung und Behinderung) können ein erster Ansatz der Überlegungen sein. 

Anhand der Ergebnisse kann dann z.B. die Öffentlichkeitsarbeit reflektiert und in Zukunft differenzierter gestaltet werden, so dass sich verschiedene Teilzielgruppen angesprochen fühlen.

Aus welchen Teilzielgruppen setzt sich unsere Zielgruppe zusammen?

Nehmen Sie Ihre Hauptzielgruppe und setzen sie ein weiteres Attribut dazu (z.B. Familien mit Migrationshintergrund, homosexuelle Jugendliche, muslimische Menschen mit Behinderung oder Kinder mit Eltern verschiedenen Lebensalters). Die Zielgruppenanalyse kann weitere Attribute umfassen (z.B. Kinder, die im ländlichen Umland der Einrichtung leben, Familien mit Pflegekindern).

Sie erhalten so ein differenzierteres Bild von Ihrer Zielgruppe.

Sie haben keine Familie mit Migrationshintergrund in Ihrer Beratungsstelle? Sie hatten noch nie mit Homosexualität in Ihrer Pflegeinrichtung zu tun? Jugendliche mit einer Behinderung kommen nicht zu den Veranstaltungen Ihres Jugendtreffs? Dies sind keine Indizien dafür, dass die betreffenden Teilzielgruppen nicht zu Ihrer Zielgruppe gehören. Es könnte sein, dass diese Menschen sich nur nicht angesprochen fühlen, nichts von Ihrem Angebot wissen oder die Einrichtung verlassen haben, bevor Sie jene persönlichen Informationen überhaupt erhalten konnten. Gerade hier heißt es, sensibel zu sein und genau zu schauen, welche Barrieren es gibt.

Mögliche erste Schritte, um Barrieren abzubauen:

  • Verbreiten Sie Informationen zu Ihren Angeboten an Orten, an denen sich Ihre Teilzielgruppen möglicherweise aufhalten (z.B. Migrationsberatungsstellen, spezielle Internetangebote).
  • Formulieren Sie Ihre Angebote in Leichter Sprache. Leichte Sprache ist für Menschen mit niedrigem Bildungsstand, z.B. einer intellektuellen Behinderung oder Leseschwäche, oft verständlicher. Auch Menschen mit Deutsch als Zweitsprache finden so leichter Zugang zu Informationen. Unterstützen Sie darüber hinaus Informationen auch mit Bildsprache.
  • Erläutern Sie Ihre Angebote an verschiedenen Stellen. Das deutsche Sozialsystem ist komplex. Nicht jede Ihrer Teilzielgruppen weiß sofort, welche Leistungen ihr zusteht und welche Hilfen es in verschiedenen Lebenssituation gibt. Gerade Menschen, die das deutsche Sozialsystem nicht kennen, benötigen umfangreichere Erläuterungen.
  • Machen Sie bei der Veröffentlichung Ihrer Angebote deutlich, dass Ihre Organisation Offenheit gegenüber vielfältigen Teilzielgruppen zeigt und ermuntern Sie Unentschlossene, auf Sie zuzukommen.

Der Artikel gehört zu einer Reihe, die in loser Folge verschiedene Organisationsentwicklungsthemen aus dem Praxisleitfaden „VIELFALT (MIT)DENKEN – Interkulturelle Öffnung und Diversitätsorientierung. EIN PRAXISLEITFADEN.“ aufgreift.


Informationen und Unterstützung zu diesen oder anderen Themen der Vielfalt in der Organisationsentwicklung können Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Sachsen durch die „Paritätische Fach- und Informationsstelle für interkulturelle Öffnung und Diversität (PariFID)“ erhalten. Sie begleitet Veränderungsprozesse und berät.

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