Die sozialen Einrichtungen entwickeln sich zeitgleich mit dem gesellschaftlichen und demografischen Wandel weiter. Interkulturelle Öffnung ist ein strategischer Veränderungsprozess, der nicht nur einen Mehrwert für das Unternehmen bedeutet, sondern auch auf Widerstände stößt. Frishta Ahmadi und Christian Schindler berichten über die Erfahrungen der Outlaw gGmbH.
Genau wie andere soziale Einrichtungen beschäftigt sich die Outlaw gGmbH mit der Entwicklung von Menschen und sozialen Systemen. Das betrifft auch die (Weiter)Entwicklung des Umgangs mit Menschen aus verschiedenen Kulturen als Mitglieder des Unternehmens. Die Unterstützung von Mitarbeitenden im interkulturellen Kontext wird durch das Projekt „Interkulturelle Öffnung als Cultural Mainstreaming in der Kinder- und Jugendarbeit“ veranlasst und vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesfamilienministeriums sowie dem Land Sachsen gefördert.
Vielfalt bezieht sich nicht nur auf die Kulturräume und Herkunft von Menschen. Vielfalt ist ein viel umfassenderer Begriff. Alle im Team sind Teil eines sozialen Systems, das ein soziales Milieu, eine (Sub)Kultur oder eine Religion sein kann. Individuen sind Träger*innen eines großen (vorbestimmten) Kulturraums, die sich in ihren Normen und Werten von anderen Kulturträger*innen abgrenzen, umreißen Kirsten Nazarkiewicz und Gesa Krämer die Ausgangslage in ihrem Handbuch zum interkulturellen Coaching. Diese Identifikation betrifft auch die pädagogischen Fachkräfte. Sie werden somit in ihren bisher erlernten Arbeits- und Lebensweisen herausgefordert, wenn diese Routine durch neue Kulturträger*innen gestört wird.
Auf der Ebene der Geschäftsführung ist die interkulturelle Öffnung sowohl eine Haltung als auch eine strategische Aufgabe. Unter interkultureller Öffnung versteht die Outlaw gGmbH Toleranz, Offenheit und die professionelle Zusammenarbeit mit Menschen, die unterschiedliche Normen und Werte in ihrem Alltag leben. Interkulturelle Öffnung ist damit auch eine Art Unternehmensentwicklungsprozess, der von der Geschäftsführung angestoßen werden muss. Die Führungsebene trägt die formale Verantwortung für die Umsetzung und Begleitung dieses Prozesses, der aus der Übertragung der oben beschriebenen Haltung bis auf die einzelnen Mitarbeitenden besteht.
Dieser Veränderungsprozess wird auch von gesellschaftlichen Normen und Geschehnissen beeinflusst. Die Motivation und die Bedarfe der Mitarbeitenden und der Einrichtungen der Outlaw gGmbH sind dabei sehr unterschiedlich. Ein großer Teil der Beschäftigten sieht den Mehrwert der interkulturellen Öffnung sowohl in der langfristigen Entwicklung des Trägers als auch im Kompetenzgewinn für den eigenen Alltag. So beispielsweise wenn das Team durch die Arbeit mit jungen Menschen und Familien aus anderen Kulturen konfrontiert ist und kulturelle sowie sprachliche Barrieren bewältigen muss. Als meinungsbildend in einer Organisation gelten aber auch diejenigen im Team, die mit ihrer Angst vor dem Unbekannten und der Abgrenzung zum Fremden eine Unternehmenskultur beeinflussen können. Somit arbeiten wir als Akteur im Wohlfahrtsstaat mit denselben Spannungsfeldern, die auch in der Gesellschaft bestenfalls diskutiert und bearbeitet werden. Der interkulturelle Veränderungsprozess stößt auf Widerstände, die unterschiedliche Erscheinungsformen haben.
Fragen nach der Alltagsgestaltung in anderen Ländern oder Kulturen werden in den interkulturellen Fort- und Weiterbildungen, die im Rahmen des Projekts entwickelt und umgesetzt werden, thematisiert. Die Mitarbeitenden erhalten so eine Plattform zum Austausch und zur Kulturvermittlung. Ziel dieser Schulungen ist die (Weiter)Bildung einer interkulturellen Kompetenz – hier ist der Dienstleistungsgedanke des Projektes wichtig. Ein großer Teil der Maßnahmen wird zur direkten Problembearbeitung im Alltag aufgebracht. Neben Übersetzungen, Coachings und der Unterstützung der pädagogischen Fachkräfte durch Fallberatung beschäftigt sich das Projekt ebenfalls mit der Problematik der Fachkräftegewinnung.
Als Arbeitgeber und Akteur in der Sozialwirtschaft sieht die Outlaw gGmbH den Wandel auf dem Arbeitsmarkt und die vielfältigen Anforderungen an die Teams. Eingewanderte bringen Kompetenzen mit, die der Sozialen Arbeit im Sinne der Interkulturalität und fachlicher Standards neue Perspektiven vermitteln. Darüber hinaus erfüllen soziale Unternehmen so ihren Anspruch, Spiegelbild der Gesellschaft zu sein. Der Arbeit an interkultureller Öffnung begegnen immer wieder Hemmnisse. Die eigene Haltung kritisch zu reflektieren, kann für Mitarbeitende ein schmerzhafter und anstrengender Prozess sein. Hier bemerken wir, dass die Wahrnehmung der Maßnahmen neben der Arbeitsbelastung im Alltag nicht immer gegeben ist. Das Projektteam versucht also, sich als Anlaufstelle für die Probleme im Alltag immer wieder präsent zu machen – z. B. durch die Teilnahme an Leitungsrunden oder Teamsitzungen. Weiter hat das Projekt die unternehmensinternen Kommunikationswege genauer angeschaut. Die persönliche Ansprache der Belegschaft und einzelner Leitungskräfte ist hierfür wichtig. Das Projektteam entwickelt gemeinsam mit den Leitungskräften Formate, in denen die jeweiligen Teams Unterstützung bekommen. Sie gestalten sich von der „Hol-Struktur“ (beispielsweise in Fortbildungen) zu einer „Bring-Struktur“ wie Fallberatung und Coaching.
Ein weiteres Hemmnis ist die Akzeptanz und staatliche Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse von Fachkräften. Hier sind Kooperationen mit Ausbildungs- und Studienorten ein Weg, als Praxispartner Praktikumsplätze zur Ergänzung der Abschlüsse bzw. zu deren Anerkennung anzubieten (z.B. Traineeprogramm, Mentoringsystem etc.). Im Rahmen des Projekts werden auch die Führungskräfte mit Blick auf ihre Rolle bei der Gewinnung von Menschen mit Migrationsgeschichte unter anderem in Bezug auf formale und rechtliche Rahmenbedingungen geschult.
Die Auseinandersetzung mit der interkulturellen Öffnung umfasst in der Jugendhilfe mehrere soziale Aspekte. Nicht zuletzt möchten wir unseren Familien und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ein positives Leben in unserer Gesellschaft erleichtern und mit ihnen eine Vielfalt leben, die die persönliche Entwicklung unterstützt.
Die Autor*innen: Frishta Ahmadi und Christian Schindler arbeiten für das Projekt "Interkulturelle Öffnung" der Outlaw gemeinnützige Gesellschaft für Kinder- und Jugendhilfe mbH.
Sie wünschen sich Unterstützung und Beratung beim Thema interkulturelle Öffnung? Nutzen Sie das Angebot von PariFID - Paritätische Fach- und Informationsstelle für interkulturelle Öffnung und Diversität.
Der Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 2.2018 unseres Verbandsmagazins anspiel.