Am 9. November 2018 wurde Uwe Martin Fichtmüller zum Landesvorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Sachsen gewählt. Er hat ein klares Bild davon, wie ein Spitzenverband zukünftig aufgestellt sein muss. Wir sprachen mit ihm über die neue Legislatur des Landesvorstandes.
Herr Fichtmüller, noch einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl. Sie kennen den Landesverband aus verschiedenen Perspektiven – als ehemaliger Mitarbeiter, als Geschäftsführer einer großen Mitgliedsorganisation und als langjähriges Vorstandsmitglied. Was ist Ihrer Meinung nach „typisch Parität“?
Uwe Martin Fichtmüller: Toleranz, Offenheit und Vielfalt sind die Grundsätze des Paritätischen, die sehr pointiert das Wesen des Verbandes repräsentieren. Der Paritätische, das sind zuallererst seine zahlreichen Mitgliedsorganisationen mit ihrer Unterschiedlichkeit fachlicher Ansätze und Zielgruppen, Größen und Organisationsgrade. Sie verkörpern auf beeindruckende Weise die ganze Vielfalt der Sozial- und Bildungsarbeit in unserem Land. Als lebendiger Teil des Gemeinwesens leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag zum Gemeinwohl. Auf der anderen Seite ist der Paritätische ein Verband, dessen Mitarbeitende verlässlich und professionell die Interessen seiner Mitglieder mit starker Stimme und überzeugenden Argumenten vertreten, sie professionell beraten und dabei die sozialanwaltschaftliche Perspektive nicht aus dem Blick verlieren. Ich finde das unverwechselbar und es begeistert mich immer wieder aufs Neue.
Worin sehen Sie die großen Herausforderungen im Sozial- und Bildungsbereich des Freistaates Sachsen in den kommenden Jahren?
Uwe Martin Fichtmüller: Da gibt es einige Baustellen. Bei der Bildung denke ich zu allererst an den frühkindlichen Bereich, in dem wir die Qualität unbedingt weiterentwickeln wollen. Aber auch die Ausbildung muss hier näher an die Erfordernisse von Fachkräften und Praxis heranrücken. Außerdem müssen die Schulen in freier Trägerschaft stärker als Bestandteil der sächsischen Schullandschaft anerkannt werden und endlich sollte ein längeres gemeinsames Lernen möglich sein.
Wenn ich an das weite Feld Sozialer Arbeit denke, sind offene, niedrigschwellige und quartiernahe Angeboten ein wichtiger Punkt. Die örtliche Vernetzung der Einrichtungen und Träger ist dabei entscheidend. Hier sind wir als Verband schon gut dabei. Doch insbesondere im ländlichen Raum ist noch viel Luft nach oben, wie man so schön sagt. Das Gleiche gilt für die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe in diesen Regionen. Nicht zu vergessen die überfällige Stärkung der ambulanten Pflege. In diesem bedeutenden Versorgungszweig bedarf es dringender Nachbesserungen, wenn wir nicht wollen, dass in unserem Land pflegerisch unterversorgte Regionen entstehen.
Eine der großen Herausforderungen ist sicher die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes im Sinne und zum Wohle der Betroffenen. Es gibt in unserer Mitgliedschaft beispielhafte inklusive Angebote. Hinsichtlich der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen liegt jedoch noch ein weiter Weg vor uns.
Für all diese Aufgaben brauchen wir vor allem qualifizierte Menschen, die mit Herzblut und Freude arbeiten. Hier bedarf es zuvörderst der Umsetzung einer tragfähigen Fach- und Arbeitskräftestrategie für alle Arbeitsfelder. Dazu haben wir 2016 Ansätze präsentiert, die im verbandlichen Handeln umgesetzt werden. Arbeitgeberattraktivität muss jedoch vor Ort gelebt werden. Daher wollen wir unsere Mitglieder diesbezüglich weiter mit praxisnahen Angeboten unterstützen.
Wie muss sich der Paritätische Sachsen für die benannten Aufgaben aufstellen und welche Schritte sind dafür zu unternehmen?
Uwe Martin Fichtmüller: Der Paritätische ist als Verband ein lebendiger Organismus, der ein Erstarren in Selbstverständlichkeiten und selbstgefälligen Routinen nicht zulässt. Die Selbstvergewisserung und Überprüfung eigener Positionen und Angebote im Zuge verbandlicher Meinungsbildungsprozesse ist hierbei von zentraler Bedeutung. Dabei gilt es, auch immer der Vielfalt der manchmal gegensätzlichen Interessenlagen unserer Mitgliedsorganisationen gerecht zu werden. Dies ist gewiss keine leichte Aufgabe, wenngleich zentral für die Attraktivität des Verbandes. Insgesamt sehe ich uns jedoch gut aufgestellt, was wir nicht zuletzt dem Landesgeschäftsführer Michael Richter und seinem Team sowie der erfolgreichen Vorstandsarbeit der letzten Jahre zu verdanken haben.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.