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Interview: Konstruktiv und auf Augenhöhe

Symbolbild: Vier Motive die symbolhaft für Erkenntnisgewinn stehen, sind nebeneinander aufgereiht. Ein i für Information, Zahnräder für den Denkprozess, Silhouette eines Kopfes mit einem Ausrufungszeichen und ein Daumen-hoch-Symbol. (Magele-Picture - stock.adobe)

Welche Herausforderungen es bei Tarifverhandlungen gibt und inwieweit soziale Organisationen Vorteile aus einer Tarifbindung ziehen können, besprachen wir mit Anne Daburger Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes PATT.

Frau Daburger, der Pflegebereich ist seit 2022 dazu verpflichtet, tariflich zu bezahlen. Warum sollten sich Organisationen anderer Tätigkeitsfelder ebenfalls einem Tarif anschließen?

Anne Daburger: Nach einer Zeit, in der die Tarifbindung bei Leistungsanbietern Sozialer Arbeit eher gering war, sehen wir nun wieder die verstärkte Tendenz, sich tariflich zu binden. Das liegt sicher an den benannten gesetzlichen Änderungen, aber vor allem an den Vorteilen, die es den Arbeitgebern hinsichtlich ihrer eigenen Attraktivität bringt. Sie können eine gute Bezahlung und weitere Rahmenbedingungen bieten, die sie in der Regel auch refinanziert bekommen. Die eigene Position bei Entgeltverhandlungen wird durch die Tarifbindung deutlich gestärkt. Das ist mit eigenen Arbeitsvertragsbedingungen, Haustarifverträgen oder einer bloßen Anlehnung an Tarifwerke so kaum zu erreichen. 

Mit Blick auf den PATT kommt hinzu, dass sie Teil einer starken und wachsenden Tarifgemeinschaft sind und die Rahmenbedingungen mitgestalten können. Für die Mitglieder der Paritätischen Landesverbände halten wir Angebote zu Personal- und Refinanzierungsthemen mit Kostenträgern vor. Zudem ist der PATT nicht nur ein Tarifwerk, sondern eine Gemeinschaft, die sich vernetzt und austauscht. Dafür bieten wir die Plattform in unterschiedlichen Veranstaltungsformaten. 

Der aktuelle Tarifabschluss des PATT beinhaltet eine Absenkung der Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte auf 38 Stunden. Ist dieser Schritt vor dem Hintergrund des Personalmangels angebracht?

Anne Daburger: Das ist eine berechtigte Frage, die auch in unseren Kommissionen sehr kontrovers diskutiert wurde. Ein Blick in die Praxis zeigt jedoch, dass bereits heute etwa 70 Prozent der Beschäftigten im sozialen Bereich in Teilzeit tätig sind. Deren Beschäftigungsumfang liegt unter 38 Stunden pro Woche. Für diese Gruppe ändert sich hinsichtlich der Wochenarbeitszeit also nichts. Die Attraktivität des Berufsfeldes hingegen steigt und monetär profitieren die Beschäftigten direkt von dieser Entwicklung. Der TVÖD und nahezu alle sozialen Verbände haben die Wochenarbeitszeit bereits abgesenkt. Uns war es daher wichtig, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Arbeitgeber zu erhalten. Gleichzeitig werden wir aber auch einen Anreiz schaffen, der die Beschäftigung von 40 Stunden pro Woche attraktiv macht, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte sich auf diese Arbeitszeit verständigen. So kann Personalknappheit weiter entgegengewirkt werden.

Welche Themen waren in den zurückliegenden Tarifverhandlungen besonders strittig und was ist für Sie beim vorliegenden Ergebnis besonders erfreulich? 

Anne Daburger: Es waren meine ersten Tarifverhandlungen in der Position als Geschäftsführerin des PATT. Ich war positiv überrascht, wie konstruktiv und auf Augenhöhe die Gespräche verliefen. Beide Seiten haben einander zugehört und versucht, die Positionen des Gegenübers zu verstehen. Dennoch hat es viele Verhandlungsrunden gebraucht, um eine gute Lösung zu finden, die für alle tragbar ist. Arbeitgeber und Beschäftigte profitieren gleichermaßen von dem Tarifabschluss. Und so sollte es aus meiner Sicht auch sein. Wir sind keine Gegner, wir sitzen im gleichen Boot und können gemeinsam viel bessere Ergebnisse erzielen. Neben den konkreten Inhalten des vorliegenden Tarifabschlusses werte ich diesen Umstand ebenfalls als Erfolg.

Rund 40 Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Sachsen sind bereits Mitglied im PATT. Einige überlegen noch. Was sagen Sie jenen, die noch unentschlossen sind?

Anne Daburger: Als Geschäftsführerin könnte ich jetzt das Hohelied auf den PATT singen. Das würde mir auch nicht schwerfallen, da ich von unserem Leistungsangebot überzeugt bin. Wichtiger ist mir jedoch, generell für die Tarifbindung in sozialen Organisationen zu werben. Einige der Vorteile habe ich vorhin bereits umrissen. Gleichzeitig muss ein solcher Schritt wohlüberlegt sein, da der Beitritt zu einer Tarifgemeinschaft eine dauerhafte Bindung sein sollte, die bei der Einführung im Unternehmen gut umgesetzt werden muss.

Die Kernkompetenz des PATT liegt im Bereich der Sozialwirtschaft. Wir kennen die Herausforderungen, wenn es um die Umsetzung des Tarifwerkes in sozialen Organisationen geht, und können diese entsprechend begleiten. Dabei stehen Mitglieder nicht allein. Sie haben Zugriff auf das Wissen der Gemeinschaft. Deshalb sehe ich den Austausch der Mitglieder untereinander als wichtiges Plus. Das gilt gleichermaßen für die Mitwirkungsmöglichkeiten, da Mitglieder gleichberechtigt an den Entwicklungen teilhaben können. Wir unterstützen gern bei der Entscheidungsfindung und informieren unverbindlich in Kennenlerngesprächen und ihm Rahmen von Gesprächen mit ihren Aufsichtsgremien.

Herzlichen Dank für das Gespräch.


Zur Person: Anne Daburger ist seit Oktober 2023 Geschäftsführerin des Paritätischen Arbeitgeberverbandes PATT. Vorher war die Diplom-Wirtschaftsjuristin viele Jahre Prokuristin einer Bauträgergruppe und wechselte 2014 in den geschäftsführenden Vorstand des AWO Regionalverband Mitte-West-Thüringen e.V.

Sie möchten mehr über Fragen der Tarifbindung oder konkret zum Paritätischen Arbeitgeberverband PATT e.V. wissen? Alle Informationen und Kontaktdaten lesen Sie auf: www.arbeitgeberverband-patt.de


Das Interview erschien als längere Version zuerst in der September-Ausgabe 2024 unseres Verbandsmagazins anspiel. Das Heft befasste sich mit dem Themenschwerpunkt "Soziale Innovation".