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Kontaktaufnahme

Interview: Soziale Angebote erhalten und Veränderungen mitgehen

Kerstin Krabbes, Regionalgeschäftsstelle Leipzig

In den Regionen des Freistaates ist der Paritätische Sachsen mit seinen Regionalgeschäftsstellen präsent, um die Entwicklung der Sozial- und Bildungslandschaft mitzugestalten. Anfang Januar 2025 übernahm Kerstin Krabbes die Regionalleitung für die Stadt Leipzig. Fortan begleitet sie hier die Mitgliedsorganisationen. Wir sprachen mit ihr über aktuelle Herausforderungen in der sozialen Landschaft und ihre Ideen für Leipzig.

Frau Krabbes, Sie sind nun das Leipziger Gesicht des Paritätischen Sachsen. Wie sieht Ihre Vision für die Soziale Arbeit vor Ort aus und wie verstehen Sie Ihre Rolle als Regionalleiterin?

Kerstin Krabbes: Uns allen ist klar, dass wir in Zeiten vieler Veränderungen leben. Davon bleiben auch die Angebote Sozialer Arbeit nicht unberührt. Abgesehen von großen Themen wie dem demografischen Wandel, der Digitalisierung oder dem Ziel einer inklusiven Angebotslandschaft kommt nun noch eine äußerst angespannte Haushaltslage hinzu, die bestehende Prioritäten völlig verschiebt. Mir ist daher wichtig, mich für etablierte Angebote der Sozialen Arbeit einzusetzen und drohenden Schließungen entgegenzuwirken. Dabei kann es jedoch nicht nur um reinen Bestandsschutz gehen. Neuausrichtungen und konzeptionelle Veränderungen einzelner Angebote werden an mancher Stelle nötig werden. Aber dass sollte uns nicht entmutigen. Freie Wohlfahrt hat stets gezeigt, dass sie innovativ ist. Zudem ist der Paritätische ein starkes Netzwerk, in dem viele Kompetenzen und Erfahrungswissen zusammenkommen. Auf dem Weg der Veränderung möchte ich den Mitgliedsorganisationen gern beratend und begleitend zur Seite stehen.

Sie sind schon lange in der Leipziger Jugendhilfeszene unterwegs. Was denken Sie - welche Erfahrungen aus Ihrer bisherigen Tätigkeit werden Ihnen als Regionalleiterin besonders hilfreich sein?

Kerstin Krabbes: Ich bringe mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in der Sozialen Arbeit mit. Mir sind die Trägerlandschaft vor allem im Bereich der Hilfen zur Erziehung und in der Sozialen Arbeit sowie die Organisationsstruktur der Stadt Leipzig gut bekannt. Somit erhoffe ich mir einen schnellen und offenen Zugang zu den jeweiligen Netzwerken. Mir werden meine Erfahrungen aus Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltvereinbarungen mit der Stadt Leipzig nützlich sein, aber auch die fünfjährige Mitarbeit in trägerübergreifenden Arbeitskreisen. Hilfreich ist sicher auch, dass ich in die Prozesse der Überarbeitung der Fachstandards eingebunden war und die Integrierte Kinder- und Jugendhilfeplanung der Stadt Leipzig kenne, welche aktuell fortgeschrieben wird.

Wo sehen Sie vor dem Hintergrund Ihrer guten Kenntnis der Jugendhilfe in Leipzig die größten Handlungsbedarfe?

Kerstin Krabbes: Obwohl ich an mehreren Stellen Handlungsbedarf sehe, möchte ich drei Themen herausgreifen. Da ist zum einen die Unterbringungssituation für junge Menschen mit komplexen Hilfebedarfen. Hier bräuchte es dringend eine gemeinsame Kommunikationsplattform zwischen Jugendamt, Kommunalpolitik und freien Trägern. Perspektivisch könnte hier auch die Wirtschaft miteingebunden werden. Derzeit existiert bestenfalls eine Notruf-Kommunikation. Das muss sich ändern. 

Zudem braucht es einen Blick auf junge obdachlose Menschen unter 18 Jahren. Bedarf und Angebot sind hier völlig in Schieflage. Beides muss dringend in eine gute Balance gebracht werden, um die jungen Menschen rechtzeitig zu erreichen.

Als drittes sehe ich eine Baustelle beim Verhandlungsmanagement mit der Stadt Leipzig, das aktuell viel Geduld von den freien Trägern erfordert. Die Leistungsanbieter erleben langwierige und zum Teil wenig transparente Verhandlungen. Im gesamten Verfahren wird es künftig wichtig sein, die Trägervielfalt zu schützen. Das Vorgehen der Stadt mit Verhandlungsverzögerungen und nicht auskömmlichen Finanzierungsbedingungen für freie Träger spricht allerdings eine andere Sprache, was einzelne Angebote zum Aufgeben zwingen wird.

Die Weiterentwicklung der Jugendpauschale ist eine zentrale Forderung des Paritätischen Sachsen. Wie wichtig wäre das für die Jugendhilfe in der Region Leipzig?

Kerstin Krabbes: Die Landkreise und kreisfreien Städte klagen im Verhältnis zu den ihnen zugewiesenen Finanzmitteln über unproportional wachsende Kosten im sozialen Bereich, da diese keiner Dynamisierung unterliegen. Eine Weiterentwicklung der Jugendpauschale kann und muss daher eine der Maßnahmen sein, die finanziellen Herausforderungen der kommunalen Haushalte abzufedern. Nur so lassen sich Angebote der Jugendhilfelandschaft erhalten und bestenfalls bedarfsgerecht ausbauen.

Haben Sie Strategien vor Augen, wie mit begrenzten Mitteln dennoch innovative, soziale Projekte umgesetzt werden können?

Kerstin Krabbes: Innovation bedeutet nicht zwangsläufig steigende Kosten. Vielmehr sind Bedarfsorientierung und Netzwerkarbeit die Voraussetzung dafür, dass soziale Projekte vor Ort entstehen und wirken können. Die Mitgliedsorganisationen bringen dafür viel Expertise mit. Ihre verschiedenen Wirkungsfelder miteinander zu verbinden und Synergien entstehen zu lassen, bietet Chancen für bedarfsorientierte Innovation. Es muss nicht immer der große Zauber sein – die kleinen Funken sind der Anfang einer sich entwickelnden Flamme, für die man inhaltlich brennen und Mitstreiter*innen gewinnen kann.

Die besondere Herausforderung liegt hierbei in der Kommunikation zwischen freien Trägern, Verwaltung und Politik. Augenhöhe, Transparenz und die gegenseitige Akzeptanz unterschiedlicher Herangehensweisen sind dabei die wichtigsten Gelingensfaktoren. Schwierig wird es genau dann, wenn sich einer der Beteiligten vor vollendete Tatsachen gestellt fühlt, obwohl ein gemeinsamer Prozess angekündigt war. Hier gilt es, Interessen wahrzunehmen und für einen Ausgleich einzutreten. Es gibt in Leipzig bereits gute und etablierte Kommunikationsstrukturen. Den Schwerpunkt sehe ich also darin, zu einer effektiven und lösungsorientierten Zusammenarbeit zu kommen beziehungsweise in ihr zu bleiben.

Welche langfristigen Ziele setzen Sie sich für Ihre Arbeit als Regionalleiterin?

Kerstin Krabbes: Mir ist wichtig, die Interessen der Mitgliedsorganisationen wahrzunehmen und gleichzeitig deren Sensibilität für die politischen Rahmenbedingungen zu schärfen. Dabei spielen sowohl die Rahmenbedingungen auf regionaler und Landes- als auch auf Bundesebene eine Rolle. Ich möchte den lokalen Akteuren in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft gern eine Ansprechpartnerin für die sozialen Themen und Angebote der Stadt Leipzig sein. Dafür möchte ich mich in einen konstruktiven Austausch begeben. Erhalt und Neuausrichtung sowie die Entwicklung neuer Konzepte der Sozialen Arbeit liegen mir hierbei sehr am Herzen.

Frau Krabbes, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen gutes Gelingen.


Kerstin Krabbes ist seit Januar 2025 die Regionalleiterin für die Stadt Leipzig. Die studierte Erziehungswissenschaftlerin und Soziologin begleitet fortan die rund 100 Mitgliedsorganisationen in der Messestadt. Sie haben Fragen oder Hinweise? Sprechen Sie Kerstin Krabbes gerne an.

Tel.: 0341 - 961 74 62
E-Mail: kerstin.krabbes(at)parisax.de


Das Interview erschien zuerst in der März-Ausgabe 2025 des Verbandsmagazins anspiel.