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Interview: Unwissenheit zu HIV und AIDS ist immer noch groß

Rote Schleife des Welt-AIDS-Tages

AIDS? HIV? Das erscheint den meisten Menschen wie ein Phänomen aus den 1980er Jahren. Doch weit gefehlt. Immer wieder infizieren sich Menschen mit der Immunschwächeerkrankung. Im Interview schilderte uns Uwe Tüffers von der AIDS-Hilfe Dresden die aktuelle Lage in Sachsen.

Herr Tüffers, was sind die Aufgaben der AIDS-Hilfen in Sachsen?

Uwe Tüffers: Da kann ich die sechs Säulen Beratung, Begleitung, Prävention, Mutiplikator*innenausbildung, Öffentlichkeitsarbeit und nicht zu Letzt die Selbsthilfe nennen. Durch die Selbsthilfe sind die AIDS-Hilfen vor über 30 Jahren ja auch entstanden.

Hinter den Schwerpunkten verbergen sich viele einzelne Aufgaben, welche die Mitarbeiter*innen in den Beratungsstellen, online, telefonisch, aber auch in Einrichtungen, Schulen und Treffs vor Ort anbieten.

Wer die Sorge hat, sich mit HIV angesteckt zu haben, kann sich beispielsweise von uns beraten lassen. Wir gehen in schwul-lesbische Treffs, in Unterkünfte für Menschen mit Migrationsgeschichte und sogar in den Justizvollzug. Dort stehen dann Gespräche zur Vielfalt sexueller Orientierungen, aber eben auch sexuell übertragbaren Erkrankungen im Mittelpunkt. Zielgruppe sind übrigens immer auch die Mitarbeitenden. Das sind dann unsere Multiplikator*innen.

Auch Tests sind bei uns oder sogar zu Hause möglich. Viele sexuell übertragbare Krankheiten sind mittlerweile therapierbar, auch HIV. Das bedeutet jedoch nicht, dass HIV eine vollkommen harmlose Erkrankung ist. Prävention und Bildung zu Themen der Sexualität gehören daher zu unseren wichtigsten Aufgaben.

Denken Sie, dass die sächsische Bevölkerung insgesamt gut über diese Themen informiert ist?

Uwe Tüffers: Nein, überhaupt nicht. Das ist aber kein rein sächsisches Problem. Die Menschen sind informiert zu AIDS 1.0. Viele erinnern sich an die Kampagnen zur Nutzung von Kondomen. In den meisten Köpfen herrscht immer noch die Vorstellung, dass es eine Erkrankung ist, die nur Homosexuelle, Sexarbeiter*innen oder Drogensüchtige betrifft. An eine heterosexuelle Mutter oder den charmanten Frauenversteher denkt da keiner, um auch hier mal in Stereotypen zu sprechen. Weder wird angenommen, dass es jede*n betreffen kann, noch sind Übertragungswege bekannt, geschweige denn ist bekannt, wie Menschen mit HIV leben.

Und wie sieht deren Alltag aus?

Uwe Tüffers: Tja, eigentlich ganz normal. Viele sind sozial und beruflich gut integriert. Aber die Angst vor Diskriminierung bleibt Teil des Alltags. Manche haben z.B. Angst ihre Medikamente bei der Arbeit einzunehmen oder im Fall von Menschen mit Fluchtgeschichte in der Enge von Gemeinschaftsunterkünften. Die Sorge entdeckt zu werden ist groß, weil Ablehnung und Ausgrenzung drohen.

Sehr schwer ist auch die Suche nach Partnerschaften. Die Menschen wollen einerseits ehrlich sein. Andererseits wissen sie, dass eine Partnerschaft kaum zustande kommt, wenn sie über ihren HIV Status erzählen.

All das macht das Leben von Menschen mit HIV dann doch wieder ungleich schwerer. Aber eben weniger durch die Krankheit selbst, sondern durch den Umgang anderer damit. Unter Therapie ist HIV in den meisten Fällen nämlich gar nicht mehr übertragbar. Dazu gibt es regelmäßige Tests. Ist der Virus dort nicht nachweisbar, ist er auch nicht übertragbar.

Was wäre Ihrer Meinung nach nötig, damit Diskriminierung kein Thema mehr wäre?

Uwe Tüffers: Wir müssen die Information n=n, nicht nachweisbar = nicht übertragbar verbreiten. Das ist die wichtigste Botschaft, um Menschen aus der Diskriminierungsfalle zu holen. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat dazu eine Kampagne gestartet. „Wissen verdoppeln!“ Dazu gibt es auch eine sehr informative Internetseite.

Und diese ewige Schuldfrage muss endlich aufhören. Menschen mit HIV sind nicht schuldig. Es kann jede*n betreffen. Sexualität gehört zum Leben der meisten Erwachsenen und da kann eben auch mal was schief laufen. Das hat nichts mit Schuld zu tun.

Herr Tüffers, herzlichen Dank für die Einblicke.


Das Interview führte Nicole Börner, Referentin im Projekt PariFID - Paritätische Fach- und Informationsstelle für Interkulturelle Öffnung und Diversität


Informationen zur Kampagne „Wissen verdoppeln“ gibt es auf: www.wissen-verdoppeln.hiv

Kontakt:

Uwe Tüffers (AIDS-Hilfe Dresden)

Tel.: 0351/ 441 61 41
E-Mail: info(at)aidshilfe-dresden.de

Web: www.dresden.aidshilfe.de