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Jugendhilfe: Die Reform ist da. Oder: Der erste Schritt ist getan.

Fünf Jugendliche sitzen nebeneinander.

Lange wurde sie diskutiert, die Reform der Kinder- und Jugendhilfe im Sozialgesetzbuch VIII. Nun ist sie von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden. Hartmut Mann, Referent für Kinder- und Jugendhilfe des Paritätischen Sachsen, kommentiert das Gesetz.

Der Bundesrat hat am 7. Mai quasi in letzter Minute vor dem Ende der Legislaturperiode dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz zugestimmt. Die Entscheidung wurde mit Spannung erwartet, weil die Zustimmung nicht sicher schien. Ein Entschließungsantrag weist darauf hin, dass vor allem wesentliche Finanzierungsfragen der Reform des SGB VIII aus Sicht der Länder und Kommunen ungeklärt sind. Man habe dennoch zugestimmt und erwarte vom Bund, dass diese Fragen im Zuge der im Gesetz verankerten Begleitevaluation ab 2024 ernsthaft in den Blick genommen und geklärt werden.

Lang erwartete Änderungen werden nun zur Praxis

In Kürze werden viele seit mehr als fünf Jahren diskutierte Änderungen wirksam, die fachlich überwiegend positive Bewertung erfahren. Dazu gehören das Einbinden der unabhängigen ombudschaftlichen Beratung in das SGB VIII, die Förderung von Selbstvertretung und Selbsthilfe von jungen Menschen und Eltern, ein uneingeschränkter Beratungsanspruch von Kindern und Jugendlichen, Verbesserungen im Pflegekinderwesen, Nachbesserungen beim Anspruch junger Volljähriger auf Hilfe zur Erziehung und eine deutlich reduzierte Kostenheranziehung zur stationären Hilfe zur Erziehung, die als lange überfällig galt. Die Erwartungen an die Träger von erlaubnispflichtigen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe werden weiter erhöht. Der Beratungsauftrag des Jugendamtes wird nachgeschärft. Niedrigschwellige Hilfeangebote für die Kinder von psychisch kranken Eltern wurden zuletzt dem § 20 SGB VIII zugeordnet, sollen also keine Hilfe zur Erziehung darstellen.

Sachsen hat erneut die schon einige Jahre zurückliegende Forderung eingebracht, die Schulsozialarbeit ausdrücklich im SGB VIII zu verankern. Nun ist sie drin - mit einem Landesvorbehalt, nach dem das Bundesland die Zuständigkeit, ob in der Jugendhilfe oder in der Schulverwaltung, auf eigene Weise regeln kann.

Kommunen und Landkreise als Flaschenhals der Leistungen

Gemessen an dem, was in den letzten fünf Jahren in Form von Änderungsentwürfen zum SGB VIII bekannt und fachlich kritisiert wurde, ist das Ergebnis recht positiv zu bewerten. Hinsichtlich der im Gesetz verankerten Verbindung der Hilfe zu Erziehung mit anderen Jugendhilfeleistungen gibt es jedoch die Sorge, die Kommunen könnten dies nutzen, um nach Art und Umfang angemessene Hilfen im Einzelfall zu vermeiden. Es kommt nun darauf an, was die Landkreise und Kreisfreien Städte daraus machen. Und das gilt es aktiv und aufmerksam zu begleiten.

Inklusion kommt zu kurz

Die inklusive Ausgestaltung des SGB VIII wird mit dem neuen Gesetz lediglich begonnen. Sie soll in mehreren Stufen greifen und ab 2028 auf Grundlage eines noch zu entwickelnden Gesetzes ausgestaltet werden. Bis dahin sollen die Leistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen unverändert bleiben, so wie sie im SGB IX geregelt sind. Dieser Zustand hat heute schon eine Reihe von Problemen zur Folge. Die Bearbeitung dieser Spannungsfelder und die Vorbereitung auf den Übergang ins SGB VIII werden zentrale Themen der nächsten Jahre sein. Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch – seitens des Paritätischen. Teilhabe muss in der Kinder- und Jugendhilfe besser gelingen. Dafür werden wir uns als Verband stark machen.


Kontakt:

Hartmut Mann (Referent Kinder-und Jugendhilfe)

Tel.: 0351 828 71 144
E-Mail: hartmut.mann@parisax.de