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Kindertagespflege: Gesund sein, gesund bleiben

Symbolbild: Kinder und Erzieherin spielen gemeinsam mit bunten Bausteinen. (Foto: Monkey Business/ Fotolia.com)

Die Arbeitswoche einer Kindertagespflegeperson kann bis zu 60 Wochenarbeitsstunden umfassen. Hinzu kommt die Verantwortung für die ihr anvertrauten Kinder. Und doch haben Tageseltern gesunde Wege durch den Berufsalltag gefunden.

Tagesmütter und Tagesväter haben sich für eine anspruchsvolle Tätigkeit entschieden. Das wird auch in der Studie „Profis in der Kindertagespflege“ der Informations- und Koordinierungsstelle Kindertagespflege in Sachsen (IKS) deutlich, die den beruflichen Alltag von Tageseltern näher beleuchtet. So versorgen Kindertagespflegepersonen in der Regel fünf Kleinstkinder im Alter zwischen null und drei Jahren – allein und meist über neun bis zehn Stunden täglich. Das heißt: Bedürfnisse erkennen und auf diese eingehen, Windeln wechseln, Trösten, Begleiten, Unterstützen und das alles gleich fünffach. Hinzu kommen die Zeit für vor- und nachbereitende Tätigkeiten der pädagogischen Arbeit und die organisatorischen Anforderungen für den Betrieb der Kindertagespflegestelle. Nicht selten kommen so 50 bis 60 Wochenarbeitsstunden zusammen. Im Falle von Erkrankung und der zeitweisen Schließung des Angebotes fällt die sich anschließende Erholungsphase häufig sehr kurz aus, denn das hohe Arbeitspensum ist stets kombiniert mit den Herausforderungen einer Selbständigkeit.

Belastung im Alltag erkennen

Und dennoch üben Tageseltern in Sachsen ihre Tätigkeit über Jahre, sogar über Jahrzehnte aus - zum Teil ohne in dieser Zeit ernsthaft zu erkranken. Wie es Kindertagespflegepersonen demnach gelingt, motiviert, zufrieden und gesund zu bleiben, interessierte das Team der IKS sehr. Deshalb befragte es sächsische Tageseltern nach dem gesundheitlichen Risiko ihrer Arbeit und welche Schutzfaktoren sie für sich persönlich nutzen. 

Als größtes Risiko benannten die Befragten die körperliche Beanspruchung im Alltag: das Heben und Tragen kleiner Kinder, das Bücken und Knien bei gemeinsamen Aktivitäten. All das wirkt sich auf den Körper aus. Viele der befragten Personen treiben daher Sport, bewegen sich, nutzen Yoga und Massagen zur Entspannung, machen Gymnastik, waldbaden oder tanzen. Zum Teil geschieht das auch gemeinsam mit den betreuten Kindern. Gleichzeitig gaben die Teilnehmenden an, bereits bei der Gestaltung der Kindertagespflegestelle auf gesundheitsschonende Maßnahmen zu achten. So kann beispielsweise durch Türen an den Kinderbetten vermieden werden, dass Kinder aus diesen herausgehoben werden müssen.

Erkrankung als persönliches Risiko

Selbst zu erkranken, wurde aus zweierlei Sicht als Risiko beschrieben. Einerseits auf Grund der jeweiligen Erkrankung selbst. Andererseits aber auch wegen des psychischen Drucks, da die eigene Erkrankung meist mit der zeitweisen Schließung der Pflegestelle und einem Verdienstausfall sowie der fehlenden Betreuung für die Kinder einher geht, falls Vertretungslösungen fehlen. 

Zudem geraten Tageseltern in ein Dilemma, wenn kranke Kinder in die Betreuung gegeben werden. Diese bergen ein Ansteckungsrisiko für die Betreuungsperson selbst und es kann zu Konflikten mit den Eltern führen. Hierbei setzen die Befragten auf gute Kommunikation und sind um wertschätzende Elterngespräche bemüht. Das hilft, Konflikten vorzubeugen, sowie Erwartungshaltungen abzuklären und diese transparent zu machen. Offene und klare Kommunikation hilft an dieser Stelle allen Beteiligten: Kindern, Eltern und der Tagespflegeperson selbst.

Einsamkeit im beruflichen Alltag begegnen

Tageseltern sind in der Regel allein tätig. Nach Einschätzung der befragten Tageseltern kann sich dies zu einer Belastung entwickeln, wenn der Austausch im Alltag fehlt und die alleinige Verantwortung für das Wohl der Kinder als zu groß empfunden wird. Zum Ausgleich nutzen Tageseltern die gute Vernetzung vor Ort, um beispielsweise gemeinsame Ausflüge zu unternehmen und sich dabei persönlich und fachlich auszutauschen. Auch die sogenannten Tür- und Angelgespräche mit Eltern oder kurze Gespräche mit Personen im Alltag schaffen ein Gegengewicht. Dies wirkt nicht nur der sonst eher isolierten Tätigkeit entgegen. Oft erhalten Tageseltern an diesen Stellen zudem positives und wertschätzendes Feedback.

Für den fachlichen Austausch werden Vernetzungs- und Stammtischtreffen sowie Telefonate mit anderen Kindertagespflegepersonen genutzt. Der Austausch, die gegenseitige Unterstützung und das kollegiale Miteinander unter den Tageseltern werden sehr geschätzt.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Ergebnisse anderer Studien, die feststellten, dass die Wertschätzung und Anerkennung durch die Familien und deren Kinder ebenfalls einem Gesundbrunnen gleichkommen. Dies kann ein wichtiger Faktor hinsichtlich der mentalen Gesundheit sein. Hinzu kommt das Sinnstiftende der täglichen Arbeit, was in einem hohen Maß dazu beiträgt, trotz der Anforderungen gesund zu bleiben.

Persönliche Ankerpunkte geben Kraft

Gleichzeitig verdeutlichte die IKS-Befragung den hohen Stellenwert ganz individueller Ankerpunkte, die als Ressourcen dienen und für die Gesundheit förderlich sind. Die eigene Familie, das soziale Umfeld oder auch den eigenen Freundeskreis benannten viele als wichtige Quellen, um Kraft zu tanken. Auch Hobbies und Religion wurden aufgeführt. Zudem spielte es für viele eine wichtige Rolle, wie dank einer achtsamen und entschleunigten Planung des Tagesablaufs mit den Kindern oder des bewussten Schaffens von Wohlfühloasen für sich selbst Druck aus dem Arbeitsalltag genommen werden kann. Schließlich wurden auch Aspekte wie Weiterbildungen, um sich selbst sicherer in der Arbeit zu fühlen, oder das Einbinden von Eltern und die Zusammenarbeit mit anderen Tageseltern und Kitas als hilfreich für die eigene Entlastung bewertet.

Neben den Anforderungen, die die Selbstständigkeit als Kindertagespflegeperson mit sich bringt, schätzen viele jedoch den Freiraum, in dem sie selbstwirksam und flexibel agieren können. So gab eine Kindertagespflegeperson an, dass sie in ihrer Tätigkeit alles umsetzen kann, was ihr wichtig ist: das individuelle Eingehen auf die Kinder, nachhaltige Ernährung bis hin zur Gestaltung des Tagesablaufs.

Entscheidend ist, welche Widerstandsressourcen einzelne Tageseltern für sich brauchen und finden. Wie es gelingt, diese in den Alltag zu integrieren bzw. gezielt Zeiten dafür zu finden oder festzulegen. Ein erster Schritt kann sein, einen festen Termin mit sich selbst, mit dem Hobby oder mit Menschen, die einem wichtig sind, zu vereinbaren. Eine befragte Kindertagespflegeperson stellte treffend fest: „Man wird selbst zufriedener, wenn man für sich sorgt“.

Impulse dafür, wie Tageseltern einen bewussten und achtsamen Alltag für sich und die von ihnen betreuten Kinder gestalten können, bieten die Weiterbildungen der Informations- und Koordinierungsstelle Kindertagespflege in Sachsen. Alle Informationen dazu unter: www.iks-sachsen.de


Die Autorin: Ulrike Czech ist Projektreferentin in der Informations- und Koordinierungsstelle Kindertagespflege in Sachsen.


Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe September 2022 des Verbandsmagazins anspiel. mit dem Schwerpunktthema "Gesund arbeiten". Das Heft können Sie hier herunterladen.

 

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