Sachsen erzielt Topwerte bei der Fachkraftquote in Kitas, hat aber bundesweit mit den schlechtesten Personalschlüssel. Qualität braucht neben Qualifikation vor allem Zeit. Der Paritätische Sachsen sieht weiterhin Handlungsbedarf und betont Notwendigkeit einer guten Personalausstattung.
Die Bertelsmann-Stiftung weist in einer jetzt vorgestellten Studie für Sachsen eine Fachkraftquote von 92 Prozent aus und verortet den Freistaat im Ländervergleich direkt hinter Thüringen auf Platz zwei. Diese Zahlen belegen, dass Kinder in sächsischen Kitas überwiegend von gut ausgebildeten Fachkräften betreut werden, was grundsätzlich für die Qualität der Einrichtungen spricht und die großen Anstrengungen von Trägern und Beschäftigten sichtbar macht.
Qualität ist mehr als ein Kennwert: Zeit als Schlüsselfaktor
Gleichzeitig betont der Paritätische Sachsen, dass Qualität in der Kindertagesbetreuung nicht allein aus hohen Qualifikationsanteilen entsteht, sondern erst dann im Alltag wirksam wird, wenn Fachkräfte genug Zeit für die unmittelbare Arbeit mit dem Kind, für die pädagogische Vorbereitung und Reflexion, für vertrauensvolle Gespräche mit Eltern sowie für kontinuierliche Weiterqualifikation haben. Fehlt der zeitliche Rahmen, bleiben fachliche Ressourcen ungenutzt und die Potenziale für Bildung, Teilhabe sowie gelingende Beziehungen werden geschmälert.
Der Engpass im System: Sachsens Personalschlüssel
Trotz der sehr guten Fachkraftquote weist Sachsen im Bundesvergleich eine der schlechtesten Fachkraft-Kind-Relationen auf, was sich in übervollen Gruppen, erhöhter Arbeitsverdichtung und knappen Zeitfenstern niederschlägt. Die Fachkraft-Kind-Relation ist jedoch der entscheidende Hebel, damit Qualifikation tatsächlich bei den Kindern ankommt. Sie bestimmt, ob Fachkräfte Beziehungen aufbauen, Bildungsprozesse individuell begleiten und Inklusion verlässlich sichern können.
Auch Eltern könnten von der hohen Fachlichkeit sächsischer Kitas profitieren, wenn Fachkräften z.B. für die Beantwortung von Erziehungsfragen ausreichend Zeit zur Verfügung stünde. Oft reicht diese aber gerade für das jährliche Entwicklungsgespräch und den obligatorischen Elternabend.
Politische Nachsteuerung mit geringer Wirkung: Das Kita-Moratorium
Die Sächsische Staatsregierung hat den Handlungsbedarf erkannt und justiert in kleinen Schritten nach. Die über das Kita-Moratorium angekündigte Schlüsselverbesserung im Kindergarten ab August 2025 bleibt jedoch in der Praxis kaum spürbar. Träger berichten von Effekten „in der dritten Nachkommastelle“. Die intendierte Bindung gut ausgebildeter Erzieher*innen an das System wird so nicht erreicht.
Laut Statistischem Landesamt Sachsen gab es 2024 sachsenweit über 2.300 Einrichtungen mit Kindergartenkindern. Auf diese konnten nun geschätzte 200 zusätzliche Stellen verteilt werden. Dadurch entsteht vor Ort nur eine minimale Entlastung, die weder die pädagogische Qualität nachhaltig stärkt noch die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert. In der Folge gelingt es nicht ausreichend, qualifiziertes Personal zu halten. Vor dem Hintergrund der sinkenden Kinderzahlen und einem damit einhergehenden Stellenabbau orientieren sich gut ausgebildete Fachkräfte womöglich bald neu und wandern in westliche Bundesländer ab, wo derzeit Personalengpässe herrschen.
Qualität und Infrastruktur sichern statt Personal verlieren
Angesichts sinkender Kinderzahlen zeichnet sich also die Gefahr ab, dass der Freistaat gut ausgebildetes Personal ziehen lässt, statt die günstige Lage als Chance zu begreifen und kräftig in Qualität und Kitainfrastruktur zu investieren. Ein deutlich verbesserter Personalschlüssel würde jedem einzelnen Kind unmittelbar nutzen, die pädagogische Wirksamkeit steigern und zugleich dazu beitragen, Standorte zu stabilisieren und drohende Schließungen zu vermeiden.
Öffentliche Stimmung: Priorität für besseren Schlüssel
Eine Umfrage des MDR zeigt, dass viele Menschen einen besseren Personalschlüssel gegenüber der Senkung von Elternbeiträgen priorisieren und sich für den Erhalt der Kita-Infrastruktur aussprechen. Das Umfrageergebnis unterstreicht, dass Qualität – und damit Zeit – an erster Stelle stehen muss.
Jetzt die Voraussetzungen für Qualität schaffen
Der Paritätische Sachsen plädiert für einen klaren Qualitätspfad: spürbare Verbesserung des Personalschlüssels, Zeitbudgets für pädagogische Arbeit einschließlich Vor- und Nachbereitung sowie Elternkontakte, kontinuierliche Fortbildung und stabile Strukturen vor Ort. Nur wenn Qualifikation mit ausreichend Zeit zusammenkommt, entfaltet sich pädagogische Qualität im Alltag – zum Nutzen der Kinder, der Familien und der Fachkräfte in Sachsen und schließlich unserer gesamten Gesellschaft.
Kontakt:
Nicole Lawrenz (Referat Bildung)
Tel.: 0351 - 828 71 152
E-Mail: nicole.lawrenz(at)parisax.de
