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Kitas in Sachsen: Praktische Ausbildung zum Nulltarif geht auf lange Sicht nicht

Kinder spielen in einer Kindertagespflegestelle mit Kartons, Informations- und Koordinierungsstelle Kindertagespflege in Sachsen, IKS

Der Anspruch an gute Erzieherinnen und Erzieher ist hoch. Umso wichtiger ist eine gute Ausbildung, die sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Erfahrungen vermittelt. Doch gerade für die praktischen Ausbildungsanteile fehlen in den Kitas ausreichende Ressourcen.

„Seit den 1990er Jahren gibt es ein ungeschriebenes Abkommen zwischen Fachschulen und den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, nach dem die Fachschüler(innen) die erforderlichen Praxiseinheiten in den jeweiligen Einrichtungen absolvieren können. Die Einrichtungen haben dafür jedoch faktisch keine ausgewiesene und anerkannte zusätzliche Zeit, um die Begleitung und Anleitung so zu gestalten, wie es bei einem Lernort Praxis der Fall sein sollte“, kritisiert Maria Groß, Referentin für Kindertagesbetreuung des Paritätischen Sachsen die aktuelle Situation. Entsprechend unterschiedlich sei die Motivation der jeweiligen Kitas, einen Praktikumsplatz anzubieten. So betrachte man die Übereinkunft mancherorts als Möglichkeit, den in Sachsen immer noch unzureichenden Personalschlüssel zu kompensieren. Andernorts werde die Beschäftigung von Praktikant(inn)en hingegen als wichtiges Instrument des Personalmanagements verstanden.

Praxisanleitung vollzieht sich in einer Grauzone ohne Ressourcen

Ungeachtet der jeweiligen Motivation bleibt das Ressourcenproblem bestehen. Die Praxisanleitung vollzieht sich in einer Grauzone, denn das Praktikum ist verpflichtender Bestandteil der Ausbildung. „Die Praktikumsstellen gehen so gesehen seit mehr als 20 Jahren in Vorleistung. Nicht zuletzt für das Personal ergibt sich neben den Aufgaben des Kita-Alltags hier eine zusätzliche Belastung. Die Vor- und Nachbereitung der Praxisanleitung erfolgt nicht selten in der Freizeit“, sagt Maria Groß und betont, dass dies nur eine von vielen Aufgaben sei, die Beschäftigte in sächsischen Kitas außerhalb der Regelarbeitszeit schultern müssten.

Die Referentin merkt an: „Vor diesem Hintergrund muss die Frage erlaubt sein, ob man hier noch von einem verantwortungsbewussten Umgang mit aktiven und zukünftigen Fachkräften sprechen kann. Neben der inhaltlichen Stärkung von Kitateams hinsichtlich der qualitätsvollen Praxisanleitung ist daher die Ressourcenfrage dringend zu beantworten. Wir wollen schließlich bestausgebildetes Personal, um frühkindliche Bildung erfolgreich zu gestalten.“

Programm „Lernort Praxis“ - Professionalisierung von Kitas als Ausbildungsort

Von 2013 bis 2016 versuchte das Bundesfamilienministerium, mit dem Programm „Lernort Praxis“ die oben beschriebene Lücke zu schließen. Mit insgesamt acht Millionen Euro wurde es bundesweit 170 Kitas möglich, eine halbe Fachkraftstelle zu schaffen und so ihrer Funktion als Ausbildungsort für pädagogische Fachkräfte nachzukommen. Des Weiteren stand die engere Zusammenarbeit mit den Fachschulen als theoretischer Ausbildungsort auf dem Plan. Auf diese Art und Weise sollte ein Beitrag zur Qualifizierung und Gewinnung von Fachpersonal und zur Stärkung der Qualität der Kindertagesbetreuung geleistet werden.

Auch sächsische Kitas beteiligten sich am „Lernort Praxis“. Unter Beteiligung des Paritätischen Sachsen entstand zudem eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus, um gezielt für den Freistaat Projektergebnisse zu sichern. Als Ergebnis entsteht ein Handlungsleitfaden für Kitas, der jenen Einrichtungen Hilfestellung bietet, die sich als „Lernort Praxis“ verstehen wollen. Der Leitfaden wird Ende 2016 veröffentlicht.

Akteure enger vernetzen – Ressourcen besser nutzen

Der Handlungsleitfaden ist ein guter Ansatz, um bestehende Spannungsfelder zu lösen. Gleichzeitig stellt er nur einen ersten Schritt dar. „In den kommenden Jahren wird es vor allem wichtig sein, entstandene Netzwerke und den Wissenstransfer zwischen bereits bestehender guter Praxis sowie den Anforderungen des Sächsischen Bildungsplans, den Lehrplänen für die Fachschule, Fachbereich Sozialwesen Fachrichtung Sozialpädagogik, dem Ausbildungsort Fachschule und den sozialpädagogischen Praxiseinrichtungen in Sachsen zu sichern. Das gilt für Fachhochschulen gleichermaßen“, so die Referentin. Genauso komme es auf den Willen des Freistaates an, notwendigerweise entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Lernort Praxis auf andere Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe ausweiten

Die Kita ist dabei nur ein „Lernort Praxis“. In naher Zukunft ist daher weiterzudenken, um den Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Ausbildung gerecht zu werden. Andere Praxis-Lernorte der Kinder- und Jugendhilfe wie beispielsweise die offene Kinder- und Jugendarbeit oder die Hilfen zur Erziehung sind hierbei mitzudenken und die Kooperationen zwischen Theorie und Praxis entsprechend auszugestalten.

 

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