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Kommentar: Abgespeckt oder neu erfunden? Sprach-Kitas auf sächsisch

Drei kleine Kinder sitzen in der Kita am Tisch und essen. Das Mittlere Kind hebt freudig seinen Löffel in die Höhe. (Foto: Andrey Kuzmin/ fotolia.com)

Das Ende des Bundesförderprogramms für Sprach-Kitas ging Ende 2022 wie ein Beben durch die sächsische Kita-Landschaft. Doch das Auslaufen der Förderung war absehbar. Trotzdem schien man auch in Sachsen überrascht und strickte hastig ein wenig ausgewogenes Anschlussprojekt, kritisiert unsere Bildungsreferentin Anne Cellar.

Bundesweit war etwa jede achte Kita eine Sprach-Kita. Zusätzliche Fachkräfte für sprachliche Bildung berieten hier seit 2016 die jeweiligen pädagogischen Teams. Neben der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung waren inklusive Pädagogik, die Zusammenarbeit mit Familien und digitale Medien die Schwerpunkte der Arbeit vor Ort. Die Kita-Teams sollten während des Projektzeitraums so viel Wissen und Befähigung erhalten, dass eine zusätzliche Fachkraft für sprachliche Bildung nicht mehr nötig ist. Das Programm sollte sich also eigentlich selbst abschaffen. Und dennoch wurde das Projekt mehrfach verlängert, da immer neue Fortbildungsthemen zu Tage traten und der Kompetenzgewinn in den Teams gut gelang.

Mehr Tun mit weniger Geld?

Zum Sommer 2023 läuft das Bundesprogramm nun tatsächlich aus. Der Sprach-Kita-Ansatz wird weitgehend positiv und als wirksam bewertet – auch von Seiten des Freistaates. Umso bedauerlicher ist es, dass eine nachhaltige Verstetigung auf Landesebene, wo Bildung hingehört, versäumt wurde. Sachsen entschied sich stattdessen dafür, mit abgespecktem Budget eine neue Version aufzulegen – die die ursprünglichen Idee verwirft und neu anhebt. Dafür sollen 10,7 Millionen Euro pro Jahr aus den Bundesgeldern des KiTa-Qualitätsgesetzes verwendet werden. Mit dieser Summe hätte man einen guten Teil des Programms in seiner ursprünglichen Form fortführen können. Erneut verpasste es das Kultusministerium jedoch, Akteure aus der Praxis bei der Veränderung des Programms zu beteiligen. Die jetzige Lösung wirkt unausgewogen, verschenkt leichtfertig zuvor gesammelte Erfahrungen und geht an den Bedarfen der Praxis vorbei.

Einigkeit herrscht darüber, dass allen Kindern und allen Einrichtungen gute alltagsintegrierte sprachliche Bildung zugutekommen soll. Doch statt der am ursprünglichen Sprach-Kita-Programm beteiligten 359 sächsischen Einrichtungen soll die Beratung und Begleitung auf über 1400 Kindertagespflegepersonen sowie alle 3000 Horte und Kitas ausgeweitet werden. Natürlich ist das ein richtiger Anspruch. Hält man dann jedoch die bereits angesprochenen 10,7 Millionen Euro dagegen, erscheinen diese etwas dürftig. Zumal die besagten 359 Sprach-Kitas für ihre Arbeit jährlich bisher mehr Geld einsetzen konnten.

Ok, könnte man sagen - immerhin sind es 10,7 Millionen Euro und die Idee der Sprach-Kita bleibt – wenn auch in reduzierter Form - den pädagogischen Fachkräften als wichtige Unterstützung erhalten. Doch leider ist es nicht so. Denn von den 10,7 Millionen Euro zur Stärkung der Qualität in Kitas soll auch ein Anteil in weitere Maßnahmen fließen. So ist ein Teil für neue Stellen vorgesehen, um den Personalschlüssel ein kleines bisschen ehrlicher zu machen. Weitere Gelder sollen außerdem Fortbildungen bezüglich des derzeit schon guten Angebots ermöglichen. Die Mittel werden also breit verteilt, anstatt sie - wie im ursprünglichen Bundesprogramm - gezielt einzusetzen. Wie wirksam kann das sein?

Zeitliche Befristung und unnötige Doppelstrukturen schmälern Erfolgsaussichten

Richtig ist die Erkenntnis, dass Fachkräfte weiterhin inhaltliche Unterstützung brauchen. Geplant ist, in den Landkreisen und kreisfreien Städten wohl jeweils vier Stellen für Sprachmentor*innen zu schaffen. Diese sollen dann alle Einrichtungen der sächsischen Kindertagesbetreuung beraten. Schwierig erscheint hingegen, dass damit neben der bereits bestehenden Fachberatung und einer breiten Fortbildungspalette nun eine Spezialfachberatung und noch mehr Spezialfortbildungen geschaffen werden. Hier besteht die Gefahr von Doppelstrukturen und Kompetenzüberschneidungen.

Neben der übersichtlichen Finanzierung ist die Befristung des Landesprojektes auf nur anderthalb Jahre ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt. In dieser Zeit wird es nur schwer gelingen, die Sprachmentor*innen gut in die Praxis zu integrieren. Die Stellen müssen erstmal besetzt werden. Dann braucht es eine Einarbeitung und schließlich das Ankommen im Feld. Die 18 Monate Laufzeit werden wahrscheinlich allein für diese Schritte benötigt. Wie oft die pädagogischen Fachkräfte ihre Sprachmentor*innen in dieser Zeit tatsächlich sehen, wird spannend.

Bessere Beteiligung hätte Erfolgschancen und Akzeptanz erhöht

Ich bin davon überzeugt, dass selbst mit der geringeren finanziellen Ausstattung eine zielgenauere Lösung hätte gefunden werden können. Doch noch einmal: Das zuständige Ministerium hat es erneut verpasst, die Praktiker*innen zu fragen, was in ihrer Arbeit gut und erhaltenswert war. Anfragen an die Spitzenverbände kamen erst, als eigentlich alles fertig war.

Die Praxis hätte sich dafür ausgesprochen, insbesondere das Netzwerk mit dessen erworbenem Wissen zu erhalten. Auch das Wirken der zusätzlichen Fachkräfte hauptsächlich vor Ort und deren Gestaltung der Elternarbeit wird als entscheidend für die erfolgreiche Arbeit gesehen, da somit mittels Kompetenzstärkung Benachteiligung entgegengewirkt wird. Nichts davon findet sich jedoch im Landesprogramm. Es musste schnell gehen, um die Gelder des Bundes zu bekommen, so die Begründung. Das Bundesprogramm war von Beginn an als befristete Förderung angelegt und als Impuls gedacht, damit die Länder während der Laufzeit auf eigene Lösungen hinarbeiten können. Das ist – übrigens nicht zum ersten Mal – nicht erfolgt und man war gezwungen, hastig etwas zu stricken. Für eine sächsische Lösung wäre jedoch ausreichend Zeit gewesen, wenn man gewollt hätte.

Wenn wir eine zukunftsfähige Bildungslandschaft wollen, dann können wir es uns nicht länger leisten, auf die Erfahrungen und das Wissen von Projektbeteiligten und Praxis zu verzichten. Deren Einbezug ist nicht nur aus fachlich-pädagogischer Sicht wichtig, sondern auch mit Blick auf die nachhaltige Verwendung von Steuergeldern. Es ist ärgerlich, dass Beteiligung immer noch zu wenig gelebt wird. Hier muss Sachsen dringend besser werden. 


Kontakt:

Anne Cellar
Referentin Bildung

E-Mail: anne.cellar(at)parisax.de