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Kommentar: Ein Deckelchen für die Pflegekosten

Eine ältere Dame sitzt im Rollstuhl und blickt aus dem Fenster.

Die sogenannten Eigenanteile, die Pflegebedürftige für ihren Platz im Heim zahlen müssen, sind in den letzten Jahren ständig gestiegen. Ab Januar 2022 sollen diese Kosten nun gedeckelt werden. Doch die Bewohner*innen werden davon nur wenig merken, kommentiert Andrea Wetzel, unsere Referentin für Entgelte in der Pflege.

Jetzt ist er da, der Deckel des Eigenanteils für Bewohner*innen in Pflegeeinrichtungen. Wer sich seit der Pflegereform im Sommer 2021 darauf gefreut hat, bis zu 70 Prozent der Kosten für seinen Pflegeplatz einzusparen, wird vermutlich ziemlich enttäuscht sein, wenn er die Rechnung für den Monat Januar sieht. Was vom ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn als Kostenbremse angepriesen wurde, erweist sich in der Praxis als nur wenig wirksam. Warum? Der neu eingeführte Leistungszuschuss bezieht sich lediglich auf den pflegebedingten Aufwand. Gezahlt werden muss aber auch für die Unterkunft, die Verpflegung und die Investitionskosten. In der Summe sind diese Beträge jedoch unter Umständen viel höher als jene, die für die reine Pflege notwendig sind.

Lassen Sie mich das an einem fiktiven Beispiel verdeutlichen. Frau Schmidt zog im November 2021 in ein Pflegeheim. Sie zahlt bislang monatlich insgesamt 1.550 € für ihren Heimplatz. Der Betrag setzt sich aus 620 Euro für die Pflege und 930 Euro für die weiteren Kosten zusammen. Da sie seit weniger als zwölf Monaten in der Einrichtung lebt, reduziert sich der Anteil für die Pflege ab Januar 2022 gesetzlich vorgegeben um fünf Prozent. Das sind etwa 30 Euro pro Monat. Blickt man allerdings auf die Gesamtkosten, so spart Frau Schmidt insgesamt lediglich zwei Prozent. So weit, so gut - immerhin.

Mit ein bisschen Pech verhandelt ihr Pflegeheim aber gerade neue Preise mit den Pflegekassen und dem Sozialhilfeträger. Nicht aus Böswilligkeit oder gar Profitstreben - nein. Sondern um die steigenden Unterhaltskosten - beispielsweise für Energie und dergleichen - zu kompensieren. Vor allem jedoch, um die Löhne der Mitarbeitenden anheben zu können. Dadurch steigt die Gesamtrechnung vielleicht um insgesamt 60 € (30 € für die Pflege und 30 € für die weiteren Kosten). Von dieser Erhöhung übernimmt die Pflegekasse dann aber nur 1,50 Euro. Der Rest bleibt an Frau Schmidt hängen. Vom Deckel merkt sie also gar nichts. Im Gegenteil: Der Preis steigt für sie.

Anders sieht es aus, wenn Frau Schmidt bereits seit mehr als drei Jahren in der Einrichtung lebt. In diesem Falle wird ihr ein Leistungszuschlag von 70 Prozent in Aussicht gestellt. Ausgehend von den bisher monatlich 1.550 Euro für ihren Heimplatz reduziert sich der Betrag ab Januar 2022 also um gut 430 Euro. Das sind 70 Prozent der Pflegekosten – ist aber nicht mal ein Drittel der Gesamtkosten. Zu zahlen sind immer noch mehr als 1.100 €. Kommen dann die bereits beschriebenen Kostensteigerungen von 60 Euro zum Tragen, übernimmt die Pflegekasse von diesen auch nur etwa ein Drittel. Die tatsächliche Ersparnis liegt damit für Frau Schmidt in der Summe nur noch bei 25 Prozent gegenüber dem Dezember.

Zugegeben, das ist immer noch eine Menge Geld, die Frau Schmidt auf ihrem Konto behalten darf – aber einen angekündigten Leistungszuschuss von 70 Prozent stellt man sich doch irgendwie anders vor. Wenn wir uns dann noch vor Augen führen, dass die Verweildauer in stationären Pflegeeinrichtungen meist weniger als drei Jahre beträgt, kommen ohnehin nur wenige in den Genuss der höchsten Stufe an Leistungszuschlägen.

Ein Deckel, der seinen Namen verdient, sollte die Eigenanteile langfristig auf einem konstanten Niveau halten. Der Paritätische spricht sich seit Jahren für eine Deckelung bei 15 Prozent der Gesamtkosten aus. Das würde Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen finanzielle Sicherheit geben. Die aktuelle Lösung ist dazu nicht geeignet. Sie birgt weiterhin die Gefahr, dass die Zuzahlungen überhandnehmen.

Wer gute Pflege und gut bezahlte Pflegekräfte will, muss auch die stetig steigenden Kosten hierfür tragen. Das darf jedoch nicht maßgeblich zu Lasten der Pflegebedürftigen geschehen oder die Kosten auf die Kommunen verlagern. Denn die müssen einspringen, wenn die Eigenanteile aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der Bewohner*innen über die Sozialhilfe finanziert werden müssen.

Pflege ist eine Aufgabe für die Solidargemeinschaft. Daher ist es an der Zeit, dass hier endlich wirklich reformiert wird. Gute Vorschläge liegen auf dem Tisch.


Kontakt:

Andrea Wetzel (Referentin Entgelte)

Tel.: 0351 - 828 71 147
E-Mail: andrea.wetzel(at)parisax.de