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Kommentar: Epidemie mit Chancen

Dr. Susanne Kleber, Referat Bildung, Paritätischer Sachsen

Dr. Susanne Kleber, Referentin für Bildung


Sächsische Schulen sind geschlossen. Gelernt wird derzeit zu Hause. Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte müssen neue Wege des Lernens und Lehrens erkunden. Die Schlagworte dabei sind: Homeschooling und Digitalisierung. Dr. Susanne Kleber kommentiert.

Seit nunmehr vier Wochen befinden sich die sächsischen Schüler*innen in der sogenannten unterrichtsfreien Zeit. Dieser Umstand eint sie mit fast allen bundesdeutschen schulpflichtigen Kindern, Heranwachsenden, Jugendlichen und Erwachsenen – von der Grundschule über die Fachschule bis hin zur Abendschule und Universität. Was machen sie nun mit dieser Zeit im lange verpönten Homeschooling? In der Zeit eines zu spät gekommenem Digitalpakts, überlasteter Server und Lehrer*innen? Nun, sie tun alle ihr Bestes, um wenigstens das Lernniveau zu halten, mit dem sie so abrupt die Schulen verließen, nachdem sich die Kultusminister*innenkonferenz der Bundesländer nach langem Ringen doch für eine flächendeckende Schulschließung entschloss.

Es kam überraschend, was nicht hätte überraschend kommen müssen. Ein Nationaler Bildungsrat wäre viel eher in der Lage gewesen, diese weitreichende Entscheidung vorzubereiten. Denn es geht hier nicht nur um die Frage der Gestaltung oder des Ausfalls von Abiturprüfungen in jedem einzelnen Bundesland. Es geht  um Praktika, Berufsschulabschlüsse und für Studierende um ein ganzes Sommersemester im In- oder Ausland sowie die eine oder andere wichtige Prüfungen am Ende des ausklingenden Wintersemesters. Die Systeme sind darauf nicht vorbereitet, denn das deutsche Bildungssystem tat sich bisher schwer mit der Digitalisierung des Lernens und Lehrens.

Doch neben Problemen, die in einer Krise zu Tage treten oder sich verschärfen, liegen auch Chancen, die neue Perspektiven öffnen. Homeschooling und Digitalisierung - bis dato verpönt oder vor-sich-hergeschoben, sind sie quasi über Nacht zu Shooting-Stars avanciert. Das traf den Großteil sächsischer Schulen unvorbereitet und wird jetzt mit Arbeitsblättern kompensiert. Wobei es doch eigentlich nur darum geht, die Freude am Lernen zu erhalten, den große-Sommerferien-Effekt zu vermeiden und mit Eltern in guter Kommunikation zu stehen.

Für Schulen in freier Trägerschaft ist die plötzliche Umstellung auch nicht leicht. Dennoch sind sie im Vorteil und können schneller reagieren. Das selbstständige Lernen gehört für die Schüler*innen in den meisten freien Schulen zum gelebten Alltag. Die Fähigkeiten der autonomen Kompetenzaneignung und Selbstorganisation werden dort gezielt gefördert. Dies gilt ebenso für die aktive Beteiligung aller Eltern am Schulleben. Sie werden als wichtiger Teil im Lernprozess ihrer Kinder betrachtet und befähigt, die notwendige Unterstützung zu leisten. Ein oft mühsamer Weg, dessen Investitionen sich gerade jetzt auszahlen, wenn es um die Festigung des bereits Gelernten und die Verknüpfung mit neuen Wissensbeständen geht.

Die Corona-Epidemie zeigt uns Lücken, die uns vorher zwar bekannt, aber in ihrer Wirkung jetzt erst praktisch bewusst werden. Das gilt gesamtgesellschaftlich und hinsichtlich unseres Bildungssystems. Ich sehe daher zwei Aspekte, die wir angehen und die Erfahrungen aus der aktuellen Zwangslage nutzen sollten: Als erstes ist da die Notwendigkeit eines verstärkten Dialogs zwischen staatlichen und freien Schulen über Lernformen und Lernmodelle. Denn es gibt gute Beispiele in der Praxis, die wir gemeinsam weiterentwickeln sollten. Zweitens muss schnellstmöglich ein Verfahren greifen, das die Erfahrungen mit verschiedenen digitalen Lernformen bündelt und Perspektiven für das digital gestützte Lernen in Sachsen ableitet. Das Kultusministerium sollte diese beiden Chancen moderierend ergreifen und dadurch den nächsten Schritt auf dem Weg in eine zukunftsfeste sächsische Schullandschaft gehen.


Die Autorin: Dr.'in Susanne Kleber ist Referentin für Bildung beim Paritätischen Sachsen und verantwortet derzeit den Bereich der Schulen in Freier Trägerschaft und das Projekt Lernort Praxis Sachsen. Sie ist zudem einer der Mitautor*innen des Sächsischen Bildungsplanes.

Kontakt:

Dr'in Susanne Kleber
Tel.: 0351/ 828 71 147
E-Mail: susanne.kleber(at)parisax.de