Das Kita-Moratorium ist vom Tisch und damit auch die Chance für eine noch höhere Qualität in Sachsens Kitas. Das Spannungsfeld zwischen dem Anspruch des Freistaates an qualitative Bildung einerseits und den fehlenden Ressourcen andererseits kommentiert Nicole Börner, Referentin für Bildung.
Wirft man einen Blick auf Sachsen, könnte man den Eindruck gewinnen, dass hier an der Zukunftsfähigkeit der Bildungslandschaft gearbeitet wird. Ferner könnte man meinen, dass dabei auch die frühkindliche Bildung als wichtiger Abschnitt der Bildungsbiografie junger Menschen verstanden wird. Da wird beispielsweise mit großem Aufwand der Sächsische Bildungsplan fortgeschrieben. Ein richtiger Schritt, den derzeitigen Bildungsplan nach fast 20 Jahren mal etwas durchzulüften und anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie praktischer Erfahrungen zu aktualisieren. Dann gibt es ein eigenes Landessprachprogramm, welches seit 2023 Fachkräfte bei der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung in Kitas unterstützt. Diese Beratung für alle sächsischen Kitas ist gut, denn die Praktiker*innen wiesen immer wieder auf die sprachlichen Herausforderungen bei Kindern hin. Und dann ist da noch das Strategiepapier „Bildungsland Sachsen 2030“. Laut diesem soll es ein Konzept für ganztägige Bildung im Primarbereich gemeinsam mit Schulen und Horten geben. Sehr gut, schließlich steht ab 2026 der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung vor der Tür.
Alles bestens, könnte man meinen. Aber - Sie ahnen es schon - die nähere Betrachtung geht mit Ernüchterung einher. Es scheint gerade so, als wenn die Diskussionen der letzten Jahre nicht stattgefunden hätten. Denn bei allen inhaltlich richtigen Anliegen der eingangsbenannten Vorhaben und Maßnahmen scheint ein Thema dabei weitgehend aus dem Blick zu geraten: die Ressourcen.
Gute Lösungen lagen auf dem Tisch
Derzeit kämpfen Kitas mit sinkenden Kinderzahlen. Verbände, Gewerkschaften, Fachkräfte – ja, selbst der vorherige Kultusminister – waren sich einig: Das ist die Chance, um die Fachkraft-Kind-Relation endlich anheben zu können. Einfach das bestehende Personal bei sinkenden Kinderzahlen weiterbeschäftigen. Die Anhebung um 4% des Personals je vollbeschäftigter pädagogischer Fachkraft in einer Kita im Jahr 2023 war ein vorausschauend guter Anfang und hätte einfach fortgesetzt werden müssen. So wäre es beispielsweise möglich, den aktualisierten Bildungsplan ab 2026 an den Start zu bringen oder auch die individuelle Sprachförderung mit den Kindern wirklich wirksam umzusetzen.
Im Moment wird viel in Theorie investiert, sei es in die Fortschreibung des Bildungsplans oder in Beratungsstrukturen zur sprachlichen Bildung. Wirkliche Wirksamkeit braucht aber Praxis mit Zeit zur Umsetzung, zum Probieren und Reflektieren. In keiner Branche werden neue Technologien ohne Investitionen in Mitarbeitende eingeführt. Zudem handelt es sich bei Kitas auch nicht um Industrieunternehmen, bei denen eine neue Maschine oder ein neu eingeführtes Material schon zum verbesserten Ergebnis führt. Die Arbeit mit Kindern und Eltern ist Beziehungsarbeit und damit schon per se zeitintensiv, wenn sie wirksam sein soll.
Noch im Herbst 2024 gab es einen kleinen Lichtblick. Fraktionsübergreifend sprachen sich die sächsischen Landtagsabgeordneten dafür aus, in der neuen Legislatur ein Kita-Moratorium umzusetzen, welches den Landeszuschuss auf dem Niveau von 2024 einfriert. Personal könnte so gebunden und Qualität gesteigert werden. Dass dieses nun nicht kommt, enttäuscht, frustriert und macht bisweilen auch wütend.
Einschnitte sind sachsenweit spürbar
Sieht man sich jetzt vor Ort um, finden beim Personal bereits Kürzungen statt. Hier wird eine schon jetzt zu dünne Personaldecke weiter reduziert, die weder Aspekte wie Urlaub, Krankheit und Weiterbildung abbildet noch Öffnungszeiten von bis zu 11 Stunden. In den Einrichtungen schwinden die Handlungsspielräume. Unsere Mitglieder spiegeln uns, dass nun zuerst bei pädagogischen Angeboten wie Kleingruppenarbeit, bei der Elternarbeit oder bei Weiterbildungen eingespart werden muss. Um Eltern nicht in Bedrängnis zu bringen, vermieden es viele Einrichtungen bis jetzt, die Öffnungszeiten zu kürzen. Das wird künftig jedoch nicht mehr abzuwenden sein.
Kita-Kompromiss: Ansatz ohne Durchschlagskraft
Der nun im Rahmen der Haushaltsverhandlungen vorgeschlagene Kita-Kompromiss enttäuscht. Dieser ist nicht mehr als eine Sparvariante mit einem geringen Personalaufwuchs, der lediglich die Schulvorbereitung im Kindergarten betrachtet. In der vorgeschlagenen Form wird auch das in der Praxis verpuffen. Der Kompromiss birgt sogar die Gefahr, vor allem bei den Trägern erhöhten Verwaltungsaufwand zu produzieren. Die Fachkräfte fühlen sich vor den Kopf gestoßen. Denn wer im August 2025 seine Stunden reduzieren muss oder gar die Kündigung erhält, soll dann ab August 2026 wieder zur Verfügung stehen. Die kalkulierte Anzahl von 196 Vollzeitfachkräften ist ohnehin nur eine homöopathische Dosis an zusätzlichem Personal. Das entspricht einem Kapazitätsaufwuchs von etwa zwei Stunden pro Einrichtung und Woche. Dies dann jedoch allein fokussiert auf die Schulvorbereitung im Kindergarten. Von einer Investition in die Qualität frühkindlicher Bildung und damit in die Kinder, kann hier wohl nicht die Rede sein.
Keine gute Entwicklung
Langsam könnte man eine Strategie des Kultusministeriums dahinter vermuten, hohe und durchaus auch richtige Ansprüche zu formulieren, die notwendigen Ressourcen jedoch zu verweigern. Das ist in etwa so, als würden Sie ein Fahrzeug mit Vollausstattung ordern, aber nur das Basismodell bezahlen wollen. Damit umgehen muss das Personal vor Ort. Seit Jahren an der Belastungsgrenze, bei hohem Krankenstand und mit zu wenig Zeit für Weiterbildung oder individuelle Förderung der Kinder. Hinzu kommt, dass bei der frühkindlichen Bildung alles der Schulvorbereitung untergeordnet werden soll. Die Begleitung der Kinder im ganzheitlichen Sinn - ihre Lebensvorbereitung - scheint zunehmend aus dem Blick zu geraten. Das ist keine gute Entwicklung.
Kontakt:
Nicole Börner (Referat Bildung, Bereich Kindertagesbetreuung)
Tel.: 0351 – 828 71 152
E-Mail: nicole.boerner(at)parisax.de