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Kommentar: Kein Augenmaß - Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft in Sachsen

Hendrik Kreuzberg (Referent Migration, Paritätischer Sachsen), ein Mann mittleren Alters, steht mit karriertem Hemd vor einer holzfarbenen Wand und spricht in ein Mikrofon.

Hendrik Kreuzberg, Referent Migration des Paritätischen Sachsen


Vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer*innen müssen nach geltendem Recht das Land verlassen. Mit dem Gesetz zur Regelung des Vollzugs der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams möchte der Freistaat nun konsequentes Handeln demonstrieren. Hendrik Kreuzberg, Referent für Migration, kommentiert.

Für die Fälle, in denen sich vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer*innen der Ausreise tatsächlich oder vermeintlich entziehen, bereitet der Freistaat Sachsen nun eine Einrichtung für Abschiebungshaft sowie den Ausreisegewahrsam vor. Die Grundlage dafür bildet ein entsprechendes Gesetz, das mit den Stimmen der Regierungskoalition sowie der AfD am vergangenen Mittwoch im Sächsischen Landtag beschlossen wurde.

Bereits in der Debatte zum Gesetzentwurf entstand der Eindruck, dass die gespürt geringe Zahl von rückkehrenden Menschen darin begründet sei, dass bislang ein solches Gesetz und die dazugehörige restriktive Einrichtung fehlten. Trotz dieser scheinbaren Lücke wurden 2017 immerhin 2.267 Personen aus Sachsen zwangsweise rückgeführt und 1.677 Menschen begingen die freiwillige Rückkehr mit Hilfe staatlicher Reintegrationsmaßnahmen. Zahlen, die man integPLAN (Integrierte Rückkehrplanung, www.integplan.de) entnehmen kann.

Übrigens, nicht jede Person ohne Aufenthaltstitel ist vollziehbar ausreisepflichtig. Hier ist eine differenzierte Betrachtung der aktuellen Lage dringend angeraten, um die ohnehin schon erhitzte politischen Debatte nicht weiter anzufachen.

Freiwilligkeit der Ausreise als Zielstellung verfehlt

Im Aufenthaltsgesetz wird den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, Ausreiseinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer*innen zu schaffen. Der Gesetzgeber verlangt jedoch, dass die Beratung und Betreuung in diesen Einrichtungen derart gestaltet werden soll, dass die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise steigt. Dieser Vorgabe kommt das verabschiedete Gesetz allerdings nur unzureichend nach.

Eine Reihe von Expert*innen beanstandete dies bereits im März 2018, als der Gesetzentwurf in der öffentlichen Anhörung im Innenausschuss des Landtages diskutiert wurde. Sie kritisierten den unzureichenden Zugang zu Rechtsberatung, gesundheitlicher Versorgung und Seelsorge.

Besondere Bedarfe von Minderjährigen werden nicht beachtet

Auch die Unterbringung von Familien, Kindern und minderjährigen Jugendlichen in der haftähnlichen Einrichtung stieß damals auf Widerspruch. Ohne Erfolg, wie am jetzigen Gesetz abzulesen ist. Der Vorrang des Kindeswohls hat die Grundlage aller behördlichen Entscheidungen zu sein – es ist schon befremdlich, wenn dieses EU-Grundrecht hier völlig unbeachtet bleibt. Allein die vorgesehene räumliche Trennung der genannten Personengruppen von anderen Untergebrachten wird diesem Rechtsgut nicht genügen.

Etwa 20 Mio. Euro werden bis einschließlich 2020 für eine solche Einrichtung geplant. Geld, mit dem sich zahlreiche Strukturen und Projekte der Integration weiter ausbauen ließen. Geld, mit dem sich auch die Angebote der Beratungsstellen zur freiwilligen Rückkehr stärken ließen.

Das Gesetz zu Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft ist geradezu symbolhaft für die aktuelle Entwicklung in der Diskussion um Einwanderung und Asyl. Es soll eine vermeintlich konsequente Lösung präsentiert werden, die doch nicht mehr ist, als das Herumdoktern an Symptomen.


Kontakt:

Hendrik Kreuzberg (Referent Migration)
Tel.: 0351/ 491 66 78
E-Mail: hendrik.kreuzberg(at)parisax.de