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Kommentar: Kita-Landschaft in Sachsen neu denken

Symbolbild: Eine Gruppe von Kindergartenkindern lacht in die Kamera.

In Sachsen werden immer weniger Kinder geboren. In der Folge müssen Kita-Plätze abgebaut werden. In Kitas, Rathäusern, aber auch in der Wirtschaft wird dies mit Besorgnis gesehen. Die Auswirkungen auf die Kita-Landschaft und was es jetzt braucht, kommentiert Nicole Lawrenz, Referentin für Bildung.

Bereits seit 2016 sinken in Sachsen die Kinderzahlen. Bisher bremsten geburtenstarke Jahrgänge oder auch Kinder mit Migrationsgeschichte die Auswirkungen auf die Kitas noch etwas ab. Nun kommen die die Geburtenrückgänge aber spürbar in der Praxis an. Weniger Geburten führen zu weniger Anmeldungen. In der Folge werden Personalstunden und Öffnungszeiten zurückgefahren. Erste Einrichtungen in Sachsen schließen.

Einig sind sich alle darin, dass die sinkenden Kinderzahlen eigentlich eine Chance für mehr Bildungsqualität sind, was der ehemalige sächsische Kultusminister Christian Piwarz 2023 als „demographische Rendite“ bezeichnete. Daraufhin ermöglichten Schlüsselverbesserungen eine Personalstärkung um sachsenweit etwa 1.000 Fachkräfte und für die Jahre 2025 und 2026 werden es jeweils rund 195 Fachkräfte sein. Bei angespannter Haushaltslage sind selbst diesen kleinen Schritt anzuerkennen. Der Effekt in den rund 3.000 Kitas wird hingegen übersichtlich sein. Der erhoffte Qualitätssprung bleibt aus.

Kitas am Wendepunkt

Die über viele Jahre hinweg aufgebauten Kita-Strukturen fangen an, zu bröckeln. Das erinnert an die 1990er Jahre, in denen schon einmal landesweit Kitas geschlossen wurden. Von 2006 bis 2024 kamen dann über 400 Kitas dazu. So zählte das Statistische Landesamt im Jahr 2024 sachsenweit 3.065 Kitas. Eine Angebotsdichte, auf die manche Familie aus Bayern oder Niedersachsen neidisch sein dürfte.

Aber nicht nur das dichte Netz wohnortnaher Kitas ist für Sachsen ein Standortvorteil, sondern auch die hohe Qualifikation der Fachkräfte. In Sachsens frühkindliche Bildungslandschaft wurde viel Steuergeld investiert. Hinzu kommen Elternbeiträge und die Eigenanteile, die jeder freie Träger für den Betrieb von Krippe, Kindergarten oder Hort aufbringen muss. Nicht zu vergessen das Engagement von Land, Kommunen und Zivilgesellschaft. Wenn auch in kleinen Schritten wurden die Rahmenbedingungen für die Bildungsqualität so kontinuierlich verbessert. Und doch steht die Frage im Raum:  Blüht uns dasselbe Szenario wie in den 1990er Jahren? Verschwinden zahlreiche Kitas von der Landkarte?

Vor Ort bringen die sinkenden Kinderzahlen bereits spürbare Angebotseinschränkungen mit sich. Wie also weiter mit den Kitas und weniger Kindern? Dort, wo es konkret um Einrichtungsschließungen geht, tritt nicht selten der Konflikt zu Tage, ob entweder die Einrichtung in kommunaler oder jene in freier Trägerschaft zu schließen ist. Nicht immer gelingt es, sich offen und fair mit allen Beteiligten an einen Tisch zu setzen. Dabei gerät leicht aus dem Blick, worum es eigentlich geht.

Kitas sind Bildungsort und Standortfaktor

Kitas bedeuten nicht nur Kosten für den Kommunalhaushalt. Als wesentlicher Teil der sozialen Infrastruktur sächsischer Gemeinden stärken sie die Standortattraktivität und spielen für den Zuzug oder die Bleibeperspektiven von Familien eine Rolle, denn sie unterstützen die Erwerbsmöglichkeiten von Eltern und stärken dadurch die regionale Wirtschaft. Sie sind Begegnungsorte und Teil des Gemeinwesens, indem sie sich zum Beispiel an Sport- und Kulturveranstaltungen im Sozialraum beteiligen. Und nicht zuletzt stärken sie als Orte der frühkindlichen Bildung Familien bei ihrer Erziehungsaufgabe.

Bildungsangebote erhalten und Infrastruktur flexibel gestalten  

Angesichts der deutlich gesunkenen Geburtenzahlen wird der Abbau von Kitas nicht zu vermeiden sein. Hier kommen bedarfsplanerische Überlegungen zum Tragen. Darüber hinaus brauchen wir jetzt landesweite und regionale Initiativen, damit vorhandene Objekte geschickt umgenutzt werden können, um beispielsweise unterschiedliche soziale Angebote zu kombinieren und so die Kitas vor Ort zu erhalten. Wie wäre es mit einer mobilen Kita, einem Bürger*innentreff mit kleiner Kita oder einer Kita mit Co-Working-Bereich für Eltern? Der Freistaat könnte durch vereinfachte Bürokratie einen wichtigen Beitrag dazu leisten und gleichzeitig seine eigenen Strukturen entlasten.

Dass wir in Sachsen soziale Innovation können, haben wir mehrfach bewiesen. Erinnert sei an die vielen Elterninitiativen, die in den 1990ern neuen Schwung in zahlreiche angestaubte DDR-Kitas brachten. Aus vielen sind heute große Träger geworden, die Strukturen aufgebaut und mitgestaltet haben. Essentiell war dabei stets die Zusammenarbeit mit Kommunen und Freistaat, um auch unkonventionelle Lösungen angehen zu können. Wir sollten uns daher im Zusammenhang mit den Nachwendejahren nicht nur an den Abbau erinnern. Mit Zuversicht und Kraft wurden damals neue Wege beschritten. Dieses Potential ist heute mehr denn je gefragt.

Kita-Kompass: Ideen sammeln und innovative Lösungen entwickeln

Unter dem Titel ”Kita-Kompass“ hat sich der Paritätische Sachsen mit seinen Mitgliedern bereits auf den Weg begeben und möchte aus der Krise eine Chance machen. Dies erfolgt in Kooperation mit dem Bundesverband der Volkssolidarität. Im Rahmen des “Kita-Kompass” werden Ideen gesammelt und Prozesse vor Ort angestoßen. Am Ende sollen verschiedene Handlungsansätze stehen, wie sinkende Kinderzahlen und strukturelle Entwicklungen miteinander verbunden werden können. Unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus den 1990er Jahren wird dabei wichtig sein, Strukturen so zurückzufahren, dass sie bei künftigen Bedarfsanstiegen möglichst leicht zu reaktivieren sind.


Kontakt:

Nicole Lawrenz (Referentin Bildung) 

Telefon: 0351 - 828 71 152
E-Mail: nicole.lawrenz(at)parisax.de