Per Erlass regelt der Freistaat Sachsen eine Wohnsitzauflage für Zugewanderte und folgt damit den Wünschen der Landkreise und kreisfreien Städte. Andere Perspektiven und die Auswirkungen auf die betroffenen Menschen werden bei dieser Regelung weitgehend ausgeblendet, kritisiert Hendrik Kreuzberg, Referent für Migration des Paritätischen Sachsen.
Ein Erlass, also eine Regelung, durch die eine übergeordnete Behörde einer oder mehreren nachgeordneten Behörden allgemeine Anweisungen erteilt, wird ab dem 1. April 2018 das Leben und die Freizügigkeit anerkannter Asylbewerber*innen in Sachsen beeinflussen. Abgesehen von der integrationsschädlichen Wirkung des Instrumentes selbst, dokumentiert Sachsen damit seine einseitige Sichtweise auf die Frage: Wie man Zuwanderung steuern kann. Reglementierung scheint dabei als Allheilmittel gesehen zu werden.
Das Für und Wider einer ortsgebundenen Wohnsitzauflage muss von Politiker*innen, Wissenschaftler*innen, Betroffenen sowie Akteur*innen der Integration- und Migrationsarbeit diskutiert werden dürfen. Stattdessen entzog sich das zuständige Ministerium diesem breiten Diskurs bzw. bot der Öffentlichkeit nicht mal den Dialog an. Es scheint, dass man sich mit anderen Möglichkeiten, wie Menschen zum Verweilen an einem bestimmten Ort bewogen werden könnten, gar nicht befassen wollte.
Dabei hätte ein solcher Diskurs gezeigt, dass eine Wohnsitzauflage nicht allein mit einer Überlastung bestehender Integrationsangebote begründbar ist. Ebenso wenig reicht es aus, Konzentrationen in den Großstädten vermeiden zu wollen. Ein fachlicher Diskurs hätte differenziertere Perspektiven aufgeworfen. Er hätte die Möglichkeit geboten, bestehende Integrationsmaßnahmen zu überprüfen sowie Ausbau-, Anpassung- und Koordinierungsbedarfe zu erheben.
Auch die möglichen sozialen sowie psychischen Auswirkungen einer solchen Auflage hätten diskutiert werden müssen. Welche Barrieren werden durch eine solche Auflage verstärkt und erschweren z.B. die Teilhabe an gesundheitlicher Versorgung, Bildung und Arbeit?
Nicht zuletzt hätte ein solcher Diskurs offenlegen können, welche Entwicklungen insbesondere außerhalb der großen Städte und deren Ballungsräume notwendig sind, um allen dort lebenden Menschen Chancen und Perspektiven zu eröffnen. Denn es geht nicht nur um Sprachkurse und Unterbringung, sondern insgesamt um die Attraktivität eher ländlich geprägter Regionen.
Ein Verbot aus der Schublade zu ziehen und es mittels Erlass zur Lebensrealität für tausende Menschen werden zu lassen ist eben leichter als sich einem Diskurs zu stellen in dem wahrhaft um Lösungen gerungen werden muss. Schade.