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Kommentar: Wohin mit der Angst?

Die Regelungen zur Corona-Krise verändern das Miteinander. Sie schneiden ab von sozialen Kontakten und werfen die Menschen auf sich selbst zurück. Über Chancen und Risiken sich selbst und das Leben neu kennenzulernen, schreibt Carolin Schulz, Referentin in der Selbsthilfeakademie Sachsen.

Plädoyer für Ruhe und Selbst-Liebe

Seit einer Woche arbeite ich im Home Office. Das ist angenehm ­- ohne Ablenkung von der Geräuschkulisse auf Arbeit und  ohne die vielen täglichen Wege, um Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen. Aber es fehlt auch etwas. Viele Begegnungen sind weggefallen. Yoga in der Gruppe, Flur-Geschnatter, Gespräche mit Eltern und Erzieher*innen in Hort und Kita. Begegnungen, die mir helfen, in meine Mitte zu kommen und Inspiration zu erhalten. Diese vielen kleinen Begegnungen helfen auch, das Immunsystem zu stärken. Doch just diese positiven Aspekte fallen jetzt weg und ich werde stärker auf mich und meine Kinder zurückgeworfen.

Wenn ich mir ständig die Nachrichten anhören würde, wäre ich sicher bald selbst krank. Ständig negativer Input schürt Sorgen und führt mich weg von meiner eigenen Lebensenergie, die ich jetzt umso mehr für mich und meine Kinder brauche.

Die Bilder von Menschen in Krankenhäusern halten einem die eigene Sterblichkeit vor Augen.
Wann wollen Sie sterben und wie?
Haben Sie sich schon bewusst Gedanken gemacht, was ist, wenn jemand Ihrer Liebsten sterben würde?


Diese Fragen lassen sich im Alltag schnell wegdrücken und fast vergessen. Durch die täglich neu veröffentlichen Todeszahlen kommen sie nun aber wieder in Erinnerung. Das kann auch etwas Gutes haben: Dinge zu Ende zu denken, stoppt immer das Gedankenkarussell. Weil sich damit ein Weg auftut.

Frage-Experiment:

Ich stelle Ihnen jetzt eine Frage und Sie antworten spontan.

Was ist, wenn Sie noch dieses Jahr sterben? Was würden Sie dann zuvor auf alle Fälle noch tun?

Nächste Frage: Bis wann machen Sie das?

Diese Befragung kann neue Energie freisetzen, weil sie den Blick auf das Wesentliche lenkt. Auf das, was einem wirklich wichtig ist.

Das Wesentliche kehrt zurück

Menschen sind es gewohnt, sich abzulenken. Das fällt derzeit schwerer. Einkaufen, Jogging, Spaziergänge, Telefonate mit Freunden sind noch geblieben. Aber der Biergarten, das Kino und die Sauna sind zu.

Die Krise bietet die Chance, genau hinzuschauen und das eigene Handeln ehrlich zu reflektieren.

Lassen Sie sich von der Angst mitreißen? Machen Sie Panikeinkäufe und fangen an, Essen zu horten, das Sie nicht mal besonders mögen und Ihrer Gesundheit nicht besonders zuträglich ist?

Oder bleiben Sie innerlich ruhig und schauen, was jetzt für Sie und Ihr Umfeld zu tun ist?

Wir sind oft auf uns allein gestellt und können - und müssen - uns in Ruhe anschauen, was da innerlich mit uns los ist. Ein Mensch, der gut bei sich ist, weiß, wie er sich vom Gerede der Kolleg*innen, der Nachbarschaft und der Familie abgrenzt. Wie er oder sie den persönlichen Weg findet, mit den neuen Einschränkungen umzugehen und trotzdem in Freude zu sich und dem Leben zu bleiben.

Vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie mir: Ich stelle mir noch weitere Fragen über mich und das Leben, über die Gesellschaft und das Miteinander der Zukunft.

Wo stehen Sie gerade im Leben?

  • Wieviel Freude macht Ihnen Ihre Arbeit?
  • Fühlen Sie sich wohl in Ihrer Wohnung, wenn Sie länger als sonst dort sind?
  • Wer ist Ihnen als Freund oder Freundin in der Krise geblieben?
  • Was ist Ihnen wirklich wichtig?
  • Welche Kontakte und Hobbies vermissen Sie plötzlich gar nicht?
  • Auf welche Ablenkungen und Gewohnheiten können Sie auch nach der Krise gut verzichten?

Sie haben die Wahl: Angst versus Achtsamkeit

Sie können sich in Panik versetzen lassen und Ihre Ängste schüren. Sie können auch achtsam sein und schauen, wie Sie sich in Freude und Liebe gut um sich kümmern. Das stärkt auch die Abwehrkräfte. Wenn Menschen aus ihren inneren Impulsen und ihrem Wissen handeln, dann werden Entscheidungen gefällt, die zum Miteinander beitragen.

Drei Tipps für mehr Ruhe in der Krise

1. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden. Das ist ein Plädoyer, dem wir immer folgen sollten. Aber gerade jetzt zeigt sich, wer sich um sich selbst bemüht und die Verantwortung für das eigene Handeln, Denken und Fühlen übernimmt. Sie wissen ja: Wir ziehen die Dinge in unser Leben, denen wir unsere Aufmerksamkeit schenken.

2. Gehen Sie in die Natur. Sie bietet Halt und Kraft. Natürliches Licht, Wärme, die Bäume und Insekten machen Ihnen Mut und stärken Ihr Vertrauen. Bewegen Sie sich, denn das macht gute Laune.

3. Wenn Sie Angst haben, spüren Sie, wo Sie Liebe, Licht, Leichtigkeit in sich spüren. Und dann schauen Sie nach, wovor Sie genau Angst haben. Geben Sie Ihrer Angst einen Namen. Machen Sie es konkret, dann werden sie bald merken, dass diese Angst nicht omnipotent ist. Weisen Sie der Angst den rechten Platz zu. Vielleicht ist es auch eine Angst aus der Kindheit? Werden Sie sich bewusst, ob Ihre Angst real werden kann oder auf einer Vorstellung beruht.

Unsere Vorstellungen können zu einem dramatischen Kinofilm werden. Seien Sie achtsam, ob Sie sich damit nicht selbst fertig machen. Unser Land braucht klare und gesunde Menschen, die für ein gesundes Miteinander und eine Kultur der Lebendigkeit vernünftig handeln.  

Bleiben Sie gesund!


­Die Autorin: Carolin Schulz ist Gesundheitsmanagerin. Für den Paritätischen Sachsen koordiniert sie die Öffentlichkeitsarbeit der Selbsthilfeakademie Sachsen und schreibt rund um Achtsamkeit und gesunde Abgrenzung.

Carolin Schulz
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Selbsthilfeakademie Sachsen
0351 - 828 71 123
carolin.schulz(at)parisax.de