Am 9. Juni 2024 sind Sachsens Bürger*innen aufgefordert, die Kommunalvertretungen in allen 418 Gemeinden sowie der zehn Kreistagen neu zu wählen. Die Besetzung dieser Institutionen wirkt sich unmittelbar auf die Situation vor Ort aus. Auch im Bestand sozialer Infrastruktur, wie beispielsweise in der Jugendhilfe oder Beratungsangeboten, kann dies Wirkung entfalten.
In diesem Jahr werden die sächsischen Bürger*innen insgesamt dreimal an die Wahlurne gebeten. Am 9. Juni kann auf der ganz großen Ebene – dem Europäischen Parlament – und ganz konkret bei sich vor Ort – in Gemeinden und den Kreistagen – mitbestimmt werden. Beides hat direkten Einfluss auf das eigene Leben. Daneben finden in 855 Gemeinden die Wahlen zum Ortschaftsrat statt.
Am konkretesten spürbar wird es für jede*n aber in der eigenen Kommune. Da reicht die Spannbreite vom Umgang mit Schlaglöchern auf den örtlichen Straßen über Aktivitäten zur Belebung des Ortskerns bis hin zum Erhalt von Angeboten für Jugendliche und der Kita im Ort. Diese und weitere Themen sowie den Umgang damit legt man den gewählten Personen für eine fünfjährige Amtsperiode in die Hand – das alles bei angespannter Haushaltslage und unterschiedlichen politischen Interessen.
Wahlberechtigt sind rund 3,3 Millionen volljährige Sächs*innen. In vielen anderen Bundesländern dürfen sich junge Menschen ab dem 16. Lebensjahr an Kommunalwahlen beteiligen. Lediglich bei der Europawahl dürfen auch in Sachsen Jugendliche ab 16 Jahren wählen gehen.
Kommunale Gremien sind ehrenamtlich besetzt
Oft vergessen wird, dass kommunale Vertretungen und die Ortschaftsräte mit ehrenamtlichen Personen besetzt werden. Hier gehen nicht Politprofis ins Rennen, die sich nach der Wahl über die Geschicke der Kommune ins Einvernehmen setzen müssen. Es sind engagierte Bürger*innen, die sich neben Beruf und Familie viele Wochenstunden für das Allgemeinwohl einbringen. Bei den Kommunalwahlen geht es also darum, die Weichen für den Umgang mit den Fragen vor der eigenen Haustür zu stellen und gleichzeitig die Mitwirkung aktiver Bürgerschaft zu stärken.
Kommunalwahlen als sozialpolitische Richtungsentscheidung
Die Zusammensetzung des jeweiligen Kommunalparlamentes wirkt sich auch darauf aus, wie die Rahmenbedingungen für die Soziale Arbeit gestaltet, finanziert und umgesetzt werden. Eine entscheidende Aufgabe der gewählten Vertreter*innen ist es, über den kommunalen Haushalt und die Verteilung der finanziellen Ressourcen zu bestimmen. Es ist zu erwarten, dass es immer wieder zu Diskussionen darüber kommen wird, ob und wie die Soziale Arbeit vor Ort bedarfsgerecht und nachhaltig umgesetzt werden kann.
„Anlassbezogen sind wir immer wieder im Gespräch mit den Vertreter*innen der kommunalen Gebietskörperschaften“, berichtet Daniel Fuchs, Bereichsleiter der Regionalgeschäftsstellen des Paritätischen Sachsen. Gleichzeitig ermutigt er soziale Dienste und Einrichtungen, den direkten Kontakt mit den Personen in den für sie zuständigen Kommunalvertretungen zu suchen: „Wir erleben es immer wieder, dass soziale Angebote dem Rotstift zum Opfer fallen, weil den Entscheidungsträger*innen deren Bedeutung für den Ort nicht bewusst ist. Dort, wo es noch nicht geschieht, sollten Kontakte zu den kommunalpolitischen Akteur*innen aufgebaut und gepflegt werden. Zum Beispiel durch Einladungen, damit das jeweilige Angebot und dessen Funktion für das Zusammenleben erlebbar wird. Insbesondere die Jugendarbeit sollte diese Möglichkeiten stärker nutzen.“
Aktiv auf Landesebene, um die Jugend in den Kommunen zu stärken
Auf Landesebene setzt sich der Verband für eine verlässliche Jugendhilfeförderung des Freistaates ein. Das Ziel ist die gesetzliche Verankerung der Förderung, um auch den Kommunen mehr Verlässlichkeit für ihr eigenes Handeln zu bieten. Carsten Schöne, Regionalleiter für die Stadt Dresden und den Landkreis Görlitz beim Paritätischen Sachsen, mahnt mit Blick auf die Förderung der Jugendarbeit durch den Freistaat: „Bei der Zuwendung der finanziellen Mittel wird ausschließlich die Anzahl der ‚Jung-Einwohner‘ als Bemessungsgrundlage genommen, nicht aber die Fläche der Regionen. Dies ist besonders fatal, wenn durch den demografischen Wandel und die Abwanderung junger Menschen die Zahlen sinken, gleichzeitig jedoch weite Strecken für die Nutzung von Freizeitangeboten überwunden werden müssen. Dies führt dazu, dass wichtige soziale Angebote in der Jugendhilfe dauerhaft unterfinanziert sind und möglicherweise bald vollständig wegfallen.“ Daher appelliert er bei den kommenden Wahlen insbesondere die Perspektive auf die jungen Menschen zu richten, die in der Kommunalpolitik oft unterrepräsentiert sind. Für die Entwicklung und Zukunftssicherung einer Gemeinde seien jedoch gerade die jüngeren Generationen wichtig.
Bedarfsorientiert durch valide Sozialplanungen
Dass die finanzielle Situation einer Kommune für die Ausgestaltung der Sozialen Arbeit eine wichtige Rolle spielt, ist nachvollziehbar. Eine Reduzierung auf fiskalische Argumente greift jedoch zu kurz. Die Bedeutung von kontinuierlicher und beteiligungsorientierter Sozial- und Jugendhilfeplanung muss gestärkt werden. Anhand dieser lassen sich tatsächliche Bedarfslagen ableiten und mögliche Prioritätensetzungen auf eine valide Basis stellen. Daher braucht es in der Kommunalpolitik Amtsträger*innen, die trotz schwieriger Haushaltslagen bedarfsorientierte Sozialpolitik ermöglichen möchten und erkannt haben, dass eine bedarfsgerechte soziale Infrastruktur in der eigenen Gebietskörperschaft zur Lebensqualität beiträgt und gleichzeitig ein positiver Standortfaktor sein kann.
Kommunalwahl bewusst nutzen – Handlungsspielräume kennen
„In diesem Wahljahr und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Debatten um unsere Demokratie sind wir als Wahlberechtigte mehr denn je gefordert, uns mit den Themen, Anliegen und Handlungsspielräumen der Parteien und Kandidat*innen zu befassen. Die Herausforderung liegt darin, sich nicht nur mit Wahlprogrammen der Parteien oder Wahlbündnisse auseinanderzusetzen. Insbesondere bei den Kommunalwahlen sollte man sich diesmal auch mit dem bisherigen Handeln der zur Wahl stehenden Personen befassen, da die jeweilige Parteizugehörigkeit meist nur eine nachgeordnete Rolle spielt, wenn es um ganz konkrete Anliegen geht. Daher ist es ratsam, im Vorfeld der Wahlen das direkte Gespräch mit den kommunalen Kandidat*innen zu suchen und nach ihren konkreten Ideen für den Ort zu fragen. Auch zur Einstellung gegenüber der sozialen Infrastruktur im Wirkungsbereich lässt sich so mehr erfahren. Dies hilft in jedem Fall, um eine fundierte Wahlentscheidung im Sinne des eigenen Wohnumfeldes zu treffen“, regt Daniel Fuchs an.
Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe März 2024 des Verbandsmagazins anspiel.