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Kooperation in der Familienhilfe: Trägerperspektiven in Einklang bringen

Symbolbild: Zwei Hände halten eine Menschenkette aus Papier gegen einen blauen Himmel.

Der Deutsche Kinderschutzbund Ortsverband Dresden e.V. (DKSB) und die OUTLAW gGmbH betreiben in Dresden gemeinsam eine Beratungsstelle. Die Kooperation war anfangs von Schwierigkeiten überschattet. Mittlerweile ist sie aber auf einem guten Weg. 

Im Jahr 1996 veränderte die Stadt Dresden mittels ihrer Jugendhilfeplanung die Zuschnitte der Angebote in der Landeshauptstadt. In einigen Stadtbezirken wurden Stellen reduziert. Andernorts war personelle Verstärkung vorgesehen. Die noch junge Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien in Pieschen (BiP) konnte sich freuen, denn das Team sollte demnach wachsen. Neu war jedoch, dass die Beratungsstelle fortan von zwei Trägern betrieben werden sollte. Der Deutsche Kinderschutzbund Ortsverband Dresden e.V. (DKSB), der das Angebot 1994 in Johannstadt gegründet hatte, musste nun nach Pieschen umziehen und mit der OUTLAW gGmbH kooperieren.

Ungleiche Voraussetzungen der beteiligten Träger

„Das war keine leichte Situation damals“, erinnert sich Heike Heubner-Christa, Geschäftsführerin des DKSB in Dresden. „Da trafen zwei unterschiedliche Trägerperspektiven aufeinander. Auf der einen Seite wir als recht kleiner und noch junger Verein und auf der anderen Seite die große OUTLAW gGmbH mit jahrelanger Erfahrung und recht klarer Unternehmenskultur.“ Diese Unterschiede erschwerten den Start der Zusammenarbeit, da es in vielen Bereichen voneinander abweichende Ansätze und Sichtweisen gab.

Ein Aspekt waren beispielsweise Fragen der Personalführung. Während der Kinderschutzbund schon allein aus Kapazitätsgründen viel Eigenverantwortung in das Beratungsteam vor Ort legte, waren die Beschäftigten von OUTLAW trotz aller Eigenständigkeit dennoch enger an die Strukturen und Entscheidungswege des Trägers angebunden. Dies führte bei praktischen Fragen der Arbeitsorganisation immer wieder zu Unklarheiten oder Absprachen brauchten teilweise länger, als es eigentlich innerhalb eines Teams mit vier Personen üblich ist.

Fachliche Entwicklungen begleiteten beide Träger immer gemeinsam, trotz unterschiedlicher Ansätze in der praktischen Umsetzung. Maßgeblich und bindend waren für beide dabei stets die Vorgaben und Anliegen des Kinderschutzes. Darauf basierend wurde eine gemeinsame Konzeption und Leistungsbeschreibung, orientiert an den Bedarfen im Stadtteil, erstellt. Reibungspunkte gab es an jenen Stellen, an denen die verschiedenen Träger ihr Leitbild und ihr äußeres Erscheinungsbild sichtbar machen wollten. Das war nicht immer einfach.

Ein Team – zwei Träger

„Das Team in der Beratungsstelle saß buchstäblich zwischen den Stühlen und fand über die Zeit eigene Lösungen, um die Arbeitsabläufe vor Ort gut umsetzen zu können. Die Anfänge der Zusammenarbeit sind aus Trägersicht kein Ruhmesblatt. Die wichtigsten Impulse für eine bessere Kooperation kamen dann tatsächlich aus dem Beratungsteam selbst“, merkt Heike Heubner-Christa selbstkritisch an.

Die Situation für die Fachkräfte vor Ort war durchaus schwierig. Sie sollten als ein Team auftreten und gleichzeitig für die Haltungen und Ansätze ihres jeweiligen Trägers stehen. Dass dies neben den fachlichen Anforderungen und Aufgaben der Beratungstätigkeit eine zusätzliche Belastung darstellt, ist nachvollziehbar. Daher fanden die Beschäftigten Mittel und Wege, wie sie das Spannungsfeld in der Praxis wenn nicht auflösen so doch wenigstens minimieren konnten. Ihre Erfahrungen und daraus resultierende Vorschläge gaben sie jeweils an ihre Träger weiter und stießen damit Veränderungen an. So fand beispielsweise die Fachberatung eine Zeit lang in wechselseitiger Zuständigkeit statt und das gesamte Team nutzte die Beratung durch einen der beiden Träger. Die Impulse aus der Belegschaft führten schließlich dazu, dass sich die Träger bei Haltungsfragen ebenfalls stärker aufeinander zu bewegten. Seit einigen Jahren treten beide Träger nun in einer vorher abgestimmten gemeinsamen fachlichen Haltung als Fachberatung auf.

„So würde eine trägerübergreifende Kooperation heutzutage nicht mehr laufen“, ist die Geschäftsführerin überzeugt. „Wir haben in den letzten dreißig Jahren viel gelernt und sind professioneller geworden. Das Team unter den beschriebenen Rahmenbedingungen auf den eigenen Lösungsweg zu schicken, ist heute undenkbar. Die Verantwortung für eine gelingende Kooperation ist immer eine Leitungsaufgabe.“

Trägerprofile und Ziele miteinander abgleichen

Bevor es überhaupt in die Umsetzung eines gemeinsamen Angebots gehen kann, müssen Trägergespräche erfolgen. Dabei sollten nicht nur praktische Fragen wie jene nach der Abrechnung oder nach administrativen Aspekten besprochen werden. Vor allem auch Haltungsfragen und fachliche Ansätze müssten dringend im Vorfeld beraten werden, meint Heike Heubner-Christa. Es müsse ein Rahmen abgesteckt werden, damit das künftig gemeinsam agierende Team in bestimmten Situationen handlungsfähig ist und nicht immer wieder aufs Neue das weitere Vorgehen diskutieren muss. Rückblickend seien beim besagten Beispiel der BiP deshalb unnötig viele Energien in solche Prozesse geflossen.

Nachdem trägerseits alles geklärt ist, kann das Team vor Ort dann die praktische Umsetzung in die Hand nehmen. Das Bewusstsein für die trägerspezifischen Unterschiede sollte jedoch auch hier vorhanden sein. In Teambesprechungen sollten diese immer wieder diskutiert und für die Betrachtung der praktischen Arbeit genutzt werden. Ergeben sich daraus Unklarheiten für die Zusammenarbeit, so ist der Träger gefordert, diese schnellstmöglich zu bereinigen.

Dem Team ausreichend Zeit geben

„Insbesondere in der Anfangsphase muss das Team ausreichend Zeit haben, um sich kennenzulernen“, betont die Geschäftsführerin. „Gerade bei langjährigen Beschäftigten, für die eine bestimmte Trägerphilosophie zur Selbstverständlichkeit geworden ist, kann die erste Zeit herausfordernd sein, da sie sich mitunter auf neue Handlungsansätze einlassen müssen. Aber auch junge und weniger erfahrene Beschäftigte benötigen eine gewisse Zeit, um sich zurecht zu finden.“

Trägerübergreifende Kooperationen können einen Kompetenzgewinn für alle Beteiligten bedeuten. Entscheidend für den Erfolg sind unter anderem die Transparenz der gegenseitigen Erwartungen, der Austausch über die jeweiligen Haltungen und Ansätze sowie die Verantwortungsübernahme für den Kooperationserfolg durch die Leitungsebene. Die Mitarbeiter*innen eines gemeinsamen Projektes oder Angebotes benötigen ausreichend Zeit zum Kennenlernen, um anschließend die praktische Arbeit gut organisieren zu können.


Seit 1996 berät und begleitet die BiP Familien im alltäglichen Miteinander. Sie bietet Einzelberatung für Kinder, Jugendliche und Eltern sowie Familienberatung an. Informationen und Kontaktdaten finden Sie auf: www.kinderschutzbund-dresden.de


Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe September 2021 unseres Verbandsmagazins anspiel. mit dem Themenschwerpunkt Kooperation. Jetzt einen Blick ins Heft werfen!