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Menschenrechte konkret: Freiheitssphäre des Einzelnen

Logo der Erklärung für eine menschenrechtsorientierte Sozial- und Bildungsarbeit in Sachsen

In der Reihe „Menschenrechte konkret“ erzählen sächsische Organisationen der Sozial- und Bildungsarbeit, was einzelne Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte für ihre Arbeit bedeuten. Heute: Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. in Leipzig zu Artikel 12 – Freiheitssphäre des Einzelnen

Diesmal sprachen wir mit Mehmet Arbag, Projektmitarbeiter „(Un)Sichtbarkeiten in der Migrationsgesellschaft“ des Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., über die Bedeutung des Artikels 12 und dessen Auswirkungen auf die praktische Arbeit des Vereins.

Welche Rolle spielt Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Ihrer Organisation, wenn Sie an Mitarbeitende oder Zielgruppen denken?

Unter der Maxime „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ gestalten wir täglich unsere Rolle als Mittler*in zwischen der Migrations- und der Mehrheitsgesellschaft. Eine offene, pluralistische Gesellschaft auf dem Boden stark verankerter Menschenrechte bildet die Basis eines erstrebenswerten Zusammenlebens. Doch leider erschweren beziehungsweise verhindern Ungleichheitsrealitäten und strukturelle Diskriminierungspraxen Menschen den Zugang zu elementaren Rechten. Mit unseren Kenntnissen und Erfahrungen engagieren wir uns für die Grund- und Menschenrechte aller hier lebenden Familien und Paare, egal welcher Herkunft, sexuellen Orientierung oder Religion und halten an der Unveräußerlichkeit dieser Rechte fest.

Wir arbeiten seit 1972 als Interessenvertretung an der Schnittstelle von Familien-, Migrations- und Bildungspolitik. Zu unseren Aufgaben gehören Migrationsberatungen, die Unterstützung von Migrant*innenorganisationen, Weiterbildungsangebote, diversitätssensible Coachings sowie rassismus- und diskriminierungskritische Projektarbeiten.

Wir sehen die Achtung der Freiheits- und Privatsphäre aller Menschen als Bezugspunkt unseres täglichen Engagements. Sowohl in unseren internen Strukturen als auch in der Zusammenarbeit mit und für benachteiligte Menschen setzten wir uns für ihre Freiheiten und Unverletzlichkeiten ein.

Worin sehen Sie die größten gesellschaftlichen Herausforderungen in Bezug auf Artikel 12?

Menschen, die zu uns in die Beratung kommen, müssen sich Zugänge zur gesellschaftlichen Teilhabe oft erkämpfen. Gleichzeitig erleben sie diskriminierende Behandlungen von unterschiedlichen gesellschaftlichen Seiten und haben Schwierigkeiten, ihre eigenen Rechte wahrzunehmen. Wir versuchen sie zu unterstützen und begegnen einander wertschätzend und ebenbürtig. Vertrauensvolles Zusammenarbeiten bildet dabei die Grundvoraussetzung. Das bauen wir auf, indem wir unseren Klient*innen zuallererst versichern, sensibel mit ihren Belangen, Informationen und Daten umzugehen.

Als großes gesellschaftliches Problem in Bezug auf Artikel 12 sehen wir die entmenschlichenden Diskurse über Geflüchtete und Menschen mit Zuwanderungsgeschichten. Durch rassistische Aussagen werden schutzbedürftige Menschen zu Menschen zweiter Klasse gemacht. Der Ruf dieser Menschen wird in gesellschaftlichen Diskursen mit negativen Konnotationen befleckt, so dass der Anschein entsteht, diese Menschen hätten nicht die gleichen Rechte verdient. Rassistische Denk- und Sprachakte vervielfältigen sich in Zeiten digitalisierter Kommunikationswege und nehmen ihre Wege durch das Netz ins reale Leben. Rassistische Diffamierung und Ächtung einzelner Menschen im Netz (hatespeech) führt bei unzureichendem Daten- und Privatsphärenschutz zu gefährlichen Polarisierungen und Radikalisierungen, die wiederum im gesamtgesellschaftlichen Kontext in Diskriminierungen und Gewalt münden.

Welche Lösungen für diese Herausforderungen sehen Sie?

Jeder Mensch sollte aufgrund seines Menschseins den Schutz der eigenen Freiheits- und Privatsphäre gewährleistet bekommen. In einer Einwanderungsgesellschaft, die von diversen Gestaltungsformen der Lebensbereiche der einzelnen geprägt ist, muss die Diversität anerkannt und geschützt werden. Dies beginnt mit der Achtung unterschiedlicher Identitäten, Integritäten, Intimitäten, Interaktionen und Sexualitäten.

Es ist uns als Verband wichtig, Vielfalt und Diversität vorzuleben, um zu zeigen, dass unterschiedliche Lebensformen eine gleichwertige Daseinsberechtigung haben. Als Team, bestehend aus Menschen mit vielfältigen Erfahrungen und gesellschaftlichen Positionierungen, unterstützen wir uns in allen Belangen gegenseitig. Wir lernen gemeinsam voneinander und alle haben Freiräume, um sich weiterzuentwickeln und das eigene Ich zu stärken. Zeitgleich schätzen und schützen wir die Privatsphäre des Gegenübers.

Was tun Sie in Ihrer Arbeit dafür, dem Artikel 12 gerecht zu werden?

Wir versuchen, rassistische Diskriminierungen in der Gesellschaft abzubauen, indem wir rassismuskritisches Sprechen und Handeln zu einem Leitthema unserer Arbeit machen, um so die daraus resultierenden Ungleichbehandlungen gegenüber marginalisierter Menschen und Familien und willkürlichen Eingriffen in ihre Freiheits- und Privatsphäre den Nährboden zu entziehen.


Allgemeine Erklärung der Menschenrechte - Artikel 12

"Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden. Jeder hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen."

Lesen Sie mehr über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auf www.institut-fuer-menschenrechte.de


Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. ist eine von rund 200 Organisationen, die sich der Erklärung für eine menschenrechtsorientierte Sozial- und Bildungsarbeit in Sachsen angeschlossen haben.

Ihre Organisation möchte die Erklärung ebenfalls unterzeichnen?

Senden Sie eine E-Mail an nicole.boerner(at)parisax.de oder rufen Sie an unter 0351/ 828 71 152.


Alle bereits erschienen Interviews der Reihe können Sie hier lesen.