In der Reihe „Menschenrechte konkret“ erzählen sächsische Organisationen der Sozial- und Bildungsarbeit, was einzelne Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte für ihre Arbeit bedeuten. Heute: Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Queeres Netzwerk Sachsen e.V. zu Artikel 16 - Recht auf Eheschließung und Familie.
Diesmal sprachen wir mit Britta Borrego, geschäftsleitende Bildungsreferentin der LAG Queeres Netzwerk Sachsen e.V., über die Bedeutung des Artikels 16 und dessen Auswirkungen auf die praktische Arbeit des Dachverbandes.
Welche Rolle spielt Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Ihrer Organisation, wenn Sie an Mitarbeitende oder Zielgruppen denken?
Für uns war die Öffnung der „Ehe für Alle“ kein gleichstellungspolitischer Meilenstein. Wir sehen darin aufgrund der parteipolitisch hart umkämpften und auf „Bauchgefühle“ der Kanzlerin bezogenen Kontextualisierung die unnötig lang verschleppte, längst überfällig gewesene Gleichstellung homosexueller und heterosexueller Ehepartnerschaften. Die Funktion der Ehe als eine auf Dauer angelegte Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft trifft aber für lesbische, schwule und heterosexuelle Paarkonstellationen gleichermaßen zu. Warum musste auf dem Rücken gleichgeschlechtlicher Paare in öffentlichen Debatten abgewogen werden, sie nicht mehr länger als Menschen zweiter Klasse zu behandeln? Dass sie die gesellschaftliche Realität anerkannt hat, kann man Angela Merkel bei ihrem Beschluss, die Abstimmung im Bundestag am 30. Juni 2017 ohne Fraktionszwang durchzuführen, zugutehalten.
Worin sehen Sie die größten gesellschaftlichen Herausforderungen in Bezug auf diese Aspekte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte?
Die Realisierung eines oftmals mit der Ehe verbundenen Kinderwunsches ist bei Regenbogenfamilien hierzulande erschwert. Bei lesbischen Ehepartner*innen muss die nicht-biologische Mutter ihr eigenes Kind adoptieren (Stiefkindadoption) wenn sie die rechtliche Vormundschaft erlangen will. Sie ist nicht automatisch auch „Mutter“. Dieser Prozess wird oftmals als entwürdigend angesehen und kann lange dauern. Auch ist lesbischen Partner*innen der Zugang zu Maßnahmen der assistierten Reproduktion in Deutschland nicht überall gesichert zugänglich. Darüber hinaus sind Väter- und Mütterpaare als Adoptiveltern noch lange nicht in allen Kommunen willkommen. Hinzu kommt eine große Problematik bei Trans*Elternschaften, die öffentlich überhaupt nicht wahrgenommen wird..
Welche Lösungen für diese Herausforderungen sehen Sie?
Die endgültige Anpassung des Abstammungsrechtes gemäß der herrschenden realen Familienvielfalt und ihrer Bedarfe. Reformempfehlungen des Abstammungsrechtes liegen seitens eines Arbeitskreises im BMJV bereits seit 2017 vor.
Was tun Sie in Ihrer Arbeit dafür, um Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gerecht zu werden?
Die LAG Queeres Netzwerk Sachsen setzt sich mit ihren Mitgliedern für die gleichberechtigte Teilhabe von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Menschen (LSBTTIQ*) in Sachsen ein. Dies gilt für alle Lebensalter und alle gesellschaftlichen Bereiche, in denen gleichberechtigte Teilhabe, Sichtbarkeit, Chancengleichheit, Diskriminierungsfreiheit und Lebensqualität herrschen müssen. Wir bringen die Bedarfe unserer Mitglieder und damit auch der LSBTTIQ*-Communities vor Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft vor, informieren und sensibilisieren zu Lebenswirklichkeiten und arbeiten an einer gesamtsächsischen Vernetzung für LSBTTIQ*.
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte - Artikel 14
- Volljährige Menschen haben ohne Beschränkung auf Grund von rassistischen Zuschreibungen, der Staatsangehörigkeit oder der Religion das Recht zu heiraten und eine Familie zu gründen. Sie haben bei der Eheschließung, während der Ehe und bei deren Auflösung gleiche Rechte.
- Eine Ehe darf nur bei freier und uneingeschränkter Willenseinigung der künftigen Ehegatten geschlossen werden.
- Die Familie ist die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat.
Lesen Sie mehr über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auf www.institut-fuer-menschenrechte.de
Die LAG Queeres Netzwerk Sachsen e.V. ist eine von rund 200 Organisationen, die sich der Erklärung für eine menschenrechtsorientierte Sozial- und Bildungsarbeit in Sachsen angeschlossen haben.
Ihre Organisation möchte die Erklärung ebenfalls unterzeichnen?
Senden Sie eine E-Mail an nicole.boerner(at)parisax.de oder rufen Sie an unter 0351/ 828 71 152.