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Menschenrechte konkret: Recht auf kulturelle Teilhabe

Logo der Erklärung für eine menschenrechtsorientierte Sozial- und Bildungsarbeit in Sachsen

In der Reihe „Menschenrechte konkret“ erzählen sächsische Organisationen der Sozial- und Bildungsarbeit, was einzelne Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte für ihre Arbeit bedeuten. Heute: Der Kinderschutzbund Ortsverband Dresden  zu Artikel 27 - „Recht auf kulturelle Teilhabe“

Diesmal sprachen wir mit Peggy Györkös, Fachberatung im Projekt des Deutschen Kinderschutzbundes Ortsverband Dresden e.V., über die Bedeutung des Artikels 27 und dessen Auswirkungen auf die praktische Arbeit des Vereins.

Welche Rolle spielt Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Ihrer Organisation, wenn Sie an Mitarbeitende oder Zielgruppen denken?

Artikel 27 bezieht sich auf jeden Menschen und seine Rechte auf kulturelles Leben. Hier sehen wir als Kinderschutzbund in unserer täglichen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien großen Nachholbedarf. Von einer Chancengleichheit für alle Kinder sind wir noch weit entfernt. Vielen Kindern ist der Zugang zu kultureller Teilhabe verwehrt. Schon frühzeitig sind Kinder von kultureller Bildung ausgeschlossen, wenn ihre Eltern nicht über ausreichende Mittel zur Teilhabe verfügen. Ziel unserer Arbeit ist es daher, Hürden zu senken und jedem zu uns kommenden Kind die umfassende Teilhabe im Sinne der Menschenrechte zu ermöglichen. Nicht zuletzt deshalb sind die Menschenrechte und die Kinderrechte, wie sie in der UN-Kinderrechtskonvention formuliert sind, auch ein zentraler Leitfaden für uns als Träger und das gesamte Team.

Worin sehen Sie die größten gesellschaftlichen Herausforderungen hinsichtlich des Artikels 27?

Kultur in ihren vielfältigen Formen und als Mittel, die Welt zu erfahren, zu entdecken oder sich selbst einzubringen, kann nur wirksam werden, wenn sie ebenso vielfältig wahrgenommen werden kann. Kulturelle Teilhabe ist mehr als die bloße Teilnahme. Um Kulturformate als identitätsstiftende Erfahrungen erleben zu können, braucht es einen wiederholten, inklusiven, diskursiven, vermittelnden und anregenden Kontakt damit. Dieser muss gesellschaftlich gewollt sein und erfordert die notwendigen Mittel. Ein Ausschluss davon hat Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und beeinträchtigt sie nachhaltig. Das zu verhindern, muss ein gesellschaftliches Anliegen sein, um allen Kindern und Jugendlichen eine Entwicklung von kulturellen Fähigkeiten zu ermöglichen.

Welche Lösungen für diese Herausforderungen sehen Sie?

Insbesondere für Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien braucht es von Beginn an bedingungslose und unkomplizierte Zugangsmöglichkeiten zu kulturellen Erfahrungen und kultureller Teilhabe. Die Mittel im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaktes sind völlig unzureichend und verschärfen geradezu ein Bewusstsein für den persönlichen Ausschluss von Kulturangeboten. Unabhängig persönlicher Verhältnisse, finanzieller Möglichkeiten und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen müssen Menschen entsprechend ihrer Fähigkeiten und Interessen Zugang zum vorhandenen vielfältigen Kulturleben erhalten, d.h. kostenfreien Zugang zu kulturellen Bildungsangeboten wie Musikkursen, Bereitstellung von Instrumenten oder bspw. Mitgliedschaften in Kunst- und Sportgruppen.

Der Zugang allein reicht jedoch nicht aus. Kinder und Jugendliche aus Familien mit wenig Kulturerfahrungen bzw. generationsübergreifenden Ausschlusserfahrungen brauchen Kulturbegleiter*innen, die ihnen den Zugang zu Kulturerlebnissen ermöglichen und Unsicherheit, Angst oder Scham nehmen, wenn ihre Eltern mangels eigener Kulturerfahrungen in ihrer Sozialisation selbst Unterstützung benötigen, um ihren Kindern diese Welt zu eröffnen. Dies erfordert eine gewisse Sensibilität bei Bezugspersonen in Familie, Kita, Schule und Freizeit.

Was tun Sie in Ihrer Arbeit dafür, dem Artikel 27 gerecht zu werden?

In unseren Kitas, den Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit, der ambulanten und stationären Jugendhilfe können wir dank der Unterstützung durch Spender*innen und Sponsor*innen Erlebnisse und kulturelle Höhepunkte für Kinder und Jugendliche ermöglichen und mit ihnen erleben. Insbesondere in den Ferien bieten wir Kindern und Jugendlichen unabhängig ihrer Lebenssituationen Ausflüge in Museen oder an andere Kulturorte an.

Den Ausschluss von Angeboten wie Instrumentalunterricht, Tanz-, Kunst- oder Theatervereinen können wir dadurch nicht kompensieren, auch der Besuch von hochpreisigen Kulturveranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen ist uns nicht möglich. Aber wir achten bei all unseren Angeboten, Projekten und Ausflügen auf konsequente Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendlichen. Egal, was wir anbieten – bei uns wird niemand ausgeschlossen, weil er oder sie beispielsweise arm oder der Aufenthaltsstatus ungeklärt ist.


Allgemeine Erklärung der Menschenrechte - Artikel 27

  1. Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.
  2. Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.

Lesen Sie mehr über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auf www.institut-fuer-menschenrechte.de


Der Deutsche Kinderschutzbund Ortsverband Dresden e.V.  ist eine von rund 200 Organisationen, die sich der Erklärung für eine menschenrechtsorientierte Sozial- und Bildungsarbeit in Sachsen angeschlossen haben.

Ihre Organisation möchte die Erklärung ebenfalls unterzeichnen?

Senden Sie eine E-Mail an nicole.boerner(at)parisax.de oder rufen Sie an unter 0351/ 828 71 152.


Alle bereits erschienen Interviews der Reihe können Sie hier lesen.