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Minderjährige Freiwillige: Mut haben und Chancen bieten

Ein Jugendlicher mit blondem Haar steht vor der Kita "Kleiner Moritz" in Moritzburg in der er seinen Freiwilligendienst (FSJ) macht.

Karl machte sein FSJ in der Kita "Kleiner Moritz" in Moritzburg. (Foto: Robert Strehler)

In den letzten Jahren hat die Zahl der minderjährigen Interessent(inn)en für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) zugenommen. Doch reagieren Einsatzstellen oft zurückhaltend, wenn Freiwillige unter 18 Jahren zum Einsatz kommen sollen. Insbesondere den 15-jährigen Jugendlichen ist dies eine Barriere auf dem weiteren Lebensweg.

„Im aktuellen Jahrgang des FSJ ist rund ein Drittel der Freiwilligen unter 18 Jahre. Im FSJ ‚Chance‘ liegt der Anteil sogar bei 85 Prozent“, berichtet Pia Klimt, Referentin bei der Paritätische Freiwilligendienste Sachsen gGmbH. Der Trend hin zu immer mehr minderjährigen Bewerber*innen sei bereits seit vier Jahren erkennbar. „Die volljährigen Abiturientinnen und Abiturienten zieht es eher ins Ausland, sie steigen auf direktem Weg in eine Berufsausbildung oder ein Studium ein. Minderjährige Jugendliche entscheiden sich dagegen eher für Inlandsfreiwilligendienste. Gerade jene mit Hauptschulabschluss kommen oft schon mit 15 Jahren zu uns. Sie sehen in einem Freiwilligendienst eine sinnvolle Aufgabe oder Orientierungshilfe und außerdem stehen Ausbildungsstellen den Teenagern nicht nur wegen des Schulabschlusses, sondern ebenso wegen ihres Alters zurückhaltend gegenüber. Das Alter scheint hier wie eine Barriere zu wirken“, erläutert sie.

Zahl minderjähriger Freiwilliger nimmt zu

Doch die Vorbehalte der Einsatzstellen sind ebenfalls breit gefächert. So gibt es rechtliche Bedenken und Befürchtungen hinsichtlich eines Mehraufwands - angefangen bei der Aufsichtspflicht für die Minderjährigen bis hin zu besonderen Vorgaben, die mit der Einhaltung des Jugendarbeitsschutzgesetzes auf die Einrichtungen zukommen. Oft wird den 15-Jährigen auch mangelnde Reife unterstellt und infolgedessen treten Sorgen hinsichtlich eines höheren Betreuungsaufwandes zu Tage.

Meike König, Leiterin der Kita ‚Kleiner Moritz‘ in Moritzburg, kennt die Zurückhaltung anderer Einsatzstellen. In Gesprächen auf Einsatzstellenkonferenzen oder im Austausch mit anderen Einrichtungen begegneten ihr immer wieder die genannten Vorbehalte. „Als wir vom Paritätischen gefragt wurden, ob wir mit einem 15-Jährigen Freiwilligen arbeiten würden, haben wir im Team darüber gesprochen. Wir stellten uns Fragen wie: Ein junger Mann mitten in der Pubertät - kann das klappen? Wird er die richtige Ebene im Umgang mit den Kindern finden? Recht schnell entschieden wir uns aber dafür, es zu versuchen, weil wir Freiwillige generell als Bereicherung empfinden“, berichtet die Kita-Leiterin.

Anleitung auf Bedarfe abstimmen

In der Kita hatten bereits mehrfach erwachsene Freiwillige mitgearbeitet. Letztendlich sei die Anleitung das A und O für einen gelingenden Freiwilligendienst, ist Meike König überzeugt. Da die Situation für die Einrichtung ebenfalls neu war, suchte man ein Teammitglied aus, das sich durch einen geschärften Blick für eventuell auftretende besondere Bedarfe auszeichnet und diesen auch in anstrengenden Situationen gerecht werden kann. Die Wahl fiel auf eine ausgebildete Integrationserzieherin.

Neben dem bewussten Blick ins methodische Portfolio betont die Kita-Leiterin einen weiteren Aspekt: „Wir sind Karl, unserem minderjährigen Freiwilligen, vom ersten Tag an auf Augenhöhe begegnet. Das ist aus meiner Sicht ganz entscheidend. Unsere Freiwilligen sind immer feste Mitglieder des Teams, denen über die Zeit zunehmend mehr Verantwortung übertragen wird. Da haben wir bei Karl keine Ausnahme gemacht.“ Diese Kultur des Miteinanders sei grundsätzlich ein Schlüssel zur erfolgreichen Teamarbeit, motiviere alle Beteiligten zu vollem Einsatz und Spaß an der Arbeit. Insbesondere an stressreichen Tagen käme diese Einstellung besonders zum Tragen. Da müsse man alle beteiligen, egal ob Hauptamtliche, Freiwillige oder Praktikant*innen.

Neben der Unterstützung des Alltagsgeschäfts bringen Freiwillige Fähigkeiten mit, dank derer sich die Teamkompetenzen erweitern lassen. Hier können sich Teenager auf ihre ganz eigene Art einbringen. Obwohl ihre Lebensphase von wechselnden Vorlieben geprägt sein mag, kann sie gleichzeitig das zielstrebige Verfolgen eines bestimmten Interesses oder einer Fähigkeit befördern. Diese spezifische Stärke, die der jeweilige Freiwillige mitbringt, zu erkennen und als Zusatznutzen in der Einsatzstelle einzubauen, ermöglicht allen Beteiligten einen Gewinn.

Erst kennenlernen und dann entscheiden

„Möglichkeiten erkennt man nur im persönlichen Austausch. Deshalb werben wir im FSJ ‚Chance‘ immer dafür, Jugendliche altersunabhängig in einer fünftägigen Probearbeitswoche kennenzulernen. So lässt sich am besten ermessen, ob eine Bewerberin oder ein Bewerber in eine Einsatzstelle passt. Zudem kann die Einsatzstelle dann besser abschätzen, wie sie die Anleitung für die betreffende Person gestalten könnte“, ermutigt Pia Klimt. Immer wieder hätten sich Einsatzstellen trotz anfänglicher Skepsis nach dem Probearbeiten für die Freiwilligen entschieden und meist gute Erfahrungen gemacht.

Darüber hinaus werden Einsatzstellen nicht alleingelassen, sollte es doch mal schwierig werden. So bietet das FSJ ‚Chance‘ ihnen und den Freiwilligen eine im Vergleich zu anderen Freiwilligendienstformaten noch engmaschigere Begleitung an. Durch den häufigen Kontakt mit den beiden Referentinnen der Paritätischen Freiwilligendienste können auch diese schneller eventuelle Hürden erkennen. Des Weiteren erhalten die Freiwilligen Hilfe bei der Berufsorientierung, dem Verfassen von Bewerbungen, Beratung bei persönlichen Fragestellungen sowie gegebenenfalls eine Vermittlung und Begleitung in weiterführende Hilfesysteme. Pia Klimt betont: „Die Einsatzstelle ist mit den Freiwilligen nicht alleine, wenn es um die prägenden Fragen dieser Lebensphase geht. Überdies besuchen wir im FSJ ‚Chance‘ die Einsatzstellen mehrfach vor Ort und setzen auf den persönlichen Kontakt mit den Anleitenden.“

Mehr Informationen zum FSJ 'Chance' finden Sie auf der Website der Paritätische Freiwilligendienste gGmbH: www.freiwillig-jetzt.de


Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 2.2017 des Verbandsmagazins anspiel.