Lebenslanges Lernen und Weiterbildung gelten als unumgänglich. Und doch ist die Motivation, sich weiterzubilden, äußerst verschieden ausgeprägt. Ein Problem der Arbeitnehmenden? Nein, denn bildungswillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten durch eine gelebte Lernkultur gefördert werden.
Juliane Röder, Referentin für Weiterbildung der parikom GmbH, blättert durch die Evaluation der letzten Seminare. „Nicht selten steht bei den Gründen für die Teilnahme ‚vom Arbeitgeber geschickt‘. Das klingt leider nach Zwang und wenig nach eigener Motivation“, sagt sie und verweist auf einen anderen Eintrag: „Aber auch das gibt es: Jemand schreibt, er empfinde das Thema der Weiterbildung als wertvoll für die eigene berufliche Entwicklung und denkt, es auf Arbeit gut einbringen zu können“. Zwei Antworten aus derselben Weiterbildung und doch so verschieden. Wie kommt das?
Die Referentin ist sich sicher, dass diese unterschiedlichen Einstellungen einesteils vom Charakter der Teilnehmenden, aber zum großen Teil auch von der Lernkultur in den Unternehmen geprägt werden. Gespräche mit Personen aus verschiedensten Tätigkeitsfeldern, die Weiterbildungen beim Paritätischen Sachsen besucht haben, sowie diverse Untersuchungen bestätigen diese Annahme.
Technische Neuerungen, gesetzliche Änderungen und tätigkeitsrelevante Erkenntnisse machen die Notwendigkeit lebenslangen Lernens deutlich. Laut einer Untersuchung der Vodafone-Stiftung ist der Mehrheit aller Beschäftigten bewusst, dass im Laufe des Berufslebens immer wieder neues Wissen erworben werden muss. Rund 80 Prozent befürchten sogar Nachteile, wenn sie sich nicht weiterbilden. Gleichzeitig gibt es Unternehmen, die zeitliche Ressourcen, anfallende Kosten oder den nicht erkennbaren Nutzen als Argumente gegen Weiterbildungen anführen. Am Ende gehe es auch irgendwie ohne, so einige der Meinungen.
Eine positive Lernkultur im Unternehmen
Eine positive Lernkultur muss jedoch fester Bestandteil der Unternehmenskultur sein, damit sie die Mitarbeitenden motiviert, sich beständig weiterzuentwickeln und neue Perspektiven einzunehmen. Zentrale Frage dabei ist: Wie kann die berufliche Handlungskompetenz der Beschäftigten gefördert werden?
Weiterbildungen sind hier ein wichtiger Bestandteil des Kanons an Maßnahmen und Rahmenbedingungen. Das Zusammenspiel formellen und informellen Lernens ist dabei entscheidend. So gehört es ebenso zur lernfördernden Unternehmenskultur, der Belegschaft genügend Raum für Reflexion und Dialog bereitzustellen. Unternehmensinterne Abläufe, der Umgang mit externen Partnern oder die Dynamik im Team können damit eine sinnvolle Gestaltung aus sich heraus erfahren. Insbesondere multiprofessionelle, generationsübergreifende oder interkulturelle Teams sind hier im Vorteil. Dessen ungeachtet müssen der Nutzen und die Perspektive für den einzelnen Beschäftigten und dessen jeweilige Tätigkeit immer deutlich werden. Gleiches gilt für Weiterbildungen.
Setzt man diese oder ähnliche Maßnahmen um, steigt nicht nur die Lernmotivation, sondern langfristig auch die Zufriedenheit in der Mitarbeiterschaft. In den meisten Fällen schlägt sich dies unmittelbar in einem größeren Maß an Loyalität und Leistungsbereitschaft nieder – ein durchaus gewinnbringender Kreislauf.
Weiterbildung und berufliche Entwicklung gehen Hand in Hand. Deshalb ist die unternehmensinterne Lernkultur für Nachwuchsfachkräfte bei der Wahl des Arbeitgebers zunehmend von Bedeutung. Einer Studie der Deutschen Universität für Weiterbildung zufolge spielt der Umgang eines Arbeitgebers mit der Weiterbildungsfrage für rund 60 Prozent der jungen und gut ausgebildeten Fachkräfte eine entscheidende Rolle. Die Nachwuchskräfte wollen Perspektiven mit entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten.
Im Klartext: Unternehmen werden an der Qualität ihres Weiterbildungskonzeptes und ihrer Personalentwicklungsmaßnahmen gemessen. Berufliche Weiterbildung ist ein wichtiges Instrument der Personalentwicklung und wirkt sich positiv auf die Mitarbeiterbindung, das Recruiting sowie das Arbeitgeberimage aus.
Führungskräften obliegt eine wesentliche Verantwortung beim Aufbau einer lernförderlichen Unternehmenskultur. Sie müssen einerseits lernbezogene Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen vorleben. Anderseits sollen sie die Mitarbeitenden bei ihrer beruflichen Entwicklung gezielt unterstützen.
Die Führungskraft als Partner im Bildungsprozess
Vermehrt wird von einem Rollenwandel der Führungskraft hin zum Lern-Coach gesprochen. So sollten Führungspersonen die Beschäftigten aktiv in ihren Lernprozessen begleiten und vor allem informelle Bildung am Arbeitsplatz anregen und unterstützen. Zudem geht es darum, sich über mögliche Lernziele zu verständigen, Freiräume und Lernzeiten anzubieten sowie Übungsmöglichkeiten für das Erlernte zu schaffen.
Erfolgreiches Lernen braucht jedoch das gesamte Team: Führungskräfte, die zur Weiterentwicklung ermuntern. Kolleg(inn)en, die unterstützend zur Seite stehen und sich gegenseitig den Rücken freihalten. Vertragliche Regelungen, die das Recht auf Weiterbildung absichern. Und lernorientierte Arbeitszeitregelungen und Anreizsysteme. Schafft ein Unternehmen derartige Bedingungen, können die Mitarbeitenden optimistisch auf Veränderungen blicken und ihre Handlungskompetenzen ständig verbessern.
„Wenn der Besuch von einzelnen Seminaren eine sinnvolle und willkommene Ergänzung zum Lernen im Unternehmen wird, ist schon viel gewonnen. Unser Weiterbildungsangebot verstehen wir daher stets als Stütze, die berufliche Handlungskompetenz unserer Teilnehmenden zu stärken“, sagt Juliane Röder und wendet sich wieder den Evaluationsbögen zu, um ihrerseits Anregungen zu erhalten, wie das Seminarangebot weiterentwickelt werden kann.
Der Artikel ist zuerst in der Ausgabe 1/2017 des Verbandsmagazins anspiel. erschienen.