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Mit Werten führen - eine persönliche Betrachtung

Michael Richter, Landesgeschäftsführer Paritätischer Sachsen

Im Frühjahr 2015 startete der Paritätische seinen Wertedialog und veranstaltete deutschlandweit mehrere Dialogforen. Michael Richter erachtet Dankbarkeit, Demut und Mut als wichtige Elemente seiner Arbeit als Landesgeschäftsführer des Paritätischen Sachsen. Nachfolgend lesen Sie seine persönliche Sicht auf das Thema 'wertvoll Führen'.

Ich bin seit 16 Jahren im Sozialbereich tätig. Ein Zeitraum in dem tiefgreifende Veränderungen auf uns zu kamen: Digitalisierung, Globalisierung, demografischer Wandel, weltumgreifende Vernetzung und die Internationalisierung menschlicher Kommunikation, um nur einige zu nennen. Unternehmen und Organisationen müssen darauf mit wachsender Veränderungsbereitschaft reagieren.

Wenn die ständige Veränderung zur Konstante wird, sind klare Werte ein wichtiges Fundament für das Handeln der Organisation selbst. Hinzu kommt die verlässliche Zusammenarbeit gut ausgebildeter und motivierter Menschen. Führungskräfte haben hierbei naturgemäß eine Schlüsselrolle.

Ich fasse den Begriff der Führungskraft recht weit, da mir dies gerade für den Bereich der sozialen Arbeit angebracht erscheint. Führungskräfte sind für mich Personen, die in Organisationen und für ihre Aufgaben selbständig Verantwortung übernehmen. Nach meiner sehr weiten Definition ist somit auch eine größere Gruppe an Mitarbeitenden angesprochen, wenn es um die Frage der Führung mit Werten geht. Es reicht nicht, wenn sich die Geschäftsführerin, der Bereichsleiter oder die Vorstandsvorsitzende Gedanken darüber machen.

Auch in der Krise die Werte leben

Dass wir in unseren Organisationen ein Leitbild benötigen, wissen wir schon seit vielen Jahren. Das ergibt sich nicht zuletzt aus der Notwendigkeit eines Qualitätsmanagementsystems. In diese Leitbilder schreiben wir dann vieles, was uns ausmacht, was uns wichtig ist. Auch Werte, die die Zusammenarbeit prägen sollen, werden festgeschrieben. Das ist gut und richtig. Und in guten Zeiten auch nicht weiter schwierig. Die Prüfung dessen kommt jedoch in der Krise. Wie verhalten wir uns als Führungskräfte, wenn starke Gefühle ins Spiel kommen? Wenn wir verärgert, gedemütigt oder enttäuscht werden? Wenn das Verhalten eines Mitarbeitenden oder Geschäftspartners in uns Beklemmung und Angst oder gar Ekel und Hass auslösen? Der Druck kann dabei auch gesellschaftlich bedingt sein und von außen auf uns und unsere Organisation wirken.

So bringt die aktuelle Flüchtlingsbewegung in erschreckendem Maße unseren orientierungslosen Materialismus und auch eine moralische Verrohung gnadenlos zu Tage. Die Gesellschaft politisiert sich radikal auf scheinbar neue Weise und spaltet sich in „besorgte Bürger“ und „Gutmenschen“. Beide Seiten – und da nehme ich mich nicht aus – vertreten die Richtigkeit ihrer Weltanschauung mit geradezu religiöser Überzeugung. Es stoßen scheinbar unüberbrückbare Haltungen und Werte aufeinander - seit dem Herbst 2014 zunächst in „Pegida“ und „No-Pegida“ auf der Straße und zunehmend mit der AfD auch in den Parlamenten.

Erst den Mensch sehen und dann die Taten

Meine langjährige Arbeit mit jugendlichen Straftätern hat mir eine wichtige Lektion erteilt. Auch die meisten als Körperverletzer, Räuber oder Totschläger verurteilten und eingesperrten Jugendlichen sind eben doch immer vor allem Jugendliche. Sie haben die gleichen Träume und Ziele für das Leben wie andere Gleichaltrige auch. Ich musste lernen, dass ich nicht den Menschen nach seinen Taten beurteilen darf, wenn ich eine Arbeitsebene aufbauen möchte. So war die Devise: Null Prozent Toleranz für die Straftaten, aber hundert Prozent Wertschätzung für den Menschen.

In der aktuellen Krise bin ich herausgefordert, ob es mir gelingt, diese professionelle sozialarbeiterische Haltung nicht nur während der Arbeitszeit gegenüber „Klienten“, sondern rund um die Uhr gegenüber Politikern oder Nachbarn einzunehmen, die eine völlig andere Haltung vertreten als ich. Wenn das mit Totschlägern gelingt, sollte es dann nicht auch mit unseren Mitmenschen im Umfeld klappen?

Das kann sicher gelingen, aber wir müssen auf ein festes Wertefundament zurückgreifen können, das uns und – übertragen auf die Führungskraft – auch den Menschen in unserer Organisation Halt und Orientierung gibt. Werte, die im Krisenfall unmittelbar und routiniert zur Verfügung stehen. Damit dies gelingt, müssen wir uns nicht nur Gedanken machen, welche Werte dies sein können, sondern auch über die Situationen, die zur Krise führen. Dann können wir die Erschütterung rechtzeitig bemerken und agieren.

Erfolg als Produkt gemeinsamen Wirkens

Ich habe mir in den Jahren, meist unfreiwillig, Gedanken über meine Krisen und meine Werte gemacht, weiß aber, dass ich in beiden Bereichen noch ganz viel zu lernen habe. Ich möchte beispielhaft zwei Aspekte nennen, die mir in Führungsverantwortung immer wieder begegnen:

Eine Führungskraft wird in den seltensten Fällen nur durch eigene Leistungen und Anstrengungen erfolgreich sein. Sie ist fast immer auf Teamarbeit, auf das aktive Mitdenken und die wohlwollende Gunst vieler Partner angewiesen. Verliert sie das aus dem Blick, stellt sich schnell Hochmut ein. Hohe Arbeitsbelastung und Termindichte führen allerdings regelmäßig wieder zu Nachlässigkeiten und Ungenauigkeiten und dadurch wiederum zu beruflichen Misserfolgen - „auf den Hochmut folgt der Fall“!

Solchen Wellen von Erfolg und Misserfolg möchte ich mit einer Haltung der „Dankbarkeit“ begegnen. Diese soll mich davor bewahren, Erfolge als meinen eigenen Verdienst umzudeuten und in schweren Zeiten den Blick auf die Verhältnismäßigkeit richten.

Der zweite Wert, die zweite Haltung, ist „Demut“. Diese geht in der Krise noch einen Schritt weiter als die Dankbarkeit. Demut macht es mir möglich, meine eigene Verantwortung an einem Scheitern offenzulegen und anzunehmen – so bleibe ich kritikfähig, bin offen für Impulse und kann neue Perspektiven einnehmen.

Nun können Sie zurecht einwenden: „Dankbarkeit, Demut – für eine Führungskraft ist das aber eine sehr gebeugte Haltung.“ Deshalb leite ich aus dem starken Wert der „De-mut“ den „Mut“ ab. Mit dem Mut nehme ich wieder eine aufrechte Haltung ein. In der Krise möchte ich als Führungskraft derjenige sein, der bereit ist, Initiative und Wort zu ergreifen, der Missstände unverzagt anspricht und Probleme lösen möchte statt sie zu verschleiern.

Dankbarkeit, Demut und Mut - diese drei Werte sind aus meiner Sicht zentral, um als Führungskraft klare Entscheidungen zu treffen und gleichzeitig in der Lage zu sein, Kurskorrekturen vorzunehmen.

Die Abschlussveranstaltung zum Wertedialog im Paritätischen findet am 14. April 2016 in Berlin statt. Nähere Informationen zum Wertedialog und den damit verbundenen Dialogforen lesen Sie auf www.werte.paritaet.org

 

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