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Mitarbeitende binden: Eigenverantwortung gewinnt

Eine Pflegekraft im Gespräch mit älteren Damen. (Foto: ASB Zwickau/ Blechloff)

Die Aufgabendichte in der Pflege ist hoch. Umso bedeutsamer sind funktionierende Arbeitsabläufe und eine geschickte Dienstplanung. Der ASB Zwickau setzt in seinen stationären Pflegeeinrichtungen deshalb auf die Eigenverantwortung der Beschäftigten. Das Ergebnis: Gute Pflege und eine zufriedene Belegschaft.

Es ist Nachmittag. In der zweiten Etage des Zwickauer Pflegeheims ‚Willy Stabenau‘ herrscht eine entspannte Atmosphäre. Im Gemeinschaftsbereich sitzen einige Bewohner*innen beisammen, unterhalten sich und trinken Kaffee. Ein Herr liest in einem Buch. Und die täuschend echt wirkende Kaminattrappe gibt dem Raum eine ganz besondere Note. Zwei Pflegekräfte nutzen die Zeit, um organisatorische Aufgaben zu erledigen. In ihrem nahezu rundum verglasten Büro haben sie den Wohnbereich weitgehend im Blick und sind sofort ansprechbar. Überhaupt wirkt das Raumkonzept von den Möbeln bis zur Wandgestaltung stimmig. Offen und einladend wirkt das alles. Die 26 Bewohner*innen und die  sechs  Pflege- und Betreuungskräfte des Bereichs scheinen sich hier sichtlich wohl zu fühlen.

„Die Bewohner müssen sich hier wohlfühlen. Das gilt genauso für unsere Pflegekräfte“, sagt der Einrichtungsleiter und stellvertretender Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) Zwickau, Matthias Sachse. „Darauf legen wir großen Wert. Deshalb beteiligen wir unser Personal an Entscheidungen, wenn es beispielsweise um die Neugestaltung der Gemeinschaftsbereiche geht. Schließlich verbringen die Pflegekräfte hier viel Zeit. Deshalb muss der Rahmen stimmen. Natürlich gefällt nicht immer allen alles, aber Entscheidungen werden besser mitgetragen, wenn man eigene Perspektiven einbringen konnte und weiß, wie das abschließende Ergebnis zustande gekommen ist.“ Jeder Wohnbereich des Hauses sieht daher anders aus.

Von der Raumgestaltung bis zum Dienstplan

Dieses Konzept der Eigenver-antwortung beschränkt sich nicht nur auf gestalterische Aspekte. Selbstorganisation ist ein zentrales Credo im Pflegebereich des ASB Zwickau. Es gilt ebenso für die Arbeitsorganisation in den jeweiligen Wohnbereichen. Das beginnt bei der Dienstplangestaltung und reicht bis zur Budgetverantwortung, die den Teams eigene Gestaltungsspielräume eröffnet.
Durch diesen Ansatz können die Teams gut auf die individuellen Bedürfnisse aller Beschäftigten eines Bereichs eingehen. Sei es die notwendige Flexibilität für die alleinerziehende Mutter, der Kollege mit dem pflegebedürftigen Elternteil oder die Mitarbeiterin mit dem Hobby, für das sie bestimmte Zeitfenster benötigt. Der offene Austausch untereinander und die Bereitschaft, auch mal einzuspringen und zu wissen, dass dies auf Gegenseitigkeit beruht, fördern außerdem den Teamgeist. Die Pflegedienstleitung agiert dabei hauptsächlich koordinierend. Dienstpläne entstehen gemeinsam. Eine Vorgabe der Geschäftsführung gibt es allerdings: Für alle Beschäftigten muss die Chance auf drei Wochen Urlaub am Stück bestehen.

Führung als Teamaufgabe verstehen

Die Wohnbereichsleitungen erhielten spezielle Führungslehrgänge. Mediation und Konfliktmanagement, aber auch Kommunikationstrainings gehörten ebenso dazu wie Kenntnisse in Betriebswirtschaft. Letztere sind mit Blick auf die Budgetverantwortung unabdingbar. Die damit verbundenen Gestaltungsoptionen geben dem jeweiligen Team zudem die Chance, gegebenenfalls mal ganz neu zu denken.

„Das von der Geschäftsleitung in die Mitarbeitenden gesetzte Vertrauen hat sich bisher immer bezahlt gemacht. Gleichzeitig achten wir auf flache Hierarchien, kurze Kommunikationswege und transparente Entscheidungen. Die Auswirkungen auf das Arbeitsklima und die Mitarbeiterzufriedenheit sind spürbar. So hat sich die Personalfluktuation in den zurückliegenden Jahren positiv entwickelt“, berichtet der stellvertretende Geschäftsführer.

Die private Komponente spielt dabei ebenfalls eine Rolle. Das Pflegeheim veranstaltet einmal im Jahr ein Fest, bei dem alle Beschäftigten mit ihren Familien im Garten der Einrichtung zusammenkommen. Gemeinsam wird gefeiert, die Kinder können miteinander spielen und man lernt einander besser kennen. Die Mitarbeitenden nehmen diese Gelegenheit gerne wahr. Der Einrichtungsleiter sieht hierin zwei wichtige Aspekte: „Einerseits geht es um Wertschätzung. Wir möchten unserem Personal auf diese Weise danken, denn es sind diese Menschen, die gute Pflege in unserem Haus umsetzen. Andererseits begegnet man sich in einem anderen Rahmen und lernt die Familien kennen. Das hilft auch im beruflichen Alltag, da man bestimmte Beweggründe oder Rückmeldungen besser verstehen kann.“

Berufliche Entwicklung unterstützen

Die Eigenverantwortung unterstützt der Arbeitgeber zudem bei der Frage persönlicher Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen. So bietet der ASB Zwickau trotz seiner Größe von insgesamt 660 Mitarbeitenden nicht für alle eine passende Stelle. Dennoch ist eine gewisse Flexibilität möglich, die kleinere Träger nur begrenzt haben. So kann beispielsweise der Wunsch einzelner Beschäftigter nach veränderten Wochenarbeitsstunden oder nach mehr oder weniger Verantwortung aufgegriffen und mittels Personalentwicklung umgesetzt werden.

Ein Personalentwicklungskonzept ist heute unabdingbar, um die Situation am Arbeitsmarkt und den Wettbewerb um Fachkräfte zu bewerkstelligen. Es erlaubt eine Vorstellung davon, wie mit dem vorhandenen Personal agiert oder im Fall von Fluktuationen reagiert werden kann. „Zu sehen, wer bald in den Ruhestand gehen oder eventuell Stunden reduzieren möchte und entsprechend andere Mitarbeitende aufzubauen, damit man nicht von Entwicklungen überrascht wird, geht nicht nebenbei. Wie bei allen anderen Aktivitäten sind dafür Ressourcen einzuplanen. Diese verstehen wir als notwendige Investition. Unvorhergesehene Ausfälle oder Weggänge lassen sich sicher nicht gänzlich vermeiden. Es gelingt aber besser, diese aufzufangen. Das Personalentwicklungskonzept und nicht zuletzt die eigenverantwortlichen Einheiten unserer Teams sind dabei entscheidend“, weiß Matthias Sachse aus Erfahrung. Wer seinen Kolleg*innen beim Arbeiten zuschaut und in deren freundliche Gesichter sieht, erkennt, dass der Ansatz funktioniert.


Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 2.2018 des Verbandsmagazins anspiel. zum Schwerpunkt "Fachkräftemangel. Wirklich?"

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