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Mitarbeiter*innengespräch: Auch in kleinen Organisationen sinnvoll?

Symbolbild: Menschen sitzen um einen Tisch auf dem bunte Sprechblasen liegen. (Foto: alotofpeople/ Fotolia.com)

In Organisationen mit wenigen Mitarbeiter*innen kennen sich doch alle, da sind Mitarbeiter*innengespräche überflüssig. Warum das ein Trugschluss ist und welche Chancen der Personalentwicklung Sie wohlmöglich verschenken, erklärt Nicole Börner.

Stellen Sie sich vor, Sie sind Führungskraft eines kleinen Trägers der Kinder und Jugendhilfe. Alle kennen sich und sind per Du. Mitarbeiter*innengespräche halten Sie deshalb nicht für notwendig - das ist eher was für große Organisationen mit vielen Beschäftigten. Blicken wir daher mal beispilehaft auf Ihre fiktiven Kolleg*innen Holger Lehmann, Eva Grabow, Michaela Gellrich und Frank Schiller.

Hätten Sie`s gewusst?

Holger Lehmann hat nach dem Studium drei Jahre in Moskau gelebt und spricht fließend Russisch. Generell hat er Freude daran, Sprachen zu lernen.

Eva Grabow wollte eigentlich Psychologie studieren. Heute ist sie gern Erzieherin, hätte aber Interesse an einer heilpädagogischen Zusatzqualifikation. Sie hofft immer, dass sich die Gelegenheit bietet, darüber ins Gespräch zu kommen.    

Michaela Gellrich ist verunsichert. Seit zwei Monaten bringen zwei Familien mit Migrationshintergrund ihre Kinder in die Einrichtung. Die jüngeren Kolleg*innen finden dies spannend für die pädagogische Arbeit. Michaela Gellrich wagt sich nicht über ihre Unsicherheit zu sprechen und denkt darüber nach, die Einrichtung zu verlassen.

Frank Schiller macht die Arbeit Freude, aber er sieht beim Arbeitgeber keine Chancen zur persönlichen Entwicklung mehr. Die Leitungsfunktionen in den beiden Einrichtungen des Trägers sind von jüngeren Kolleg*innen besetzt. Frank Schiller schaut sich bereits nach Ausschreibungen anderer Träger um.

Hätten Sie`s gewusst,…

…könnte sich Holger Lehmann vielleicht um den Erstkontakt von Menschen mit Migrationshintergrund bei ihrem Träger kümmern, z.B. Infomaterialien in verschiedenen Sprachen entwerfen.

…hätten Sie mit Eva Grabow vielleicht eine Möglichkeit, Ihren Träger hinsichtlich Inklusion zu entwickeln.

…würden Sie mit Michaela Gellrich Wege finden, ihre Verunsicherung zu mindern und eine Kündigung zu vermeiden.

…könnten Sie mit Frank Schiller vielleicht ein Projekt entwickeln, dessen Leitung er übernimmt und ihm damit wieder mehr Motivation verschaffen.

So oder so ähnlich könnte es jedoch auch in Ihrer organsiation sein, wenn Gespräche mit Mitarbeitenden nicht planvoll, sondern nur nebenbei erfolgen. Dadurch gehen Ihnen wichtige Informationen über Ihre Fachkräfte und damit Potenzial zur Entwicklung Ihrer Organisation verloren.

Wie kann´s gehen?

Planen Sie pro Mitarbeiter*in ein Personalgespräch im Jahr. Auch bei noch so flachen Hierarchien bringt ein Gespräch, auf das sich Leitung und Mitarbeiter*in vorbereiten können, einen Zugewinn für das Miteinander und die Entwicklung der Organisation. Sie erfahren, welchen subjektiven Eindruck Mitarbeitende vom Arbeitsalltag haben, welche Verbesserungsvorschläge sie einbringen und welche persönlichen Entwicklungswege sie sich vorstellen.

Ihre Aufgabe ist es, die Schilderungen der Mitarbeiter*innen, Ihre eigenen Wahrnehmungen und die Ziele der Organisation in Einklang zu bringen und das Personal entsprechend weiterzuentwickeln. Zudem handelt es sich bei Mitarbeiter*innengesprächen auch um ein Instrument der Wertschätzung für die individuell geleistete Arbeit.

Wen betrifft es?

Führen Sie Personalgespräche mindestens mit all jenen Mitarbeiter*innen, mit denen ein Arbeitsvertrag besteht. Dazu gehören auch Reinigungs- oder Hilfskräfte. Auch unter Ihnen können Potenziale verborgen sein, von denen Sie im Alltag womöglich nie erfahren würden. Darüber hinaus sind regelmäßige Jahresgespräche auch mit Ehrenamtlichen sinnvoll.

Ein wenig Struktur macht den Unterschied.

Damit Sie und Ihre Mitarbeiter*innen sich gleichermaßen auf das Gespräch vorbereiten können, ist eine grobe Struktur wichtig. Außerdem entsteht so ein persönlicher Denk- und Sprechraum, der sich von informellen Gesprächen oder Teamsitzungen u.ä. unterscheidet.

Wichtige Fragen während des Gesprächs könnten sein:

  • Wenn Du an Deinen Arbeitsalltag des letzten Jahres denkst, welche Dinge verliefen besonders positiv und was war eher schwierig?
  • Wie zufrieden bist Du mit der Zusammenarbeit im Team?
  • Wie zufrieden bist Du mit der Arbeitsorganisation und der Leitung?
  • Wo siehst Du Verbesserungspotenziale bei Deiner Arbeit?
  • Welche persönlichen Entwicklungswege stellst Du Dir vor?
  • Wie könnte die Organisation Dich dabei unterstützen?

Geben Sie auch eine persönliche Einschätzung zu den erbrachten Leistungen des letzten Jahres.

Warum plötzlich so förmlich? – Schaffen Sie Klarheit.

Bei einem sehr lockeren Führungsstil könnte ein formal angesetzter Gesprächstermin irritieren. Und auch sonst ist es wichtig, dass alle Beschäftigten Bescheid wissen. Machen Sie Ihren Mitarbeitenden transparent, warum Personalgespräche geführt werden. Es ist wichtig, dass allen diese Gesprächsform als Teil der Führungskultur bekannt ist.

Vereinbaren Sie einen gemeinsamen Termin, an dem Sie beide ausreichend Zeit haben. Planen Sie wenigstens eine Stunde ungestörter Gesprächszeit ein. Geben Sie Ihren Mitarbeitenden vorab die Gelegenheit, sich auf das Gespräch vorzubereiten, z.B. anhand der von Ihnen formulierten Fragestellungen.

Es darf ein bisschen nett sein.

Auch wenn das Personalgespräch eine strukturierte und zielorientierte Gesprächsform ist, sollte es zu Ihrer Organisation und insbesondere zu der Person, mit der Sie ins Gespräch kommen wollen, passen.

Suchen Sie einen Ort, an dem Sie nicht durch Dritte gestört werden. Das kann ein Beratungsraum sein, aber auch ein Spaziergang im Wald ist durchaus möglich. Das bereitgestellte Lieblingsgetränk oder eine kleine Knabberei kann zu einer angenehmen Atmosphäre beitragen. Stellen Sie Telefone ab und verhindern Sie andere Störungen. 

Schreiben Sie es auf.

Ein Gesprächsprotokoll dokumentiert den Inhalt. Dies unterstreicht die Verbindlichkeit der getroffenen Vereinbarungen. Darin können etwa auch gemeinsame Jahresziele benannt werden. Führungskraft und Mitarbeiter*in bestätigen das Protokoll durch ihre Unterschrift.


Nutzen Sie zur Weiterentwicklung Ihrer Organisation auch unsere Publikation „VIELFALT (MIT)DENKEN – Interkulturelle Öffnung und Diversitätsorientierung. EIN PRAXISLEITFADEN.“

 


Die Autorin: Nicole Börner ist Projektkoordinatorin in der Paritätischen Fach- und Informationsstelle für interkulturelle Öffnung und Diversität (PariFID).


Informationen und Unterstützung zu diesen oder anderen Themen der Vielfalt in der Organisationsentwicklung können Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Sachsen durch die „Paritätische Fach- und Informationsstelle für interkulturelle Öffnung und Diversität (PariFID)“ erhalten. Sie begleitet Veränderungsprozesse und berät.

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