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Mitbestimmung: Elternbeteiligung als Essenz eines freien Schulwesens

Karl Schubert Schule Leipzig, Elternbeteiligung, Foto: Matthias Wuttig

Menschen für ehrenamtliches Engagement zu gewinnen, bedeutet immer auch, sie einzubinden und mitbestimmen zu lassen. Schulen in freier Trägerschaft sind in besonderem Maß auf die Beteiligung von Eltern angewiesen. Wie das gelingen kann, schildert Birgit Thiemann am Beispiel der Karl Schubert Schule in Leipzig.

BACKEN, BASTELN, BLECHEN – dies sind die in Waldorfkreisen berühmt-berüchtigten Bs, die gern augenzwinkernd als Synonym für Elternarbeit genannt werden. In der Realität betätigen sich Eltern jedoch weitaus vielfältiger: Sie bauen, bepflanzen, begrünen, beackern und bewässern, sie bügeln und bürgen, besorgen, bezuschussen und bilanzieren, bedenken, beraten, beantragen und beauftragen. Kurzum: Sie beteiligen sich und bringen sich damit aktiv in die Schulgemeinschaft ein.

Doch wie weit geht die Elternbeteiligung? Gibt es Bereiche, die für Elternbeteiligung prädestiniert und andererseits solche, die davon ausgenommen sind? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Je nach pädagogischem Konzept, aber auch in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Entwicklung, differieren die Anforderungen an die Eltern an Freien Schulen.

Eltern als Träger*innen von Kompetenzen

Die Gründungsphasen Freier Schulen, sofern sie nicht von einem finanzkräftigen Träger initiiert werden, dürften sich weitgehend ähneln: Eine Gruppe Gleichgesinnter macht sich auf den Weg, die Bildungslandschaft um eine Schule ihrer Vorstellung zu bereichern. Neben der Formulierung eines pädagogischen Konzepts gilt es, die Suche nach einem geeigneten Gelände und guten Räumlichkeiten, nach geeignetem Personal, nach ausreichend Schüler*innen/Elternhäusern sowie alle erdenklichen Formalitäten zu meistern und natürlich die finanziellen Herausforderungen. Unterschiedliche Professionen und Fähigkeiten sind in dieser Phase absolut förderlich und die ehrenamtliche Unterstützung durch Eltern ist geradezu unerlässlich.

Ähnliches gilt für die Aufbaujahre. Bei noch knappen Finanzmitteln und einem stetig wachsenden Schulbetrieb dominiert nun oft das Thema Bauen. In regelmäßigen Baueinsätzen wurden beispielsweise in der Karl Schubert Schule mehrere Bürobaracken aus den 1970er Jahren schultauglich gemacht. Die so entstandenen Provisorien legen dem Schulbetrieb vielerlei Einschränkungen auf, verleihen ihm aber durchaus auch einen gewissen Charme.

Besonders zeitintensive Arbeitsfelder jenseits der Pädagogik entwachsen in diesen Aufbaujahren allmählich dem Ehrenamt – etwa die vielfältigen Verwaltungsaufgaben, das Bau- und Finanzwesen sowie Teile der Verbands- und Öffentlichkeitsarbeit oder der Hauswirtschaft. Es empfiehlt sich, gerade in dieser Phase der Konsolidierung die Beteiligung strukturell gut und dauerhaft anzulegen, um Eltern auch in Zeiten weniger dringlicher Aufgaben gut eingebunden zu wissen. Waldorfschulen verfügen hierbei über eine fast 100-jährige Tradition, die durchaus auch für andere Schultypen anregend sein kann.

Eltern als feste Partner*innen im Schulbetrieb

Zunächst einmal geht die Waldorfpädagogik von einer Erziehungspartnerschaft zwischen Pädagog*innen und Elternhaus aus. Dies erfordert seitens der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten Vertrauen in und Interesse an der praktizierten Pädagogik. Das wird durch stetige und vielfältige Begegnungsmöglichkeiten gewährleistet. Dazu gehören u.a. regelmäßige Elternabende, pädagogische Vorträge und Workshops sowie übers Jahr verteilt diverse Schulveranstaltungen und

–feste. Diese Form der Beteiligung extra hervorzuheben, mutet auf den ersten Blick vielleicht banal an. Als innere Haltung konsequent angewandt, schafft sie jedoch ein geistiges Fundament, auf dem gute pädagogische Arbeit überhaupt erst gedeiht.

Der hohe Stellenwert, den Theater- und Musikaufführungen sowie jahreszeitliche Feste und Schulveranstaltungen an Waldorfschulen einnehmen, kann in der Regel nur mit Hilfe einer unterstützenden Elternschaft gewährleistet werden. An allen Waldorfschulen existieren daher Arbeitskreise, die - ganz oder teilweise aus Eltern bestehend - dieses zusätzliche Angebot ermöglichen. Unterschiedlich gehandhabt wird, ob und wie diese Arbeitskreise wiederum untereinander koordiniert werden. Oft wird dies durch personelle Doppelbesetzungen bewerkstelligt, mitunter übernimmt dies auch das Gremium der gewählten Klassenelternvertreter*innen, dem einzelne Delegierte aus dem Schulkollegium beiwohnen.

Wirksame Mitbestimmung am Schulbetrieb ermöglichen

Seltener anzutreffen ist ein Schulparlament, wie es in der Karl Schubert Schule praktiziert wird. Dem paritätisch mit Eltern- und Kollegiumsvertreter*innen besetzten Gremium kommt nicht nur Beratungs-, sondern auch Entscheidungsfunktion zu. Es handelt sich um ein in der Satzung des Schulvereins verankertes Organ, dem ein ähnlicher Stellenwert wie dem Vereinsvorstand und der Pädagogischen Schulleitung beigemessen wird. Mittels dieses Gremiums haben Eltern über die drei eingangs genannten Bs hinaus die Möglichkeit, sich dauerhaft und nachhaltig an der Entwicklung und Gestaltung ihrer Schule zu beteiligen.

Während der elterliche Sachverstand in den Bereichen Finanzen und Bau auch an bereits länger bestehenden Schulen gerne und regelmäßig in Anspruch genommen wird, ist eine Elternbeteiligung beim Personalressort oder im Aufnahmegremium dann selten anzutreffen. Grund hierfür ist einerseits, Interessenskonflikte zu vermeiden, andererseits ist der wöchentliche Arbeitsaufwand als rein ehrenamtliche Tätigkeit von Eltern kaum zu leisten.

Knappe Finanzmittel stellen nicht das alleinige Motiv starker Beteiligung dar. In Anlehnung an Rudolf Steiners Idee der Sozialen Dreigliederung praktizieren Waldorfschulen eine kollegiale Selbstverwaltung, verzichten also auf eine Schulleitung im herkömmlichen Sinne. Eltern können sich in die kurz-, mittel- und langfristige Gestaltung der Schule miteinbringen. Gemeinsam mit den Pädagog*innen und allen Mitarbeiter*innen der Schule sind sie auf diese Weise ihren Kindern ein Vorbild in sozialem und selbstbestimmtem Handeln.

Zur Autorin: Birgit Thiemann arbeitet als Geschäftsführerin an der Karl Schubert Schule Leipzig, einer inklusiven Waldorfschule im Leipziger Süden. Sie war zuvor viele Jahre als Elternvertreterin der Freien Waldorfschulen der Region Mitte-Ost im Bund der Freien Waldorfschulen aktiv.


Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 1.2018 des Verbandsmagazins anspiel.