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Mittagessen in der Kita – Wer isst mit?

Essensversorgung ist in sächsischen Kitas fast obligatorisch. Doch was ist, wenn die Eltern nicht zahlen können? Kinder erfahren Ausgrenzung, wenn sie an der Speisung nicht mehr teilnehmen können. Silke Meyer wirft für uns einen Blick in die sächsische Praxis.

Ein angenehmer Milchreisduft zieht durch die Gänge der Kita. In der hauseigenen Küche wird er frisch zubereitet. Obst liegt als Nachtisch bereit. Als die Kinder vom Spielen hereinkommen, sieht man ihren Gesichtern gleich an, dass auch sie den leckeren Duft wahrgenommen haben. Die Vorfreude auf das Mittagessen steigt. Werden alle Kinder mitessen können? – In dieser Einrichtung ja, da der Träger durch die eigene Küche so flexibel ist, auch jenen Kindern eine warme Mittagsmahlzeit zu ermöglichen, deren Eltern mit den Zahlungen im Rückstand sind. Nicht überall in Sachsen ist das möglich.

Die Mittagsversorgung in sächsischen Kitas ist der Regelfall und wird überwiegend über externe Anbieter organisiert. Das Essen kommt meist verzehrfertig an und wird bis zur Ausgabe warm gehalten. Üblicherweise wählen die Kita-Träger den Caterer aus und die Eltern zahlen die Verpflegungskosten direkt an das Unternehmen. Anders als noch in den 1990er Jahren verfügen nur noch wenige Einrichtungen über eigene Küchen, in denen sie die Mahlzeiten frisch zubereiten können.

Essenssperrung – Du isst heute nicht mit.

Den Mitarbeiter*innen der Kompetenz- und Beratungsstelle des ESF-geförderten Projektes „KINDER STÄRKEN – Maßnahmen für Kinder mit besonderen Lern- und Lebenserschwernissen“, mit derzeit in rund 150 sächsischen Kitas zusätzliche Fachkräfte gefördert werden, um die Einrichtungen beim Umgang mit Kindern in besonderen Lebenssituationen zu unterstützen, begegnet die Frage nach der Mittagsversorgung immer wieder. Projektleiterin Silke Meyer berichtet: „In einer 2016 und 2017 durchgeführten Abfrage wurde sichtbar, dass in mehr als 60 Prozent der am Projekt beteiligten Einrichtungen die Essensgeldrückstände mit all ihren Folgen zum Einrichtungsalltag gehören. Die Angaben lassen sich differenzieren nach Sperrlisten, also der Androhung von Sperrung, und vollständigen Essenssperrungen. Die Anzahl der Kinder auf Sperrlisten variierte von Einrichtung zu Einrichtung von 1,7 bis zu 46,3 Prozent.“

Das Projektteam sieht darin ein äußerst bedenkliches Ergebnis. Denn neben der Ernährung spielt auch der Teilhabeaspekt für die kindliche Entwicklung eine wichtige Rolle. Durch die Situation der vermehrten Essensgeldrückstande sind insbesondere Kinder aus finanziell benachteiligen Familien vom Risiko frühkindlicher Ausgrenzungserfahrungen bedroht. Bedingt durch die Lebenslage der Familien sind die materiellen und sozial-kulturellen Ressourcen ohnehin geringer als in Familien, die über höhere Bildungsabschlüsse und höhere Einkommen verfügen. Der Ausschluss vom Mittagessen ist demnach ein weiterer Zustand, indem das Kind erlebt: Du gehörst nicht dazu.

Keine einheitlichen Lösungen vorhanden

Bei aufkommenden Essenschulden ist das Gespräch mit den Erziehungsberechtigten der erste Schritt. Dabei werden die Gründe und mögliche Unterstützungsangebote besprochen, wie beispielsweise Zuschüsse über das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT). Erstaunlich ist dabei, wie wenig bekannt einzelne Hilfsleistungen immer noch sind und wie oft potenzielle Nutzer*innen vor den bürokratischen Anforderungen zurückschrecken.

Der konkrete Umgang mit den ausstehenden Essensbeiträgen ist sehr unterschiedlich. Während einige Kitas Essenssperrungen ab dem ersten Tag vornehmen, erfolgt dies in anderen Einrichtungen erst nach einem längeren Zeitraum. Es gibt aber auch Kitas, die trotz ausstehender Beiträge kein Kind vom Essen ausschließen.

Maßnahmen der Einrichtungen waren neben Gesprächen mit den Eltern die Mitgabe von Kaltverpflegung oder auch, die betroffenen Kinder vor dem Essen abholen zu lassen. Auf der Suche nach Lösungen setzten sich meist Leitungskräfte ein, um Barzahlungen vor Ort zu ermöglichen oder Ratenvereinbarungen zu vermitteln. Es gib auch Fälle, in denen der Betreuungsvertrag gekündigt wurde.

Da meistens ein Caterer beteiligt ist, sehen sich die Leitungskräfte mit einem hohen Aufwand konfrontiert. Einfacher ist es für Einrichtungen mit eigener Küche: Da hier kein externer Vertragspartner berücksichtigt werden muss, sind sie flexibler.

Zusätzliche Kapazitäten für Beratung und Begleitung

Silke Meyer beschreibt das Spannungsfeld wie folgt: „Pädagogische Fachkräfte befinden sich in einem Dilemma, insbesondere wenn benachteiligte Kinder an den Angeboten in der Kita nicht teilhaben können und eine Mittagsversorgung fehlt. Familien mit wiederkehrenden Essensgeldrückständen sind fast immer mehrfach belastet und befinden sich teils in erschwerten Lebenssituationen. Wenig verwunderlich ist daher, dass sich Fachkräfte in Kitas mit vermehrt auftretenden Essensgeldrückständen und mit der Lösung von Essenssperrungen überfordert fühlen. Sie müssen zwischen den Bedürfnissen von Kindern, Eltern und Caterer vermitteln.“

Das Projekt „KINDER STÄRKEN“ wirkt in den beteiligten Kitas entlastend. Mit zusätzlichen Fachkräften wurden beispielsweise gemeinsam mit den Eltern die Leistungen über das BuT beantragt, zwischen säumigen Zahler*innen und den Caterern wurde vermittelt und es wurde an andere Hilfsangebote weitergeleitet. Die Kita-Teams spürten eine deutliche Entlastung. Zudem konnten Essenssperrungen durch frühzeitige Beratungs- und Unterstützungsangebote langfristig vermieden werden. So kann nun fast jedes Kind in den Programmeinrichtungen, das den Essensduft schon vorfreudig in der Nase hat, auch wirklich mitessen.

Mher zum Projekt KINDER STÄRKEN auf www.kinder-staerken-sachsen.de


Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 1.2019 des Verbandsmagazins anspiel.
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