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Neue Talente für die Pflege gewinnen und binden – Einblicke in die Praxis

Symbolbild: Pflegekraft hält Hand einer Seniorin. (Foto: Photographee.eu/ Fotolia.com)

Der Initiative Leben e.V. ist Träger der ambulanten Pflege und betreibt in Dresden eine Tagespflegestation. Mit rund 20 Mitarbeiter*innen gehört der Verein eher zu den kleineren Organisationen der Branche. Aber auch hier steht die Frage im Raum: Wie finden wir gute Pflegefachkräfte? Ich treffe die Geschäftsführenden Maria Hampel und Konstantin Schmidt sowie eine Auszubildende in den freundlich eingerichteten Räumen des Vereins. Die drei haben sich Zeit genommen, um mit mir über den Fachkräftemangel und Möglichkeiten der Personalgewinnung zu sprechen.

Frau Hampel bringt die Fachkraftsituation gleich zu Beginn unseres Gesprächs auf den Punkt: „Das ist auch bei uns ein wichtiges Thema und in der Pflege allgemein ein großes Problem. Wir fahren bei der Personalsuche deshalb mehrgleisig.“

Freiwilligendienst als ein Instrument der Personalgewinnung

Neben klassischen Stellenausschreibungen nutzt der Verein beispielsweise auch Schülerpraktika, um frühzeitig Kontakte zu potenziellen Auszubildenden zu knüpfen. Außerdem gehört die Beschäftigung von Freiwilligen fest zur Strategie der Zukunftssicherung. „Unter jungen Leuten herrscht vielfach die Meinung, Altenpflege heißt im Wesentlichen, Senioren zur Toilette zu begleiten. Dass der Alltag mit alten Menschen aber weit mehr umfasst, durchaus auch Spaß bringt und eine Bereicherung für das eigene Leben sein kann, das erfahren Jugendliche oft erst, wenn sie es ausprobieren“, so Konstantin Schmidt, der die Rolle der Freiwilligendienste als Instrument der Nachwuchsgewinnung und die guten Erfahrungen damit betont.

Die Freiwilligen können nach und nach in die verschiedenen Bereiche des Altenhilfeträgers reinschnuppern. So lernen sie die ambulante Pflege kennen, die Arbeit in der Tagespflege oder die Besonderheiten des betreuten Wohnens. Die jungen Menschen werden dabei von den jeweiligen Fachkräften der Bereiche eng begleitet. „Das ist wichtig“, betont Maria Hampel. „Im Austausch mit den Freiwilligen erkennen wir, was ihnen liegt und wo mehr Begleitung nötig ist.“

Den Menschen und seine Fähigkeiten sehen

Über ein Freiwilliges Soziales Jahr kam auch eine junge Frau mit Fluchtgeschichte ins Team. Als Auszubildende ist sie heute eine beliebte Kollegin. Zurückhaltend sitzt sie mit uns am Tisch. Auf meine Frage, wie sie auf den Gedanken gekommen sei, eine Ausbildung zur Altenpflegerin zu beginnen, antwortet sie: „Ich wollte immer etwas mit Menschen machen.“ Ganz genau habe sie allerdings nicht gewusst, in welche Richtung es gehen soll. Altenpflege habe sie ursprünglich nicht im Sinn gehabt, da es in ihrem Herkunftsland nicht üblich sei, alte Menschen außerhalb der Familie pflegen zu lassen. Der Freiwilligendienst sei daher eine gute Möglichkeit gewesen, sich in diesem Bereich auszuprobieren. „Am Anfang hatte ich Sorgen, dass ich wegen meiner Religion nicht akzeptiert werde, weil ich ein Kopftuch trage. Ich habe also mit den Leuten gesprochen, ihnen einiges erklärt. Das war dann gar kein Problem“, berichtet sie sichtlich froh von ihrem Start bei den pflegebedürftigen Menschen und dem Ankommen im Team.

Einstiege bewusst gestalten und das Miteinander im Team fördern

Auch in Maria Hampels Augen scheint der Prozess des Ankommens eine besondere Schlüsselfunktion zu besitzen. Jede*r neue Mitarbeiter*in wird mindestens ein bis zwei Wochen durch eine*n Kolleg*in begleitet. Das gelte auch für erfahrene Fachkräfte, die neu beim Verein einsteigen. Außerdem ist der tägliche gemeinsame Start in den Tag ein wichtiger Orientierungspunkt für das ganze Team. Beim Frühstück werden dienstliche und durchaus auch private Dinge ausgetauscht. „Selbstverständlich ist das Arbeitszeit“, betont die Geschäftsführerin, die darin ein wertvolles Instrument zur Stärkung des Teams sieht.

Dass der Auszubildenden die Atmosphäre beim Initiative Leben e.V. und die Arbeit mit den alten Menschen gefallen, war schnell klar. Nach Abschluss des Freiwilligen Sozialen Jahres wollte sie deshalb eine Ausbildung zur Pflegehelferin machen. Frau Hampel dazu: „Wir mussten sie regelrecht überreden, doch lieber gleich eine Ausbildung zur Altenpflegerin anzugehen.“ Die junge Frau traute sich dies selbst nicht zu. Heute, im ersten Lehrjahr, würde sie am liebsten alles schon selbständig erledigen. Sie hat an Selbstbewusstsein gewonnen und Initiative Leben e.V. eine neue Mitarbeiterin.

Offenheit als Schlüsselqualifikation

Auf die Frage hin, was das Miteinander der Kolleg*innen in der Teamarbeit des Initiative Leben e.V. ausmacht, sagt Maria Hampel: „Wir haben gemeinsame Grundwerte. Offenheit, Zugewandtheit und ein liebevolles Miteinander gehören dazu. Wir leben hier miteinander und mit den Patientinnen und Patienten.“ Die Fluchtgeschichte der jungen Kollegin hat das Team sehr berührt. „Wir lernen durch eine vertrauensvolle Haltung gemeinsam und erfahren neue Sichtweisen“.  


Die Autorin: Nicole Börner ist Projektkoordinatorin in der Paritätischen Fach- und Informationsstelle für interkulturelle Öffnung und Diversität (PariFID).


Informationen und Unterstützung zu diesen oder anderen Themen der Vielfalt in der Organisationsentwicklung können Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Sachsen durch die „Paritätische Fach- und Informationsstelle für interkulturelle Öffnung und Diversität (PariFID)“ erhalten. Sie begleitet Veränderungsprozesse und berät.

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