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Parität vor Ort: Veranstaltung zum Bundesteilhabegesetz

Rollstuhl Behinderung Teilhabe Inklusion (Sophie Lamezan/ pixelio.de)

Das Bundesteilhabegesetz bietet den Einrichtungen und Diensten neue Möglichkeiten - stellt jedoch auch neue Anforderungen. Zudem sind richtungsweisenden Regelungen auf Landesebene, wie beispielsweise eine Bedarfsbemessungsverfahren oder die Trägerschaft der Eingliederungshilfe, noch völlig offen. Mit der Veranstaltung 'Parität vor Ort' informiert der Paritätische über aktuelle Entwicklungen - diesmal in Annaberg.

In den Regionen präsent zu sein, ist dem Paritätischen Sachsen ein wichtiges Anliegen. Im Rahmen des Veranstaltungsformates „Der Paritätische vor Ort“ lud der Paritätische Sachsen am 15.08.2017 in das Lebenshilfewerk Annaberg ein. Über 60 interessierte Mitarbeiter(innen) der Mitgliedsorganisationen nutzten die Möglichkeit, sich in thematisch passendem Ambiente über die Neuerungen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) zu informieren.

Sebastian Groß, Vorstand des Lebenshilfewerk Annaberg e.V., und Moderator Ulf Breitfeld, Regionalstellenleiter für Erzgebirge, Mittelsachsen und Vogtland beim Paritätischen Sachsen, eröffneten die Informationsveranstaltung mit einer Vorstellung der gastgebenden Einrichtung.

Annett Heinich, Inklusionsbotschafterin des Selbstbestimmt Leben e.V., informierte anschließend sehr anschaulich über die Geschichte der Behindertenhilfe in Deutschland - über den Weg aus der Euthanasie zu einem neuen Bundesteilhabegesetz, das der Selbstbestimmtheit der Menschen mit Behinderung Rechnung trägt. Auf dem Weg zum Ziel ihrer Arbeit als Inklusionsbotschafterin, nämlich allen Menschen Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, sieht Frau Heinich trotz einiger Kritikpunkte mit dem Gesetz einen wichtigen Schritt getan.

In der darauf folgenden grundlegenden Einführung in die Thematik des Bundesteilhabegesetzes durch Roland Frickenhaus, Referent für Soziale Teilhabe des Paritätischen Sachsen, wurde die Notwendigkeit der gesetzlichen Neuerung deutlich. „Die bestehenden Gesetze waren nicht mehr zeitgemäß und gründeten auf einem antiquierten Behinderungsbegriff, der einem neuen Verständnis der Behinderung als Ergebnis der Wechselwirkung zwischen den Menschen und ihrer Umwelt weichen musste“, erklärt Roland Frickenhaus. Gleichzeitig soll das Bundesteilhabegesetz den stetig steigenden Kosten entgegenwirken und die Teilhaberechte der Menschen mit Behinderungen im Sinne von Inklusion und Selbstbestimmung entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention stärken. Im Bereich Wohnen, der Referent im weiteren Verlauf erläuterte, soll dies unter anderem mit Hilfe des Aufteilens der Heimkosten in existenzsichernde Leistungen und Kosten der Fachleistung erreicht werden. „Menschen mit Behinderung sind dadurch künftig nicht mehr ausschließlich Sozialhilfeempfänger, sondern haben einen neuen Rechtsanspruch auf Teilhabeleistungen. Für die Träger von stationären Wohnangeboten wiederum ist diese Änderung nicht unerheblich und führt zu Unklarheiten bezüglich der Abrechnung und Vergabe von Leistungen. Dies wurde auch in den Fragen aus dem Publikum deutlich“, fasst Roland Frickenhaus seinen Part der Veranstaltung zusammen.

Ein weiterer zentraler Punkt, der momentan noch zu Verunsicherung führt, ist die Einführung eines Hilfebedarfserfassungsinstruments ab dem 01.01.2018. Momentan ist die TU Dresden damit beauftragt, eine geeignete Systematik zu finden. Die Referent(inn)en verwiesen auf den vergleichsweise langen Zeitraum, in dem diese in den Arbeitsalltag eingeführt werden wird. So auch Bärbel Herold, Referentin für Hilfen in besonderen Lebenslagen und Werkstätten für Menschen mit Behinderung, die im Anschluss über die Auswirkungen des Gesetzes im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben informierte. „Die wichtigste Neuerungen sind hierbei die Erhöhung des Arbeitsförderungsgeldes (AFG) und die Einführung des Budgets für Arbeit, das die Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt vereinfachen soll. Die Mitbestimmungsrechte der Menschen mit Behinderung werden durch folgende Neuerungen maßgeblich gestärkt.“, führt sie aus. So können die Leistungen der Werkstätten künftig auch von anderen Leistungsanbietern in Anspruch genommen werden und das Mittagsessen wird nicht mehr pauschal von der Eingliederungshilfe bezahlt. Den Betroffenen wird ein Geldbetrag über die Grundsicherung zur Verfügung gestellt, den sie dafür einsetzen können. Ab fünf wahlberechtigten Frauen ist zudem die Wahl einer Frauenbeauftragten vorgesehen und die Werkstatträte erhalten neue Mitbestimmungsrechte und eine zahlenmäßig größere Präsenz.

Mario Chmelarz, Referent für Entgelte des Paritätischen Sachsen schloss die Veranstaltung mit Ausführungen zu den Neuerungen im Bereich der Frühförderung. Die bisher nicht bundesweit vollzogene Umsetzung der „Komplexleistung Frühförderung“ soll durch die Einführung einer gesetzlichen Definition und die Regelung der Übernahme der Leistungsbestandteile erreicht werden. Mario Chmelarz dazu: „Der Paritätische Sachsen empfiehlt, die derzeitigen Regelungen des Landes Sachsen beizubehalten, da diese in ihrer Qualität bereits den Anforderungen aus dem Bundesteilhabegesetz entsprechen.“

Ziel der Auftaktveranstaltung war es, erstes Grundlagenwissen zu den o.g. Themen zu vermitteln, aber auch Unsicherheiten zu reduzieren und die Umsetzung des BTHG als Chance für lohnende Veränderungen zu sehen. So verwiesen die Referent(innen) in allen Bereichen auf die schrittweise Umsetzung der Änderungen über sechs Jahre bis 2023 und damit die ausreichend lange Zeit, in der sich die Einrichtungen neu ausrichten und Angebote neu formulieren und anpassen können.

Autorin: Stephanie Meichsner, Regionalkoordinatorin des Paritätischen Sachsen in Chemnitz

 

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